Der 9. Februar ist der Internationale Tag der griechischen Sprache, weil er dem Todestag des griechischen Dichters Dyonisos Solomos (1798-1857) entspricht. Solomos untersuchte die gesprochene Sprache des Volkes, das Demotische, und schrieb in dieser Sprache zum Beispiel die Hymne an die Freiheit, die zur griechischen Nationalhymne wurde. Durch seine Dichtung unterstützte er den griechischen Unabhängigkeitskampf.
Obwohl er in Italien studiert hatte und von aristokratischer Herkunft war – er schrieb zuerst Italienisch – widmete er sein Leben der Poesie und der demotischen, griechischen Sprache.
Es gibt Wörter aus dem Griechischen, die ähnlich sind und auch Buchstaben, die in unserem Alphabet ähnlich sind.
- Εθνολογία (Ethnologia) wird Ethnologie
- Ψυχολογία (Psychologia) wird Psychologie
- Αστρονομία (Astronomia) wird Astronomie, das heißt wörtlich Sternkunde
- Φιλοσοφία (Philosophia) wird Philosophie
- Φιλολογία (Philologia) wird Philologie oder Sprachkunde
- Μουσική (Mousiki) wird Musik
- Φυσική (Physiki) wird Physik
- Χημεία (Chimeia) wird Chemie
- Βιολογία (Biologia) wird Biologie
- Γεωλογία (Geologia) wird Geologie
- Μαθηματικά (Mathimatika) wird Mathematik
Die Schwierigkeit war hier das griechische Alphabet und nicht die Wörter, denn wir haben hier wichtige Wörter gefunden und erkannt, die wir täglich brauchen, und die aus dem Griechischen stammen. Ein großer Teil der wissenschaftlichen Termini stammt aus dem Griechischen, so auch das Wort Theologie von ο θέος (o Theos), Gott.
Die griechische Sprache ist biegsam und es werden auch heute noch neue Wörter aus dem Griechischen zusammengesetzt, die wir täglich brauchen, wie zum Beispiel Telefon: (τηλε (tele) = fern; φωνή (phoni) = Sprache). Und im heutigen Griechisch werden deshalb auch neue Wörter geschaffen für Dinge, bei denen im Deutschen das englische Wort gebraucht wird: διαδίκτυο (diadiktyo) = Internet (von δια (dia) = für, δίκτυο (diktyo) = Netz).
Die griechische Sprache ist also auch heute noch enorm wichtig für uns, auch wenn nur noch wenig Menschen Griechisch können. Antike griechische Theaterstücke werden zum Beispiel heute noch oft gespielt, wenn auch mit anfechtbaren Inszenierungen und oft verunglückten Aktualisierungen. Vor einigen Jahren wurde zum Beispiel in Bern ein Theaterstück von Aischylos gespielt und kurz später in Biel und Solothurn die Antigone von Sophokles – noch heute Pflichtlektüre in vielen Schulen – wenn auch in Übersetzung.
Griechisch ist, was man in einem katholisch geprägten Umfeld oft vergisst, die Sprache der Bibel. Das Neue Testament wurde in Griechisch geschrieben. Warum das so ist, werden wir etwas später noch sehen. Die Offenbarung des Johannes wurde auf der griechischen Insel Patmos geschrieben, in griechischer Sprache. Wir lesen zwar die Bibel in einer deutschen Übersetzung, aber wenn wir Zweifelsfälle haben, ist es gut, im griechischen Original nachzusehen.
Ein Beispiel: Luther übersetzte in seiner an sich ausgezeichneten Übersetzung von 1521: «Im Anfang war das Wort». Was will die Bibel damit sagen? Schon Goethes Faust hat sich darüber den Kopf zerbrochen. Eine neue Übersetzung sagt: «Am Anfang, bevor die Welt geschaffen wurde, war Er, der das Wort ist.» Im Griechischen steht: «εν αρχή ην ο λόγος» (en archi in o logos).
Den Anfang kann man wörtlich übersetzen: «Am Anfang war» – und dann kommt dieses schwierige Wort λόγος (logos). Das bedeutet zwar «Wort», aber die Bedeutung geht viel weiter.
Das Wort wird auch im Sinn von «Bedeutung» und «Sinn» verwendet. So wird das Bibelwort verständlich und wir können den Satz so verstehen, dass die ganze Schöpfung und das ganze Universum kein Zufall ist, sondern bewusst durch Gott geschaffen wurde. So versteht man auch den Anfang des Johannesevangeliums im Zusammenhang.
