Dieses Interview wurde mit freundlicher Genehmigung von l’AntiDiplomatico übernommen.
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l’AntiDiplomatico : Trotz der Appelle von Papst Franziskus zuvor und Papst Leo XIV. später war die erste Hälfte des Jahres 2025 global gesehen nicht von Entspannung und Dialog geprägt. Was sagen Sie dazu?
Monsignore Giovanni Ricchiuti: Ich frage mich auch, habe mich mehrfach gefragt, warum es nicht wenigstens ein bisschen Zuhören gab, nicht nur in der ersten Hälfte des Jahres 2025. Ich habe die Appelle und Reflexionen von Papst Franziskus sehr intensiv verfolgt und teile sie völlig. Auch ich habe mich gefragt, warum Papst Franziskus kein Gehör gefunden hat. Gleiches gilt seit dem 8. Mai für Papst Leo: Mir scheint, dass auch er mit seinen Appellen, in denen er Worte wie «Massaker», «Vernichtung», «Heuchelei» verwendet, nicht weniger klar war. Es gibt offenbar eine Unfähigkeit der Politik, sich zu befreien, frei zu sein, um Entscheidungen zu treffen, um die Hoffnung der Gemeinschaften zu organisieren, denn es gibt offensichtlich eine starke Macht, die sie beeinflusst.
Die Politik hört nicht nur Papst Franziskus gestern und heute Papst Leo nicht, sondern auch nicht die jungen Menschen, die Alten, Frauen, Männer, Arbeiter, Künstler und Intellektuellen, die in Italien und auf der ganzen Welt auf die Straße gegangen sind, um Frieden zu fordern, um der Politik einen Weg des Verhandelns und des Dialogs zu zeigen, und vor allem die Institutionen einzubeziehen, die dabei hätten helfen sollen. Aber ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass die Politik tatsächlich von einer Macht beeinflusst wird – der Macht der Waffenindustrie, die sie stark kontrolliert.
Denken wir an die Frage der Aufrüstung Europas, die auf Annahmen beruht, die zumindest überprüft werden sollten, etwa die Hypothesen von Invasionen oder die Vorstellung, Europa sei von jemandem bedroht. Daraus folgt unmittelbar der Vorschlag der Aufrüstung. So wissen wir in diesen Tagen, dass die Ausgaben für Waffen auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen sollen. Ihre Frage lautet: Warum bleiben diese Appelle ungehört? Nun, sie bleiben ungehört, weil die Appelle von Papst Franziskus gestern und von Papst Leo heute die Heuchelei aufdecken.
Die Politik sagt klar, sie könne nichts tun, verdeckt das aber mit heuchlerischen Friedensbekundungen. Papst Franziskus war in Bari sehr klar, wenn ich mich recht erinnere, im Februar 2020, noch vor dem Lockdown wegen Covid. Ich erinnere mich sehr genau, dass er die Politiker geradezu anklagte, sie seien Heuchler: Sie reden von Frieden, aber füllen die Arsenale. Warum gibt es dieses kriminelle Projekt? Warum werden keine Mittel zum Leben und zur Entwicklung aufgebaut, sondern Mittel zum Töten? Und deshalb ist es ihnen, stark beeinflusst, unmöglich, wenigstens zuzuhören und in so einer Situation zu reflektieren. Es scheint wirklich einen tödlichen Willen zu geben, denn so weiterzumachen bedeutet, ein Entwicklungsprojekt zu verfolgen, das durch Waffen und nicht durch Dialog und Anstrengungen gekennzeichnet ist, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Das ist mein Eindruck.
Donald Trump behauptet, er sei ein Friedenspräsident. Wie sehen Sie das?
Er gibt vor, religiös zu sein, aber das ist eine große Gotteslästerung. Ich sage es ganz klar: Es ist eine gigantische Blasphemie. Seit einiger Zeit habe ich den Eindruck, dass jemand Gott rekrutiert hat. Wo sind wir? Welche Rückschritte machen wir in der Geschichte, wenn Gott für verschiedene Armeen rekrutiert wird? Wir hören täglich, was aus den USA kommt, was von diesem Mann in Worten und Bildern zu uns gelangt: Er ist ein Mensch, ein Politiker, aber inzwischen nimmt er die Gestalt eines Diktators, eines Weltkaisers an. Da er sich für einen Kaiser hält, ist klar, dass er Gott nicht braucht, keine Transzendenz, die nicht zu seiner Sicht passt. Meiner Meinung nach ist das, was in Amerika durch Trumps Worte und sein Verhalten geschieht, skandalös. Noch skandalöser ist, dass er sich als Christ bezeichnet. Als die Bischöfin [Mariann Budde, baptistische Bischöfin] ihn fragte: «Was stellst du da an?», und ihm das Wort «Mercy», Barmherzigkeit, anbot, sprach er von der Deportation von Immigranten, aber er hört auf niemanden.
