Der Musikkabarettist Franz Esser aus München ist ein kritischer Künstler, dessen Laufbahn im Zuge der Corona-Krise eine interessante Wende nahm. Trat er früher auf Kleinbühnen auf, ist er heute überwiegend auf YouTube aktiv. In kurzen Videos persifliert er textlich wie musikalisch den gesellschaftspolitischen Wahnsinn der Gegenwart. Dafür stöbert er in Archiven und durchwühlt seine Plattensammlung. Hier und da fällt ihm ein alter Song in die Hände, der inhaltlich, allegorisch oder assoziativ zur aktuellen Situation passt. Esser textet diese Klassiker um und schafft einzigartige Werke voller Humor. Nun hat der Münchner ein neues Album veröffentlicht, in dem seine Stücke der letzten Jahre gebündelt sind. Im Interview spricht er über seinen künstlerischen Ansatz, die Verfehlungen der Corona-Politik und über die Woke-Ideologie.
Transition News: Herr Esser, Sie sind von Haus aus Musikkabarettist. Nun haben Sie ein Album mit 20 Liedern veröffentlicht. Wie würden Sie diese Stücke einordnen?
Franz Esser: Es ist ein Querschnitt aus den in den letzten zwei Jahren entstandenen Stücken, mit denen ich meinen YouTube-Kanal seit ungefähr dieser Zeit füttere.
Ein Stilmittel ihrer Stücke ist die Anpassung teils bekannter Songs an aktuelle Ereignisse. Könnten Sie diese Arbeitsweise ein wenig erläutern? Wie gehen Sie vor?
Diese Methode ist ja nun weiß Gott nicht neu. Manchmal höre ich ein Lied und denke mir: Das ist das perfekte Vehikel, um aktuelle Geschehnisse zu transportieren. So hat mich zum Beispiel das Diktum der Pfizer-Sprecherin Janine Small, die bei einer Befragung im EU-Parlament von «The Speed of Science» salbaderte, mit der man das «Produkt» am Markt platzieren musste, ohne es vorher auf etwaige (Neben-)Wirkungen zu testen, zu einer besonderen Version von Paul Simons «Sound Of Silence» inspiriert.
Der Titel ihres Albums klingt wie eine Persiflage der woken Ideologie. Was kritisieren Sie an ihr?
Ich hatte viele Titel im Kopf – unter anderem «Ein Strauß bunter Melodien für Revolutionäre», «Ein Wunderkind auf Abwegen» und ähnliche Glanzleistungen. Das Rennen machte spontan «Das Ungeheuer von Woke Ness». Hauptsächlich, weil es einfach lustig klingt und bei meinen engsten Freunden die größten Lacher hervorrief.
Dass die woke Ideologie – Paul Brandenburg nennt sie «Woko Haram» – ein großes Übel unserer Zeit ist und in ihrem Windschatten viel Schreckliches über die Menschheit kommt, ist, glaube ich, unbestritten. Mir persönlich stößt die unerträgliche Humorlosigkeit der Anhänger dieser Sekte besonders unangenehm auf.
Wenn man in das Album hineinhört, wird schnell klar, dass Ihr Themenspektrum sehr breit ist und über die woke Ideologie hinausgeht. Sie beschäftigen sich mit der Klimahysterie, der Gesundheitskrise, mit wissenschaftlicher Manipulation und dem Regierungsstil der heutigen Entscheidungsträger. Waren Sie schon immer so politisch?
In den 30 Jahren vor Corona war ich als Mitglied eines Musik-Kabarett-Ensembles unterwegs. Da stand hauptsächlich die Musik und die Komik im Vordergrund. Corona brachte das Ende dieser Gruppe, eine Zeit der Ratlosigkeit folgte und führte zu einer Politisierung – angesichts der Ungeheuerlichkeit der Verbrechen der letzten vier Jahre ein fast unausweichlicher Weg, zumindest für mich. Einem Großteil meiner ehemaligen Kollegen scheint diese Zeit weniger Schmerzen bereitet zu haben, man ist wieder zum fröhlichen Tagesgeschäft zurückgekehrt. Einige schießen nach wie vor gegen Impfverweigerer, einige hetzen offen zum Krieg – so war es schon am Vorabend des ersten Weltkrieges.
Sie haben gerade vom «Verbrechen der letzten vier Jahre» gesprochen. Worin bestand für Sie das Verbrechen?
Auch ohne all das Wissen, das heute durch die RKI-Files vorliegt, hätte man ahnen können, dass das Ausgrenzen und Verächtlichmachen einer Gruppe von Menschen, die sich einer Therapie mit einem unerprobten und möglicherweise lebensgefährlichen Arzneistoff nicht unterziehen wollten, an dunkelste Epochen unserer Geschichte gemahnen – um es mal vorsichtig zu formulieren.
Es bedarf keines wirklichen Mutes, sich wohlfeil gegen den sehr schwammig, da inflationär gebrauchten Begriff «rechts» zu positionieren oder gegen den Nationalsozialismus, nachdem er nun fast 90 Jahre zurückliegt. Aber zwei und zwei zu addieren und zu sagen: Das, was hier passiert, läuft nach den gleichen Mustern ab, wie das, was im weiteren Verlauf zu der Katastrophe des vergangenen Jahrhunderts geführt hat – diesen Schritt wollten oder konnten viele nicht gehen. Über die Gründe hierfür werden wohl künftig die Historiker befinden. Oder die Psychologen.