Neben den wissenschaftlichen Wörtern brauchen wir auch im täglichen Leben ständig griechische Wörter, ohne es zu wissen. Wir gehen heute in die Bibliothek, das Wort kommt vom Griechischen «βιβλιοθήκη» (bibliothiki). «Βιβλίο» (biblio) heißt «Buch», «thek» kommt von «θήκη» (thiki), das ist die «Hülle».
Wir sagen auch, etwas sei «mega cool», «mega» ist natürlich griechisch und heißt «groß», oder «großartig». Wir werden noch über Μέγας Αλεξανδρός (Megas Alexandros) hören, also Alexander der Große. Auch das Wort Engel kommt vom Griechischen «αγγέλος» (angelos).
Wir haben jetzt gesehen, welche enorme Bedeutung die griechische Sprache heute noch hat, ohne, dass wir das immer wissen. Wie ist es dazu gekommen? Die griechischen Wörter sind lange gereist, bis sie zu den Neugriechen gekommen sind. Hunderte, sogar tausende davon sind nicht nur lange, sondern auch sehr weit gereist, bis sie zu uns kamen und wir sie heute brauchen. Jedes Wort hat eine Geschichte, zum Beispiel das Wort Philosophie.
Es führt uns zurück nach Alt-Griechenland ins 6. Jahrhundert vor Christus. Damals gab es die sieben Weisen, die von allen verehrt wurden. Zu dieser Zeit lehrte der Mathematiker Pythagoras, der sich trotz seines Wissens nicht als Weiser bezeichnen wollte, sondern sich «Philosoph» – also «Freund der Weisheit» – genannt hat. Dank der philosophischen Schule, die er gegründet hatte (deren Schüler Vegetarier sein mussten), ist der akademische Begriff und der Bereich «Philosophie» geblieben.
Schauen wir das Wort Politik an, das aus dem Wort Polis (Stadt) stammt. Es zeigt, dass die Bürger an den Geschäften ihrer Stadt beteiligt waren. Schauen wir noch ein drittes Wort an, nämlich Alphabet: Das Wort Alphabet besteht aus Alpha und Beta – die zwei ersten Buchstaben des griechischen Alphabetes.
Das uns bekannte griechische Alphabet ist keineswegs das erste seiner Art. Letzter Beweis dafür ist das Grab eines Priester-Kriegers, das vor einigen Jahren auf dem Peloponnes entdeckt wurde, obwohl die Schrift schon seit 1878 bekannt ist. Die Grabinschrift war mit Linearschrift B (Γραμμική Β) geschrieben. Und auch dieser Vorläufer des heutigen griechischen Alphabets wurde von den Phöniziern übernommen und weiterentwickelt.
Das griechische Alphabet wurde als Basis des lateinischen und des kyrillischen Alphabetes gebraucht, darum gibt es heute noch ähnliche oder sogar gleiche Buchstaben im lateinischen Alphabet, wie die obenstehenden Beispiele zeigen. Das Alphabet hat aber lange Zeit gebraucht, um sich zu entwickeln. Das antike Griechenland war nicht ein Staat, wie wir ihn heute kennen. Sondern Griechenland bestand aus vielen kleinen, praktisch selbstständigen Stadtstaaten.
Jeder dieser Stadtstaaten hatte die gleiche griechische Sprache, die gleiche Religion (die 12 Götter – es gibt immer noch ein paar tausend Menschen, die daran glauben). Auch die wichtigsten Bräuche waren gleich. Im Alphabet gab es aber kleine Unterschiede.
So ist zum Beispiel das euböische Alphabet von Kymi auf der Insel Euböa in die entsprechende griechische Kolonie in Süditalien gekommen. Dort entstand das etruskische Alphabet und daraus das lateinische.
Vor einigen Jahren berichtete mir ein Freund von einer Reise nach Süditalien. In einem Dorf habe er spielende Kinder beobachtet, die eine ihm völlig unbekannter Sprache gesprochen hätten. Was das sei? fragte mein Freund. «Altgriechisch», sagten die Knirpse stolz.
In Süditalien gibt es tatsächlich bis zum heutigen Tag eine griechische Präsenz. Wir verstehen wenig von diesem Idiom, denn es enthält altgriechische Elemente und kombiniert diese mit dem Italienischen. Es gibt in Apulien neun griechischsprachige Dörfer mit 40.000 Einwohnern und in Kalabrien nochmals neun Dörfer, allerdings mit weniger Einwohnern, die diesen grekanischen Dialekt sprechen – das hochgradig gefährdete Griko.