Hier liegt die Gotteslästerung: Im Namen Gottes wird gemordet, vernichtet, und es werden Genozide verübt, zusammen mit Netanyahu. Also soll Trump Gott in Ruhe lassen und sich besser um die Menschheit kümmern. Ich war auch bei der Trauermesse von Papst Franziskus dabei und weiß nicht, mit welchem Mut und welcher Würde er und andere Staatschefs dort auftauchten. Es war ein Schlag ins Gesicht für uns, die wir ganz anders über Politik denken. Wie Papst Leo klar gesagt hat: «Entwaffnet die Worte, entwaffnet die Köpfe, entwaffnet die Erde.» Ich glaube, Trump und seine Komplizen sind bewusst entfremdet, aus Angst, natürlich, die Interessen der kriminellen Waffenindustrie zu gefährden.
Im Nahen Osten, insbesondere im Heiligen Land, scheinen die israelischen Streitkräfte wenig zum Dialog bereit. Was denken Sie darüber?
2015 hatte ich im März die Gelegenheit, nach Gaza zu fahren, die ich nicht verstreichen ließ. Bereits im August des Vorjahres hatte es dort schlimme Ereignisse gegeben. Ich sah mit eigenen Augen, was in den zerstörten Städten Gazas übrig blieb. Im letzten Jahr fuhren wir mit der Diözese Bologna, die federführend war, zu einem Friedens- und Gerechtigkeitspilgerweg nach Jerusalem, Bethlehem und zu einigen palästinensischen Dörfern – 160 Personen. Für dieses Jahr habe ich bereits mein Flugticket, in der Hoffnung, dass die Flüge nicht wieder gestrichen werden. Bisher steht der Flug für Juli noch. Ich will ins Heilige Land reisen, weil, wie wir auch bei Pax Christi sagen, eine kleine Delegation immer ein Zeichen sein kann. Bei Pax Christi kämpfen wir für Gerechtigkeit und Frieden: Für Gerechtigkeit, weil dieses palästinensische Volk nicht so erdrückt und vernichtet werden kann, wie es das seit Jahrzehnten wird. Wir müssen nach Palästina – das ist die geographisch genauere Bezeichnung –, weil Israel Schritt für Schritt Land besetzt hat, das ihm nicht gehört.
Das, was dort im Nahen Osten geschieht, ist wirklich skandalös; es empört mich und macht mich traurig. Wenn wir von Israel sprechen, bitte nicht nur von Netanyahu, sondern auch von seinen Generälen und seiner Armee. Es stimmt, es gibt eine Fraktion, die nicht einverstanden ist, aber sie hat kaum Raum, Netanyahu zum Stoppen zu bringen. Wie kann man diese täglichen Massaker mitansehen, auch wenn Menschen nur für ein bisschen Essen anstehen? Wie kann man auf Frauen und Kinder schießen? Wie tief sind wir in die Unmenschlichkeit gesunken? Das fragen wir uns bei Pax Christi, im [Friedens- und Abrüstungsnetzwerk] Movimento Non Violento und vielen anderen katholischen, nicht-katholischen und säkularen Vereinigungen. Warum stoppt niemand Netanyahu? Warum sehen wir wieder Hände, die sich schütteln? Unsere derzeitigen Regierenden äußern sich nicht mutig.
Einmal waren wir während der Intifada 1990 mit meinem Freund, der heute Präsident der nationalen Vereinigung der Freiwilligen des Zivilschutzes Prociv Italia ist, Don Antonio Dell’Olio, auf einem Markt. Don Antonio fotografierte vor einer israelischen Patrouille. Einer der Soldaten richtete seine Waffe fast auf Don Antonios Brust und fragte: «Why?» Als wir in Gaza waren, sahen wir, was israelische Siedler in einigen Dörfern angerichtet haben.
Es gibt eine palästinensische Bewegung namens Kairos Palestine, eine ökumenische Bewegung, in der sich verschiedene christliche Konfessionen zusammenschließen, um das Recht der Palästinenser auf ihr Land zu bekräftigen. Sie waren im Februar letzten Jahres in Italien. Ich sollte sie begleiten, um sie Papst Franziskus vorzustellen, doch leider war er ins Krankenhaus gekommen und der Besuch am 19. Februar fiel aus. Wir trafen uns trotzdem in Rom und sie schenkten mir ein Medaillon mit etwa 20 cm Durchmesser, aus Olivenholz, das von einem palästinensischen Olivenbaum stammt, der von israelischen Siedlern an der Wurzel abgesägt wurde. Am 17. Juni gab es ein Treffen von Papst Leo mit den italienischen Bischöfen: Ich habe das Medaillon Papst Leo geschenkt und gesagt: «Eure Heiligkeit, es war für seinen Vorgänger bestimmt, aber jetzt gebe ich es Ihnen.» Ich erzählte ihm kurz die Geschichte und der Papst reagierte mit einer Miene voller Bitterkeit und Traurigkeit. Ich sagte ihm: «Heiligkeit, leider ist das die Realität.»
Abgesehen vom offenen Krieg gibt es weitere Kriegsformen, vor allem, wenn man an Donald Trump denkt: Zölle und vor allem Sanktionen, die als Kriegsinstrumente gelten können. Könnte deren Einstellung den Dialog und das gegenseitige Verständnis fördern?