Und da es diesmal im Gegensatz zu damals keine Alliierten gibt, die in der Normandie landen, wird es wohl auch keine Aufarbeitung der Verbrechen durch das Großkapital und die mit ihm verwobene Pharma-Industrie geben, da es keine diesen Strukturen übergeordneten Instanzen gibt. Täter haben in der Regel sehr wenig Interesse daran, dass man sie für ihre Taten zur Rechenschaft zieht. Daher fürchte ich, dass sich das Ganze vermutlich sehr bald in ähnlicher Form wiederholen wird, zumindest sieht es gerade sehr danach aus.
Ihre Stücke enthalten sehr viele popkulturelle Verweise. Wer sie verstehen will, muss ein gewisses Vorwissen haben. Warum machen Sie es den Hörern so schwer?
Ich mache diese Lieder und Nummern hauptsächlich, weil sie MIR gefallen sollen. Wenn wöchentlich ein neues Video erscheint, ist das in erster Linie meine persönliche Therapie, ein Akt der geistigen Hygiene. Dass das nicht den Geschmack der Massen trifft, ist mir bewusst. Ich nehme das aber hin, weil ich mit den Sachen nicht erfolgreich sein muss. Schön war allerdings, dass ich beim letzten «NuoVision Songcontest» mit einer für den Hauptstrom-Geschmack eher sperrigen Nummer einen großen Achtungserfolg eingefahren habe, das tut dann natürlich schon sehr gut.
Lassen Sie uns doch bitte an dem Achtungserfolg teilhaben. Wie sah der aus?
Bei dem Video-Wettbewerb des Medienhauses NuoViso, der sich als Gegenentwurf zum klassischen Eurovision Song Contest sieht, wurden an die 30 Einsendungen in den Vorentscheid gewählt, darunter mein bescheidener Beitrag, ein Lied, das auf einem alten bulgarischen Schlaflied basiert (letzter Song auf dem Album). Mit der Qualität der Konkurrenz bezüglich Video- und Ton-Produktion konnte mein Titel nie und nimmer mithalten. Ich fertige alles selber an, es ist also nicht nur Low Budget, sondern eher «No Budget». Trotzdem sah die Jury darüber hinweg, und einer meinte sogar, es wäre das beste, weil ungewöhnlichste Lied des Abends gewesen.
Sie haben gerade gesagt, dass Ihre Nummern eine Art Selbsttherapie sind. Was muss da therapiert werden? Was macht Ihnen zu schaffen?
Als nahezu alle ehemaligen Kollegen und viele der alten Freunde und Weggefährten sich Anfang 2020, als der Irrsinn Fahrt aufnahm, von mir angewidert abwandten, nur weil ich sie mit Ungereimtheiten und Fragen konfrontierte, auf die sie keine andere Antwort hatten, als sie mich als Spinner, Schwurbler und Schlimmeres bezeichneten, hat mich das doch sehr schockiert. Diesen Umgang mit Andersdenkenden hätte ich niemals im Umfeld der sich als kritisch und demokratisch wähnenden Menschen vermutet. Aber diese Erfahrung haben wohl viele andere auch gemacht.
Auf der Textebene arbeiten Sie mit satirischen Pointen und Wortspielen. Musikalisch changieren Sie zwischen verschiedenen Genres. Manche Stücke haben Country-Anklänge, andere kommen im Schlagerstil daher. Worauf achten Sie beim Sound?
Je breiter die Palette, umso lieber. Der Folk-Einschlag ist meinem Instrumentarium geschuldet, ich habe mich schon immer für traditionelle Musik verschiedener Regionen interessiert, und wenn mal eine Country-Nummer dabei ist – dann hat das eine spezielle Bedeutung. In Tim Burtons wunderbarem Filmklassiker «Mars Attacks» wurden die Aliens mit Country-Musik zur Strecke gebracht. Ich dachte mir: einen Versuch ist es wert.
Neben Stücken in Hochdeutsch finden sich auch welche im Wiener Dialekt. Können Sie das ein wenig erklären? Wann und warum ziehen Sie dieses Register?
Das ist noch ein Überbleibsel aus der Kabarett-Zeit vor Corona. Mit Dialekten lassen sich Figuren meist besser zeichnen und charakterisieren als mit albernen Verkleidungen. Und manchmal passt ein Wiener Unterwelt-Slang besser zu einem Lied als gepflegtes Hochdeutsch. Und wenn der Kaffeerahmdeckelisammler den Kindern ins Gewissen redet, sich nicht auf die Straße zu kleben, sondern lieber dem schrulligen Schweizer Nationalhobby zu frönen, dann ist natürlich klar, in welchem Dialekt sowas präsentiert werden muss.
In dem Stück «Klick mich» fangen Sie die Lebenswelt der jungen Leute von heute ein? Wodurch zeichnet sich für Sie die Generation Z aus?
In einem Satz: Nix erlebt, aber mitreden wollen.
Gleich mehrere Lieder sind dem Gesundheitsminister Karl Lauterbach gewidmet. Was fasziniert Sie an ihm?
Es ist eigentlich nur ein einziges Lied, nämlich das von der von Lauterbach ausgerufenen Hitze-Pandemie. Das hat er sich redlich verdient, aber in der Regel halte ich mich an den wunderbaren Satz des von mir hochverehrten Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch, der diesen wohlgemerkt auf Politiker seiner Zeit, also die Herren Kohl, Genscher, Schmidt und Brandt, gemünzt hatte, nämlich: «Für diese auswechselbaren Geschichtsbuchhalter ist mir mein Kabarett zu schade.» Und so will ich’s auch weiter halten.
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