Die Omission ist die mächtigste Form der Lüge,
und es ist die Pflicht des Historikers, dafür zu sorgen,
dass sich diese Lügen nicht in die Geschichtsbücher einschleichen.
George Orwell
Liebe Leserinnen und Leser
Propaganda, die sich gegen Russland und China richtet, ist derzeit in den Mainstream-Medien inflationär. Man wähnt sich in den übelsten Zeiten des Kalten Krieges. Dabei sind solche Berichte nichts anderes als Realsatire, allerdings eine äusserst gefährliche.
Während Live-Sendungen geschieht manchmal jedoch Unerwartetes. So auch im gestrigen, von Phoenix ausgestrahlten «Der Internationale Frühschoppen» des WDR. Doch dazu gleich mehr.
Die benutzten Techniken sind immer dieselben, allen voran: Omission, Dekontextualisierung und Fragmentierung. Allein mit diesen drei Methoden, unter Umständen sogar mit einer einzigen, lassen sich Fakten völlig verdrehen und Täter und Opfer vertauschen.
Das jüngste Beispiel ist die neue ZDF-Dokumentation «Putin und Xi – Pakt gegen den Westen», bei der schon der Titel klarmacht, wer der Gute und wer die Bösen sind. Ein Blick auf die «Experten», die darin zu Wort kommen, bestätigt die Marschrichtung.
Da sind beispielsweise Leon Panetta, ehemaliger CIA-Direktor, Nigel Inkster, ehemaliger Director of Operations and Intelligence beim britischen Auslandsgeheimdienst MI6, Florence Gaub vom NATO Defence College in Rom sowie Janka Oertel, Direktorin des Asien-Programms beim European Council on Foreign Relations (ECFR) und zuvor Senior Fellow beim German Marshall Fund.
Gegen Putin und Xi wettern durfte auch Professor Mark Galeotti, der abwechslungsweise als «Experte für russische Sicherheitspolitik» und als «Historiker und Geheimdienstexperte» vorgestellt wird. Verschwiegen wird, dass Galeotti unter anderem Senior Associate Fellow am Royal United Services Institute (RUSI) und Associate Fellow für euro-atlantische Geopolitik am Council on Geostrategy ist.
Source Watch zufolge wurde «die wichtige Rolle, die RUSI innerhalb des militärisch-industriellen Komplexes im Vereinigten Königreich spielt», beim Besuch von George W. Bush in London im November 2003 deutlich. So wurde die einzige Rede, die er während des gesamten Besuchs hielt, von RUSI mit ausgerichtet.
Kritiker wiesen auf die antidemokratische Symbolik dieser Rede hin, da es Bush abgelehnt hatte, vor dem Parlament zu sprechen. Laut der World Socialist Web Site befürchtete Bush, dass kriegsgegnerische Abgeordnete die Rede stören oder ihn unterbrechen könnten. Stattdessen habe er vor einem sorgfältig geprüften Publikum gesprochen.
Was den im März 2021 gegründeten Council on Geostrategy betrifft, so lautet seine Mission, «eine neue Generation geostrategischen Denkens für ein wettbewerbsfähigeres Zeitalter» hervorzubringen.
Da es, wie so oft in solchen Dokumentationen, viel um Psychologie anstatt um Realpolitik geht, darf auch der obligate Experte dieses Fachs nicht fehlen. In diesem Fall ist das der Psychiater und Psychotherapeut Prof. Claas Hinrich Lammers.
Exemplarisch für die Technik der Auslassung ist die Darstellung von Putins angeblichem Wandel von einem versöhnlichen zu einem aggressiven Politiker. So wird er laut dem ZDF nach der Repression gegen Kritiker in der Folge der Präsidentschaftswahlen im Jahre 2012 plötzlich auch aussenpolitisch «aggressiver» und «annektiert» 2014 die Krim.
Völlig ausgelassen wird der vorangegangene, vom Westen gesteuerte Coup in Kiew sowie die Repression und die Gewalt der ukrainischen Regierung und Neonazis gegen die eigene russischsprachige Bevölkerung. Auch nicht erwähnt wird, dass der Beitritt zur Russischen Föderation von der Bevölkerung der Krim mit klarer Mehrheit in einem Referendum beschlossen wurde.
Der Westen und insbesondere die USA kommen in der Dokumentation sowieso ausschliesslich als unschuldige Feinde Russlands und Chinas vor. Alexander Grau schrieb in der Weltwoche treffend, die Doku sei «genau in dem Geist gedreht, der den Westen in seine unglückliche Position gebracht hat». Die «schmissig gemachte Polit-Propaganda auf der Höhe der Zeit» sei zwar kurzweilig, doch auch ärgerlich. Die beiden Männer auf diese Weise zu Feinden zu erklären, sei eines Politformates unwürdig.
Doch nun zum Unerwarteten in der WDR-Diskussionrunde «Der Internationale Frühschoppen» zum selben Thema, die gestern von Phoenix gleich nach der erwähnten Dokumentation ausgestrahlt wurde.
Als Astrid Prange de Oliveira, Redakteurin der Deutschen Welle in Brasilien, den vom ehemaligen ARD-Studioleiter Moskau Udo Lielischkies angesprochenen russischen und chinesischen Antiamerikanismus erläuterte, wurde es der Moderatorin Eva Lindenau unangenehm. Sie unterbrach Prange de Oliveira kurzerhand.
In den BRICS-Staaten, die 40 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen würden, verfange dieser antiamerikanische Diskurs, erklärte Prange de Oliveira. Sie würden sich von der Bevormundung und vom Diktat der USA lösen wollen.
Die Journalistin erläutert dann, dass das Feindbild der USA dort nicht ohne Grund so präsent sei. Schon als sie das US-Embargo in Cuba erwähnt, «was kein Mensch mehr versteht», will sie Lindenau unterbrechen. Prange de Oliveira fährt jedoch fort, indem sie andere Gründe erwähnt, in der «ganzen Geschichte»: «Unterstützung von Militärdiktaturen, Menschenrechtsverletzungen, Programme vom Internationalen Währungsfonds ...». Das ist nun definitiv zu viel für Lindenau, die einschreitet und mahnt:
«Moment, bleiben wir doch am besten bei Putin und Xi, weil wir sonst, glaube ich, den Zuschauern so … .»
Sie führt den Satz nicht aus, doch vermutlich wollte sie sagen – wie so oft in solchen Fällen, wo ein Gast unerwartet unangenehme Wahrheiten ausspricht –, dass man die Zuschauer nicht mit zu viel Komplexität belasten darf.
Was sie hingegen sicherlich dachte: Solche Wahrheiten könnten die Zuschauer am einseitigen Narrativ der bösen Russen und Chinesen zweifeln lassen. Mann will doch nicht riskieren, dass eine Schwarz-Weiss-Darstellung Graustufen erhält oder sich gar umkehrt.
Die Szene zeigt wieder einmal, dass die Propaganda der Mainstream-Medien oft nicht auf Ignoranz und «Blasendenken» zurückgeführt werden kann, wobei auch diese vorkommen: Es handelt sich um bewusste Manipulation.
Lindenau will dann jedenfalls wissen, was die beiden Länder abgesehen vom Antiamerikanismus verbindet und lässt das Felix Lee von China.Table ausführlich und ohne ihn zu unterbrechen erklären.
Herzlich
Konstantin Demeter
[email protected]
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Redaktion und Moderation: Christoph Pfluger
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