Die Schweizer Regierung will künftig direkter mit der Bevölkerung kommunizieren – und lanciert dafür eine eigene «Bundesrats-App». Bürgerinnen und Bürger sollen damit einfach und gebündelt auf Informationen des Bundesrats und der Bundeskanzlei zugreifen können. Themen wie Abstimmungen, internationale Krisen oder Bundesratsreisen sollen dort unkompliziert abrufbar sein, wie die Medien am Donnerstag meldeten.
Der Bund betont, die App solle vor allem helfen, Falschinformationen zu bekämpfen und in Krisensituationen schnell zu informieren. Laut einer vom Bund selbst in Auftrag gegebenen Umfrage stößt das Projekt angeblich auf große Zustimmung in der Bevölkerung. Doch die Stimmen, die davor warnen, werden lauter.
Der Polit-Analyst Mark Balsiger sieht das Projekt kritisch. Er bezeichnet die App als Instrument der «message control». Aus seiner Sicht geht es dem Bund weniger um objektive Information, sondern darum, eigene, mühsam ausgearbeitete Botschaften möglichst weit in der Bevölkerung zu verbreiten.
Balsiger warnt, dass Medien aufgrund schrumpfender Ressourcen immer häufiger unkritisch Inhalte übernehmen könnten – besonders, wenn diese direkt vom Bund geliefert werden. Zudem hinterfragt er die Legitimität der App:
«Statt unabhängigen Journalismus zu stärken, startet der Staat lieber sein eigenes Kommunikationsinstrument – und rechtfertigt es mit einer hauseigenen Umfrage.»
Auf der anderen Seite stehen Politiker, die den Schritt als notwendig erachten. SP-Nationalrat Jon Pult begrüsst das Vorhaben ausdrücklich. In Zeiten zunehmender Desinformation sei es wichtig, dass die Bevölkerung direkten Zugang zu geprüften Informationen erhalte. Gleichzeitig mahnt er jedoch:
«Eine funktionierende Demokratie braucht nicht nur Transparenz vom Staat – sondern auch eine echte Förderung des unabhängigen Journalismus.»
Ähnlich äußert sich Grünen-Nationalrat Gerhard Andrey. Er sieht in der App einen sinnvollen Schritt in der digitalen Entwicklung des Bundes. Natürlich bleibe es Aufgabe der Medien und Bürger, auch staatliche Aussagen kritisch zu hinterfragen – wie schon heute.
Mitte-Nationalrat Nicolò Paganini steht der App ambivalent gegenüber. Zwar sieht auch er Vorteile in der vereinfachten Kommunikation, erinnert jedoch daran, dass auch der Staat Fehlinformationen verbreiten kann – etwa bei der umstrittenen Berechnung zur Heiratsstrafe-Initiative. Besonders kritisch werde es, so Paganini, wenn die App künftig als Mittel zur «Umerziehung» in gesellschaftlichen Fragen eingesetzt würde – etwa bei Ernährung oder Energieverhalten.
Noch deutlich skeptischer ist die SVP: Nationalrat Lars Guggisberg sieht in der App ein unnötiges Projekt, das zu streichen sei. Er verweist auf die vielen IT-Vorhaben des Bundes, die gescheitert seien, und zweifelt grundsätzlich an der Nachfrage:
«Niemand hat auf eine Bundesrats-App gewartet.»
Zudem befürchtet er einen weiteren Ausbau des Bundesapparats – auch wenn offiziell keine neuen Stellen geschaffen würden.
Auch aus der Medienbranche kommen Bedenken. Vertreter von Mediengewerkschaften befürchten, dass der Staat durch eigene Informationskanäle die Unabhängigkeit der Presse weiter untergräbt – besonders, wenn Journalisten mangels Ressourcen auf Inhalte der App zurückgreifen müssen. Die Gefahr einer schleichenden Aushöhlung der vierten Gewalt sei real.
Während Befürworter in der App ein Instrument gegen Desinformation sehen, warnen Kritiker vor Staatspropaganda und Umerziehung. Nach den Erfahrungen in der Coronazeit ist die Gefahr, dass bestimmte Narrative durchgesetzt werden, jedenfalls real.