Samstag, 16. September, in der Innenstadt von Bad Säckingen an der Schweizer Grenze. In der Fussgängerzone haben Peter Ganz und eine örtliche Mitarbeiterschaft die «Galerie des Grauens» aufgebaut: Hunderte von Schautafeln, auf Leinen gereiht, die Opfern und Tätern der Gen-Spritze ein Gesicht geben.
Am Rande, zwischen einem Teil der Leine und einem Schaufenster, setzt sich eine Gruppe Jugendlicher fest. Als ich mitten am Nachmittag dazugekommen bin, sind sie schon dagestanden. Mit der wohl alterstypischen Mischung aus Feixen und Zuhören folgen sie den Ansprachen der Veranstalter. Ich gebe zu, wir hatten sie anfangs alle unterschätzt.
Gegen 18 Uhr blasen wir grundsätzlich zum Aufbruch. Doch dann wird es erst interessant. Peter Ganz, der Initiator dieser Galerie, und ein Kameramann von Schwarzwald-TV stehen bei den acht bis neun jungen Männern, schon etwas vom ursprünglichen Geschehen entfernt. Der Nachmittag hat ihnen Entscheidendes freigestossen: ihre ganzen Enttäuschungen der vergangenen drei Jahre.
Ob sie einen Druck zum Impfen erlebt hätten? So spontan wie vielstimmig kommt das Ja. Einige hatten dem Druck nachgegeben, andere bewusst den vermeintlich Kürzeren gezogen – um den Preis von drei bis vier Tests pro Woche, unter anderem. Wie demütigend das war, dieses Grinsen der anderen Schüler, wenn ihnen die Stäbchen Richtung Kleinhirn geschoben wurden.
Von der Grossmutter eines Mitschülers, einer Heilpraktikerin, hätten sie früh schon mitbekommen, dass mit jener Spritze etwas nicht stimmt; der bald folgende Zwang brachte sie vollends auf Abstand. Einzelne mussten ihr persönliches Nein durchkämpfen, andere retteten sich mit einem «Genesenen-Status» über die Zeit. «Viele meinen, wir Jugendlichen seien irgendwie dumm und lassen alles mit uns machen. Aber das ist nicht wahr.»
In der Klasse mit den «Geimpften» zusammensitzen war nicht möglich; separate Tische mussten her. Das Niveau sei insgesamt gefallen; mit einem Fernunterricht war das einfach nicht dasselbe. «Ja, man hat uns unsere Jugend gestohlen. Und es heisst doch, die Jahre zwischen 14 und 17 seien die schönsten im Leben. Die holen wir jetzt irgendwie nach mit vielen kindischen Sachen.»
Peter Ganz war tief berührt von soviel Ehrlichkeit und Freimut. «Man darf doch nicht drauf schauen, ob einer dies ist oder das ist, geimpft oder sonst etwas», erklärte einer von ihnen. «Es zählt doch der Mensch und sein Charakter; da muss man doch draufschauen!» Peter Ganz: «Ich kann mir vorstellen, dass euch jetzt niemand mehr so leicht etwas vormacht.»
Ein anderer Jugendlicher: «Das hat uns alle verändert, diese Zeit; nicht nur schulisch, auch charakterlich. Wir mussten ein Jahr lang Abstand halten zu anderen.» Der Aussage, dass sie durch diese Erfahrungen selbständiger geworden seien, stimmt er jedenfalls zu.
Peter Ganz abschliessend noch einmal: «Mir stehen die Tränen in den Augen. Haltet durch, bleibt stark. Als die Jugend seid ihr die Zukunft.» – «Das mag schon sein, dass wir die Zukunft sind. Aber wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen», erwidert ihm ein 18jähriger vielsagend.
Was für eine Begegnung! Junge kritische Leute, die einander beigestanden sind und sich gegenseitig in schwerer Zeit durchgetragen haben; die sich ihr freies Denken bewahrt und sich spontan mindestens einen halben Nachmittag genommen haben, um fremden Menschen zuzuhören und ein hochbrisantes Thema an sich herantreten zu lassen. Chapeau!
Man tauschte Adressen und Visitenkarten aus und verabschiedete sich soweit voneinander. Unsere eigene Gruppe wandte sich den Leinen und dem Material zu, das es nun aufzuräumen galt. Die Jugendlichen entfernten sich etwas und signalisierten, sie würden die neuen Adressen grad einander weitergeben. Auch ich fasste meine Sachen und wollte zum Auto zurücklaufen.
Da fanden wir ein weiteres Mal zueinander. Es ging jetzt auch um Glaubensfragen. Die Gruppe war sehr gemischt. Je zwei oder drei von ihnen bekannten sich als orthodox beziehungsweise moslemisch, die anderen waren offenbar soweit christlich geprägt. Absolut einig waren wir uns in der Haltung, dass weder ein Glauben noch irgendein Verhalten oder Gehorsamsakt den Wert eines Menschen ausmachen kann und darf. Jeder sei eine eigene Persönlichkeit.
Da bleibt mir nur, im Spätsommer den Weihnachtsgruss zu wiederholen, den ich vor einigen Jahren aufgeschnappt hatte:
«Mach’s wie Gott: Werde Mensch!»
Werdet und bleibt Realisten:
«Seht, was vor Augen liegt!»
2. Korinther 10,7
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Denn «wer die Augen verschließt, der denkt verkehrt».
Sprüche 16,30
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Und «einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen».
Galater 6,2
Danke, Peter; danke, ihr Burschen. Gott segne euch!
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Wort zum Sonntag vom 10. September 2023: Entlastende Mit-Wisserschaft
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.
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