Aber zurück zum Alphabet. Damals gab es nur Großbuchstaben, keine Interpunktionen und keine Leerschläge. Die große Erfindung der antiken Griechen sind die Vokale. Sie haben diese zum phönizischen Alphabet hinzugefügt. Dank der Vokale konnten sie nun ihre Ideen verewigen, ihre Philosophie aufschreiben, ihre Theaterstücke und Epen festhalten.
Und alles das ist dank des griechischen Alphabets überliefert bis heute und hat bis heute seine Bedeutung. Als meine Tochter in Griechenland zur Schule ging, gingen wir mit ihrer Klasse ins Theater und schauten altgriechische Stücke. Und die Griechen lesen in der Schule diese Stücke auch heute noch, zum Beispiel «ορνιθές» (Ornithes), Die Vögel – von Aristophanes. Jetzt wissen wir auch gleich, dass ein Ornithologe ein Vogelwissenschaftler ist.
Die Vokale waren der entscheidende Schritt: Ohne Vokale könnte man die Wörter verwechseln. Nehmen wir das Wort «Όχι» (ochi), ( Nein) ohne Vokale wäre es einfach der Buchstabe x und den gibt es natürlich auch in vielen anderen Wörtern wie: «έχει» (echi), «έχω» (echo) und vielen anderen. Das griechische Alphabet hat sich bis heute weiterentwickelt, zum Beispiel gibt es Abstände, Zeichen und Groß- und Kleinschreibung. Mittels ihres Alphabetes konnten die Griechen ihre Ideen, Dramen, Geschichten und ihr ganzes wissenschaftliches Wissen verbreiten. Aber wie konnte man früher ohne Medien – z.B. Internet – Wissen verbreiten?
Die Beziehung der Griechen zum Meer ist eine der wenigen Dinge, die unverändert geblieben sind. Die Schiffe waren schon in der Antike – und sind es noch heute – enorm wichtig für die griechische Zivilisation. Die Griechen waren und sind immer noch hervorragende Seeleute. So konnten sie ihre Waren in andere Länder transportieren und verkaufen und bei dieser Gelegenheit auch Wissen vermitteln.
Ohne Schiffe wäre die Geschichte anders verlaufen. Vor genau 2500 Jahren haben die Griechen die weit überlegenen Perser bei der Seeschlacht von Salamis besiegt. Ohne die Freiheit, die die Griechen dank dieses Sieges genossen, wäre ihre Zivilisation – darunter die Theaterwerke – nicht möglich gewesen. Als 2004 die olympischen Spiele – eine altgriechische Erfindung – wieder in Athen stattfanden, wurde eines der griechischen Schiffe der Schlacht von Salamis rekonstruiert. Das fasziniert die Menschen also auch heute. Auch Superathleten konnten dieses Schiff nicht mehr mit einer Geschwindigkeit von 8 Knoten – etwa 15 km/h fahren, wie es bei der Schlacht von Salamis geschah.
Auch heute verfügt Griechenland über eine der größten Handelsflotten weltweit. Zwischen den griechischen Inseln und dem Festland verkehren immer noch unzählige Schiffe. Der Sieg bei Salamis bereitete Alexander dem Großen die Bahn, obwohl dieser erst Jahrhunderte später wirkte. Was bedeutete das für die griechische Sprache? Alexander schlief mit der Ilias, dem berühmten Epos von Homer, unter dem Kopfkissen. Durch seine Eroberungen schuf er ein Weltreich. Das machte die griechische Sprache auf der ganzen Welt bekannt. Griechisch wurde zur Weltsprache. Das vereinfachte und veränderte sie. Deshalb wurde das Alte Testament sofort ins Griechische übersetzt und das Neue Testament Griechisch geschrieben.
Als Griechenland viele hundert Jahre später von den Römern erobert wurde, behielt Griechisch seine Bedeutung als Weltsprache. Und Griechisch war auch die Sprache des oströmischen Reiches namens Byzanz – und dieses Reich bestand 1000 Jahre länger als Rom. Als dann die Türken Konstantinopel eroberten, flüchteten Gelehrte in den Westen und brachten griechische Sprache und Kultur mit. Auch wer dort blieb, gab die Sprache weiter.
Ich wollte mit dieser kleinen Darstellung zeigen, dass die griechische Sprache noch heute sehr aktuell ist und dass wir sie jeden Tag brauchen – bewusst oder unbewusst. Es ist die Sprache der Bibel, die Sprache der Wissenschaft und aus dem heutigen Alltag nicht mehr wegzudenken.
Quellennachweis
Ich verdanke die Inspiration zu diesem Text meiner Frau, Roula Arampetsika, die sich dieses Thema in Vorträgen und Radiosendungen erschlossen hat.
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