Niemand kann ihnen entgehen: den Ewigkeitschemikalien. So wird die Stoffgruppe der Per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) genannt. Sie umfasst inzwischen über 14.000 leicht unterschiedliche künstliche Substanzen.
Bild 1: Auswirkungen der PFAS-Exposition auf die menschliche Gesundheit (Wikimedia Commons)
Sie sind schädlich für die Leber, die Fortpflanzung und Entwicklung, das Herz-Kreislaufsystem, die Nieren, die Schilddrüse, das Nervensystem – und sie sind krebserregend. Es gibt über 2.700 Einträge in der Literaturdatenbank Pubmed mit den Stichworten «PFAS» und «Health».
Das Problem: Sie stecken in Pfannen, E-Autos, Imprägnierspray, Beschichtungen von Kleidung und Einweggeschirr, Feuerlöschschaum und anderen Produkten – und sie bauen sich, worauf ihr Name schon hindeutet, in der Natur nicht ab. Im Gegenteil: Im Laufe der Zeit können sie sich im Körper anreichern.
Am 20. Mai wurde ein Artikel auf Propublica veröffentlicht – und von Childrens Health Defence (CHD) übernommen –, der politischen Sprengstoff enthält:
Darin erzählt Sharon Lerner die Geschichte von Kris Hansen, einer Angestellten bei 3M. Der Konzern stellte schon früh Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) her – einen Vertreter aus der Stoffgruppe der PFAS.
Kris Hansen arbeitete seit etwa einem Jahr als Chemikerin bei 3M, als ihr Chef Jim Johnson ihr 1997 eine ungewöhnliche Aufgabe gab: Sie sollte menschliches Blut auf chemische Verunreinigungen testen. 3M-Produkte wie Scotchgard und Scotchban enthielten Fluorchemikalien, darunter PFOS, das in die Körper von 3M-Arbeitern gelangte.
Johnson beauftragte Hansen damit zu überprüfen, ob diese Chemikalie auch in Blutproben der Allgemeinbevölkerung vorkommt. Hansen stellte fest, dass PFOS in allen getesteten Blutproben vorhanden war, auch in denen des American Red Cross. Hansen und ihr Team führten gründliche Tests durch, die bestätigten, dass PFOS weit verbreitet war.
Hansen berichtete dies Johnson, dessen Reaktion kryptisch war: «Das ändert alles.» Hansen entdeckte später, dass 3M bereits in den 1970er Jahren Tierversuche durchgeführt hatte, die die Toxizität von PFOS aufzeigten. Diese Ergebnisse waren jedoch geheim gehalten worden.
Als Hansen ihre Untersuchungen ausdehnte, stellte sie fest, dass PFOS auch in Tieren und im Wasser vorkam und in der Nahrungskette zirkulierte. Ihre Vorgesetzten hinterfragten ihre Ergebnisse ständig und sie wurde unter Druck gesetzt, ihre Methoden zu überprüfen, obwohl ihre Ergebnisse konsistent blieben.
Hansen erfuhr schließlich, dass 3M bereits in den 1970er Jahren von der Anwesenheit von PFOS im menschlichen Blut wusste, diese Informationen aber zurückgehalten hatte. Ihr Chef Bacon und andere Vorgesetzte schränkten Hansens Forschung ein und versetzten sie schließlich in eine andere Position, in der sie nur noch von Vorgesetzten angeforderte Experimente durchführen durfte.
Ihre Arbeit wurde später stillschweigend an die US-Umweltschutzbehörde (EPA) weitergeleitet, ohne dass sie darüber informiert wurde. 3M meldete der EPA, dass PFOS in menschlichem Blut gefunden wurde, behauptete jedoch, dass dies keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit habe.
Hansen zahlte einen hohen Preis für ihre wissenschaftliche Beharrlichkeit. Wegen ihrer Forschungsergebnisse, die auf die schädliche Anreicherung von PFOS in Menschen hinwiesen, begegneten Kollegen und Vorgesetzten ihr feindlich und sie wurde von ihnen marginalisiert.
Dass 3M die Produktion von PFOS-haltigen Chemikalien auf Druck der EPA schließlich einstellte, war zwar ein Erfolg für Hansens Engagement, ging für sie jedoch mit erheblichen persönlichen Kosten einher. Sie geriet unter schweren Stress, was zu einer Verschlechterung ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit führte. Sie entschied sich schließlich, nachdem sie Zwillinge zur Welt gebracht hatte, das Umweltlabor zu verlassen. Ihre Isolation und die Angst vor Repressalien belasteten sie stark.
Die Geheimhaltung und Informationsaufteilung bei 3M verhinderten, dass viele Mitarbeiter, einschließlich Hansen, das volle Ausmaß des Schadens durch PFOS erkannten. Die Verheimlichung der Gefahren von PFOS durch 3M, trotz interner Erkenntnisse seit Jahrzehnten, illustriert ein besorgniserregendes Muster, bei dem Gewinn über Sicherheit gestellt wird. Die Offenlegung interner Dokumente durch Klagen und investigative Berichterstattung brachte die Wahrheit ans Licht, doch der Schaden war bereits angerichtet.
Die weltweit verbreitete Kontamination durch PFAS, einschließlich PFOS, und die anhaltenden Gesundheitsrisiken unterstreichen die dringende Notwendigkeit strengerer Regulierungsmaßnahmen. Die wissenschaftliche Gemeinschaft deckt laufend weitere Auswirkungen dieser Chemikalien auf die Gesundheit auf.
Die Geschichte der PFOS-Kontamination zeigt – hier am Beispiel von 3M – die desaströsen Konsequenzen der Vernachlässigung von Umwelt- und Gesundheitsschutz zugunsten von Konzernprofiten.
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