Natürlich ja. Ein Experte, dessen Aussagen ich gelesen habe, sagte, dass in der Geschichte, wenn die Militärausgaben mehr als vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, das ein Zeichen für einen bevorstehenden Krieg und eine mögliche globale Eskalation sei. Wir erleben seit Jahren den Krieg der Sanktionen und seit Wochen den der Zölle sowie steigende Militärausgaben. Eine der wenigen Gegenstimmen war die des Spaniers Pedro Sanchez, der sagte: «2,1 Prozent und nicht mehr.» Und dann die Sanktionen. Ich frage mich erneut: Kann dieses Amerika wirklich so weit gekommen sein? Ist es möglich, dass die US-amerikanischen Freunde, die uns vor 80 Jahren vom Nazismus befreit haben, heute ein wenig zu Feinden in der Welt werden? Vor einigen Tagen las ich, dass die USA allein bei den Zöllen 80 Milliarden Dollar verdient haben. Dieser Krieg findet in einer Zeit statt, in der die Menschheit vielleicht von sozialer Gerechtigkeit träumt, die die Armen schützt.
Wenn ich von einem Typen lese, der Millionen Dollar für eine Hochzeit in Venedig ausgibt, bin ich schockiert. Wenn ein Journalist Leute fragte, sagten sie ganz gelassen: «Sie bringen Geld, sie bringen Arbeit.» Aber ist es möglich, dass niemand das Problem erkennt? Das Drama, der Skandal ist, dass wenige Milliardäre 90 Prozent des verfügbaren Reichtums besitzen und 90 Prozent der Bevölkerung sich mit Krümeln begnügen müssen. So müssen sie nicht nur um Nahrung kämpfen, sondern vielleicht sogar, um sie zu finden, Selbstmord begehen. Als Christ, als Priester bete ich regelmäßig für Gerechtigkeit und Frieden. Aber dennoch haben sich alle vor Trump verneigt? Nein, es ist zu wenig zu sagen, dass sie sich verneigen: Es ist völlige Anbetung, alle werfen sich vor diesem neuen Idol nieder.
Welche Auswirkungen haben Ihrer Meinung nach die Kriege, die sich am Rande des Mittelmeers abspielen (also geographisch nah bei Italien) auf die soziale Lage unseres Landes?
Das ist für mich offensichtlich. Mit Papst Franziskus gab es Versuche, das Mittelmeer neu zu überdenken – wie die Römer sagten, «mare nostrum»: ein Meer der Brüderlichkeit, der Solidarität, ein Knotenpunkt von Kulturen, Traditionen und Religionen. Aber was sehen wir? Seit einigen Jahren ist es ein Friedhof für viele Schiffbrüchige, mit Ereignissen, die alle gut kennen. Warum reizt dieses Mittelmeer so die Mächtigen der Erde? Gibt es bei uns noch einen Traum, eine Vision von einem Mittelmeer, das dieser riesige Tisch wird, an dem wir leiden, leben und zusammen Freude haben? Was passiert stattdessen?
Die Militärausgaben steigen, und unsere Armen, unsere Arbeiter und Fabriken werden sich selbst überlassen – nicht die Waffenfabriken, sondern die Arbeitsfabriken – werden sich selbst überlassen. Ebenso unser Gesundheits- und Schulsystem. Wir schauen weg. Denn es heißt ja, der schlechteste Taube ist der, der nicht hören will, der schlechteste Blinde der, der nicht sehen will, und der schlechteste Stumme der, der nicht sprechen will: Das beängstigt mich für die Zukunft. Warum machen wir das Mittelmeer zu einem Meer des Todes und nicht zu einem Meer des Lebens? So war es gedacht, aber so ist es nicht mehr. Deshalb gibt es diesen Durst, diesen Wunsch, das Mittelmeer zu überqueren, aber nicht mit Flugzeugträgern, Patrouillenbooten und mit Waffen beladenen Schiffen, die ständig hin- und herfahren.
Und zum Glück haben in mehreren italienischen Häfen Arbeiter sich geweigert, Waffen zu entladen und zu verladen. Das sind wirklich heldenhafte Taten, besonders in Genua ist das passiert. Papst Franziskus rief diese Arbeiter zu sich, bei einer Generalaudienz, und nannte sie mutige Friedensarbeiter, was im Nervi-Saal [Vatikanische Audienzhalle] mit tosendem Applaus aufgenommen wurde. Heldenhafte Taten, wie die von wenigen Journalisten, die frei sprechen und schreiben, oft unter großem Risiko, während viele andere auf der Seite der Mächtigen stehen. Nicht die Friedensaktivisten täuschen sich, sondern die Politik hat versagt. Ich möchte noch einmal meinen Wunsch äußern, den Satz der Friedenspropheten zu zitieren: «Wenn du Frieden willst, musst du Frieden vorbereiten.» Aber stattdessen hören wir andere, die lateinische Sprüche bemühen und sagen: «Wenn du Frieden willst, musst du Krieg vorbereiten.» Das ist Wahnsinn.