Mit einem Federstrich und ohne vorherige öffentliche Debatte hat der Bundesrat die Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angenommen. Ein erklärender Vorbehalt ersetzt die notwendige Zustimmung des Volkes – und damit den demokratischen Grundsatz, dass die Macht vom Volk ausgeht.
Über 1800 kritische Stellungnahmen im Vernehmlassungsverfahren und eine Petition mit mehr als 48.000 Unterschriften wurden ignoriert. Der Bericht zur Vernehmlassung wurde der Öffentlichkeit erst am allerletzten Tag der Sommersession zugänglich gemacht. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung lässt Kritik an der Transparenz und demokratischen Fairness des Vorgehens laut werden, wie die Organisation ABF Schweiz in einer Medienmitteilung letzte Woche schrieb.
Besonders heikel: Eine von beiden Kammern angenommene Motion (Glarner 22.3546), die den Bundesrat verpflichtet, WHO-Abkommen dem Parlament vorzulegen – selbst wenn sie juristisch als «Soft Law» gelten – blieb unbeachtet. Juristische Stimmen, die etwa auf mögliche Verfassungswidrigkeit und Gefahren für Grundrechte hinwiesen, wurden vom Bundesrat pauschal abgetan.
«Das Timing wirkt fast wie kalkulierte Vermeidung demokratischer Debatte», kritisiert Andrea Staubli vom Aktionsbündnis freie Schweiz (ABF).
Die Organisation wirft dem Bundesrat vor, demokratische Kontrolle auszuhebeln und sich politischer Verantwortung zu entziehen. Brisant ist auch die Art der Zustimmung: Die Änderungen gelten als angenommen, wenn sich ein Staat nicht aktiv widersetzt – ein Verfahren, das von Kritikerinnen und Kritikern als «Nudging» bezeichnet wird. Statt aktiver Zustimmung gilt Schweigen als Einverständnis. Der Bundesrat folgt damit einem Prinzip, das die öffentliche Debatte faktisch aushebelt.
Der Bundesrat spricht von harmlosen, «technischen Anpassungen». Doch Begriffe wie «Pandemie-Notfall», «Fehlinformation» oder «nützliche Gesundheitsprodukte» lassen vermuten, dass es um weitreichende Kompetenzen geht – inklusive Eingriffe in nationale Zuständigkeiten und in die öffentliche Kommunikation.
Zeitgleich wird das Epidemiengesetz revidiert, in das die WHO-Vorgaben integriert werden sollen. Kritiker befürchten eine gesundheitspolitische Neuausrichtung unter internationaler Aufsicht – ohne ausreichende demokratische Legitimation.
Landsgemeinde am Grauholz – das Volk versammelt sich
In Reaktion auf das Vorgehen ruft das ABF Schweiz zur Landsgemeinde: Am Samstag, 5. Juli 2025, um 14 Uhr versammeln sich Bürgerinnen und Bürger am Grauholzdenkmal bei Bern, um ein Zeichen für Demokratie, Mitbestimmung und nationale Souveränität zu setzen.
Bis zum 19. Juli kann der Bundesrat das Opting-out erklären und eine öffentliche Diskussion ermöglichen. Die Petition lief bis zum 29. Juni, ebenso wie die Sponsoring-Kampagne für Informationsflyer. Das Ziel: Aufklärung und Mobilisierung vor Ablauf der Frist.
Was als technische Anpassung verkauft wird, könnte zum Einstieg in ein global verwaltetes Gesundheitsregime führen. Das eigentliche Problem aber liegt tiefer: in der schleichenden Erosion demokratischer Prozesse. Die Frage ist nicht nur, was entschieden wird – sondern wie. Und wer.
Am Grauholz setzte es im März 1798 für die Schweizer Truppen eine Niederlage gegen die weit überlegenen französischen Truppen ab, die sich im Zangenangriff auf Bern bewegten – deshalb steht auf dem ehemaligen Schlachtfeld heute ein Denkmal. Wenn das nur kein schlechtes Omen ist.
Immerhin: Bei der fast gleichzeitig stattfindenden Schlacht bei Neuenegg obsiegten die Schweizer Truppen und schlugen die Franzosen zurück – was wenig nützte, weil diese Bern von Norden her besetzten.
Veranstaltungstipp:
Landsgemeinde des Souveräns
Grauholzdenkmal bei Bern, Sandstrasse 69, Moosseedorf
Samstag, 5. Juli 2025, 14 Uhr
Ein Zeichen setzen für Demokratie, Mitbestimmung und Transparenz.