Unsere heutige Welt gibt sich für ungeheuer klug aus
und belächelt die Wilden – und doch:
In manchen Dingen können wir auch nicht bis fünf zählen.
Bertha von Suttner
Liebe Leserinnen und Leser
Das Friedensgebot des bundesdeutschen Grundgesetzes gehört zu dessen unveränderbaren Bestandteilen. Es ist zuallererst in seiner Präambel zu finden. In der heisst es, das «Deutsche Volk» sei «von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen».
In weiteren Passagen des Grundgesetzes, so in den Artikeln 9, 20, 23, 24, 25 und 26, sind genauere Erklärungen dazu zu finden. Das reicht vom Verbot, die «Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten», und das Verbot aller «Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören» (Art. 26), bis zum in Art. 24 Abs. 2 GG verankerten Konzept der «kollektiven Sicherheit».
All das scheint bei der Beförderung des Krieges in der Ukraine, die als «Hilfe» für dieses Land bezeichnet wird, keine Rolle zu spielen. Für das erklärte Ziel, Russland zu ruinieren, werden alle Gebote und Verbote, die nach 1945 für die deutsche Politik massgeblich waren, ignoriert und über den Haufen geworfen.
Rein rechtlich ist die Bundesregierung bei ihrer Kriegspolitik auch nicht an das Friedensgebot gebunden, wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages im Februar 2023 im Fall der Unterstützung der Ukraine erklärte. Es gebe nur eine politische Verpflichtung dazu. Und wer fordert die ein?
Auf keinen Fall Soldaten und Offiziere der Bundeswehr, die eigentlich den Auftrag laut Grundgesetz haben, zur Landes- und Bündnisverteidigung beizutragen – nicht weniger und nicht mehr. Doch sie beschäftigen sich entgegen des Verfassungsgebotes, «zur Wahrung des Friedens» beizutragen, unter anderem damit, welche Waffen sie der Ukraine liefern können und wie diese sie gegen Russland einsetzen kann.
Das hat ein von der russischen Aufklärung abgehörtes und von russischen Medien veröffentlichtes Gespräch hochrangiger Offiziere der Bundeswehr-Luftwaffe gezeigt. Darin sinnieren sie darüber, wozu die deutschen Marschflugkörper «Taurus» von den Ukrainern, die sie bekommen sollen, am besten eingesetzt werden könnten.
Da wird beraten, welches das beste Ziel dafür wäre, die Krim-Brücke nahe Kertsch oder russische Munitionsdepots. Und wie am besten die Verbindung zwischen der Bundeswehr und der Ausbildung der Ukraine sowie die «Taurus»-Zielplanung und -Einsatzleitung vor der Öffentlichkeit verborgen werden kann.
Die Offiziere wissen zumindest um die politische «rote Linie», dass Deutschland nicht ganz offen als Kriegspartei gelten darf. In ihrer abgehörten Beratung ist das eine ihrer Sorgen, neben der, um keinen Preis der Regierung den Plan auszureden, «Taurus» an Kiew zu liefern.
Das Friedensgebot des Grundgesetzes spielt in ihrer Debatte, die nicht die erste zum Thema ist, überhaupt keine Rolle, auch nicht, dass zu ihrem verfassungsmässigen Auftrag die «Wahrung des Friedens» gehört. Mit «Taurus» wird nur der Krieg in der Ukraine weiter eskaliert, wenn die Ukrainer diese Waffen gegen russische Ziele nicht nur auf der Krim einsetzen.
Dann wird auch ein weiteres Mal das eigene Land dem Krieg nähergebracht, wie russische und deutsche Warnungen vor den Folgen der Eskalation zeigen. Das bewegt anscheinend ebenso wenig Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Letzterer weigert sich zwar bisher angesichts der absehbaren Folgen, «Taurus» an Kiew zu liefern. Doch dabei scheint ebenfalls das Grundgesetz keine Rolle zu spielen, wie auch bei der von ihm angekündigten Aufklärung, wie es zu dem Abhören der Offiziersberatung kommen konnte.
Da wird nur die Frage interessieren, wie das ausgerechnet den Russen gelingen konnte. Nebenbei: Wer erinnert sich noch daran, dass vor Jahren rauskam, dass US-Geheimdienste wie die NSA seit Jahrzehnten auch die Bundesregierung abhören – sowas «unter Freunden»?
Die Frage wäre, wie die Bundeswehr-Offiziere dazu kommen, so eklatant gegen ihren verfassungsmässigen Auftrag zu verstossen und das nicht das erste Mal. Die Frage nach dem Warum ist schnell geklärt: Sie haben es in diesem wie in vielen anderen Fällen vorher und nachher im politischen Auftrag getan.
Noch immer hören Generäle auf politische Vorgaben, bevor sie Soldaten etwas befehlen. Das ist bei der Debatte um das geleakte «Taurus»-Gespräch nicht zu vergessen.
Ich wünsche Ihnen trotz allem ein sorgenarmes Wochenende sowie erneuten Lesespass und Wissensgewinn mit den Beiträgen meiner Kollegen und von mir.
Herzliche Grüsse
Tilo Gräser
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