Die Politik stemmt sich gegen die Empfehlungen des Deutschen Ethikrates. Im Gegensatz zu den Fachleuten pocht sie darauf, im Rahmen neuer Therapien Eingriffe ins menschliche Erbgut zuzulassen. Das berichtet das Deutsche Ärzteblatt in seiner Online-Ausgabe.
So schreibt das medizinische Fachorgan:
«Die rheinland-pfälzische Bioethikkommission hält das vom Deutschen Ethikrat empfohlene internationale Moratorium zu klinischen Anwendungen von Keimbahneingriffen ‹weder für zielführend noch für durchsetzbar›».
Das habe der Justizminister von Rheinland-Pfalz, Herbert Mertin (FDP), bei der Vorstellung des 62-seitigen Abschlussberichtes der Kommission zur Genschere CRISPR/Cas9 mitgeteilt.
Anders als der Deutsche Ethikrat, der ausschliesslich aus Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen besteht und die Unabhängigkeit von Politik und Wirtschaft zur Grundlage hat, agiert die Bioethikkommission Rheinland-Pfalz: Sie wurde im Jahr 2017 speziell zur Beurteilung des Umgangs mit der Genschere CRISPR/Cas9 einberufen. Ihr gehören Vertreter aus Politik, Wirtschaft, den Gewerkschaften und der Wissenschaft an.
Zum Einsatz der sogenannten Genschere erklärt das Ärzteblatt, «mit diesem Instrument kann das Erbgut fast jedes Lebewesens, einschliesslich des Menschen, verändert werden». Ausserdem macht das Blatt noch einmal deutlich:
«Der Deutsche Ethikrat hatte im vergangenen Jahr eine Stellungnahme zu Keimbahneingriffen veröffentlicht – also Eingriffen in das Erbgut von Nachkommen, die ihrerseits an die Nachkommen weitergegeben werden. Darin hiess es, solche Verfahren seien derzeit aufgrund der Risiken unzulässig, ethisch aber nicht grundsätzlich auszuschliessen.»
Meinung der Redaktion: Allein die Tatsache, dass sich ein Justizminister als Fachfremder öffentlich gegen die Bedenken des Deutschen Ethikrates positioniert, verdeutlicht die enorme Machtverschiebung weg von ethischen zu rein materiellen Werten. Doch die Ausblendung der Risiken kann sich als fataler Fehler erweisen. Das Beispiel Contergan dürfte auch Justizminister Mertin noch bekannt sein.