Eine YouGov-EuroTrack-Umfrage unter Bürgern in Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien zeigt: Westeuropa ist bereit für ein «Breturn» – aber nicht zu alten Konditionen, wie der britische Guardian schreibt:
- 51 bis 63 Prozent der Befragten befürworten, dass Großbritannien grundsätzlich in die EU zurückkehrt. Die Werte liegen bei 51 Prozent (Italien), 53 Prozent (Frankreich), 60 Prozent (Spanien) und 63 Prozent (Deutschland).
- Eine Mehrheit der EU-Europäer würde auch dann ein unabhängiges Schottland in die EU aufnehmen, wenn Großbritannien draußen bleibt. Nach dem vor einigen Jahren hauchdünn gescheiterten Unabhängigkeitsreferendum, will London Edinburgh allerdings keinen erneuten Urnengang gewähren.
- Allerdings lehnen 58 bis 62 Prozent ab, wenn Großbritannien dabei weiterhin Ausnahmen vom Euro und Schengen behalten will. Nur 19 bis 22 Prozent würden ein Comeback unter den alten Bedingungen akzeptieren.
- In Großbritannien selbst würden 54 Prozent das EU-Comeback grundsätzlich befürworten, allerdings sinkt diese Zustimmung auf 36 Prozent, wenn damit ein Verzicht auf Ausnahmeregelungen verbunden wäre. 45 Prozent lehnen das Comeback dann sogar explizit ab.
- Dänemark ist die Ausnahme: Dort unterstützen 72 Prozent ein britisches Comeback grundsätzlich, und 43 Prozent wären auch mit Ausnahmeregelungen einverstanden – verständlich, da Dänemark selbst EU-Ausnahmen wahrnimmt.
Fazit: Die öffentliche Meinung in Europa prägt sich stark durch die Forderung, dass Großbritannien nur ohne Sonderstatus erneut eintreten sollte – ein Wiederbeitritt zu den Bedingungen ante Brexit scheint kein Thema zu sein, was einen baldigen «Breturn» sehr, sehr unwahrscheinlich macht.
Brüssel und London verhandeln allerdings derzeit über Erleichterungen bei Problemen, die sich als stoßend erwiesen hatten, zum Beispiel ein Arbeitsvisum für Menschen im Alter von 18 bis 30 Jahren. Das berichtete ebenfalls der Guardian:
- Die EU dringt darauf, jungen Briten und jungen EU-Europäern eine befristete Arbeitsmöglichkeit im jeweils anderen Rechtsgebiet zu gewähren, vorzugsweise für 12 Monate mit möglichen Verlängerungen, beschränkt auf bestimmte Branchen und mit Kontingenten.
- Gespräche laufen seit April 2024, wobei Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Belgien und die Niederlande stark dafür eintreten.
- Die Grundsatzvereinbarung vom 19. Mai 2025 (UK–EU-Gipfel) betont die Entwicklung eines «balanced youth experience scheme» mit klar geregelten Visa und Teilnehmerzahlen.
- In Großbritannien gibt es innerparteiliche Debatten: Schatzkanzlerin Rachel Reeves befürwortet den Deal wegen seines Potenzials für Wachstum, während Innenministerin Yvette Cooper vor einer Rückkehr in die Freizügigkeit warnt und klare Obergrenzen fordert («one-in, one-out») .
Fazit: Die angestrebte Lösung ist als technisches «Reset» gedacht – mit befristeten Aufenthalten, die aber weder die Freizügigkeit noch die fundamentalen Brexit-Ziele unterlaufen.
Diverse Erhebungen belegen mittlerweile, dass die Stimmbürger auf der Insel den Entscheid zum Brexit mehrheitlich bereuen. Der Abstimmungskampf war damals mehrheitlich unter dem Motto «take back control» und gegen die Personenfreizügigkeit mit der EU geführt worden.
Es hat sich aber gezeigt, dass der Brexit zum Gegenteil geführt hat. EU-Bürger, zum Beispiel aus Polen, ließen sich die Verschlechterung ihres Aufenthaltsstatus nicht einfach gefallen und verließen in Massen das Land. Sie mussten dann trotzdem ersetzt werden; Großbritannien war dann gezwungen, aus weit entfernten und kulturell weniger kompatiblen Regionen zu rekrutieren, weil EU-Bürger die Gefahr nicht eingehen wollen, dass ihre Arbeitserlaubnis nicht erneuert wird und sie das Land verlassen müssen.
Außerdem belasten die Brexit-Nachwirkungen das Land nach wie vor: Großbritannien leidet unter wachsenden Staatsschulden – diese beläuft sich auf etwa 100 Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandprodukt BIP) – sowie rückläufigen Exporten und höheren Lebenshaltungskosten.
Trotz einer eher EU-freundlichen Regierung unter Labour-Premierminister Keir Starmer – dies zeigt sich zum Beispiel durch eine Beteiligung britischer Minister an EU-Gremien – bleibt eine formelle Rückkehr politisch kaum realistisch, auch wegen politischer Widerstände. So ist die Partei Reform UK, die als Brexit-Party gegründet wurde und auch nach dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs eine starke EU‑Skepsis verbreitet, im Erstarken begriffen, und es gibt Streit in Sachen Fischerei, Landwirtschaft, Migration und Kohäsionsbeiträge.
Die Regierung sondiert behutsam, ob ein «Reset» machbar ist – bislang bleibt es jedoch bei symbolischen Schritten.
Kommentar von Transition News
Ich habe vor mehr als 30 Jahren die Herangehensweise Großbritanniens und der Schweiz an die Europapolitik in einer wissenschaftlichen Arbeit verglichen. Damals war die Schweiz außen vor und Großbritannien drin, heute ist die Schweiz durch bilaterale Verträge abgesichert und Großbritannien außen vor.
Die jetzige Labour-Regierung wird wohl kaum weitergehende Schritte unternehmen als die oben skizzierten. Falls in einer nächsten Legislatur aber die Liberaldemokraten in bestimmender Position an der Regierung beteiligt sind, würden diese wohl eine EWR-Mitgliedschaft oder etwas wie die bilateralen Verträge mit der Schweiz aushandeln. Beides wäre aber nicht ohne die Personenfreizügigkeit zu haben.
Was lehrt uns das in der Schweiz? Der Brexit ist für Briten auch im Alltag fühl- und spürbar. Er hat nicht funktioniert, lässt sich aber auch nicht rückgängig machen. Die Schweiz hat bilaterale Verträge, die viel weiter gehen als das heutige Arrangement mit Großbritannien. Würde man in der Schweiz die dritte Serie von bilateralen Verträgen, die etwa in zwei Jahren an die Urne kommt, ablehnen, dann würde man sehr bald die negativen Folgen spüren, denn ein Nein heißt nicht, dass alles beim Alten bleibt.
Die Schweizer Unterhändler haben praktisch das Maximum herausgeholt, was herauszuholen ist. Man sollte sich davor hüten, das Ergebnis nur aufgrund von Schlagworten, wie sie heute herumgeboten werden, abzulehnen. Die Erfahrung Großbritanniens zeigt, dass das nächste Verhandlungsergebnis schlechter sein wird.