In Genf standen während des Corona-Lockdown Tausende Armutsbetroffene jeden Samstag bis zu drei Stunden vor dem Eishockeystadion Les Vernets, um ein Paket kostenloser Lebensmittel zu bekommen.
Trotz Lockerungen hat sich ihre Situation seit Frühling sogar verschlimmert. Dies zeigt eine Studie (siehe Pdf ganz unten) um den Genfer Soziologieprofessor Jean-Michel Bonvin, über die der Tagesanzeiger berichtet.
Die Forschergruppe fokussierte auf die über 7500 Personen, die aktuell von der Nahrungsmittelabgabe der Hilfsorganisation «Colis du coeur» (Herzenspäckchen) abhängen. 230 Personen waren bereit, über ihre Situation Auskunft zu geben. Zwei Drittel davon waren Frauen, die meisten zwischen 25 und 50 Jahre alt. 55 Prozent haben eine Aufenthaltsbewilligung, 45 Prozent haben eine Aufenthaltsbewilligung beantragt oder gelten als Sans-Papiers (Papierlose).
In der Studie heisst es:
Generell würden Lebensmittel von minderer Qualität und auch weniger Lebensmittel konsumiert oder zur Not Mahlzeiten weggelassen, was sich während des Lockdown noch verstärkte, weil die geschlossene Landesgrenze Einkäufe im preisgünstigen französischen Grenzgebiet verhinderte.
Hatten vor Ausbruch der Corona-Krise 59 Prozent der Betroffenen eine Arbeit, sind es heute nur noch 35 Prozent.
Die Hälfte der Studienteilnehmer verkaufte persönliche Gegenstände, um sich Bargeld zu verschaffen. Ebenso viele verschuldeten sich, wobei von diesen etwas mehr als ein Fünftel einen Schuldzins von 6 Prozent bezahlt.
Bei den Sans-Papiers sank der Anteil von Personen mit festen Arbeitsstellen seit Ausbruch der Coronakrise von 76,1 auf 41,5 Prozent.
Der Anteil Stellenloser stieg von 23,9 auf 58,5 Prozent.
Eine Krankenversicherung besitzt nur rund die Hälfte aller 230 Studienteilnehmer. Bei den Arbeitslosen sind 80 Prozent ohne Versicherung.
70 Prozent der 230 Personen beziehen keine Sozial- oder Nothilfe und beanspruchen über die Lebensmittelpakete privater Hilfsorganisationen hinaus keine Unterstützung.
Die Genfer Soziologen heben in ihrer Studie hervor:
«Von der Corona-Krise sind alle Bevölkerungsgruppen betroffen, unabhängig von deren Aufenthaltstitel oder deren Nationalität.»