«2026 wird es einen großen internationalen Krieg geben» – das sagt der US-amerikanische Finanzanalyst Martin Armstrong in einem am 19. Juli veröffentlichten Podcast-Interview mit dem geopolitischen Analysten Christian E. White voraus. Als Ursache dafür sieht er den ungebremsten Willen der NATO und der Neokonservativen («Neocons») in den USA, Russland endgültig zu besiegen.
In dem rund zweistündigen Interview äußert sich Armstrong zu aktuellen Entwicklungen, deren Hintergründen sowie zu historischen Vorgängen, die deutlich machen, dass sich derzeit vieles aus der Geschichte wiederholt. Er warnt erneut vor dem Ausbruch eines Dritten Weltkrieges und macht auf die Kräfte aufmerksam, die ihn provozieren. Zugleich äußert er Verständnis für die bisherige russische Zurückhaltung, sieht diese aber an ihre Grenzen kommen.
So kritisiert er deutlich das Ultimatum von US-Präsident Donald Trump an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, innerhalb von 50 Tagen den Krieg in der Ukraine zu beenden. Eine solche Herabwürdigung dürfe es in der Geopolitik nicht geben, machte der Finanzanalyst klar. Hinter dem Verhalten Trumps sieht er den fortgesetzten Einfluss der Neocons auf die US-Politik, auch wenn sie mit der Abwahl von Joseph Biden die offizielle Bühne verlassen mussten.
«In der Geopolitik kann man nicht jemanden, der auf dem gleichen Niveau ist wie man selbst, öffentlich herabwürdigen. Was man privat in einem Telefonat sagt, ist eine Sache. Man kann so etwas nicht öffentlich tun.»
Armstrong sieht den derzeitigen russischen Präsidenten als den «vernünftigsten Mann, den wir uns dort jemals erhoffen könnten». Putins Amtsvorgänger und Berater Dmitri Medwedew habe inzwischen empfohlen, dass Russland vor Ablauf der 50 Tage einen Präventivschlag gegen den Westen durchführen solle. Inzwischen hat US-Präsident Trump sein Ultimatum sogar noch verkürzt und will Medienberichten vom Montag zufolge Putin nur noch «zehn bis zwölf Tage» Zeit geben.
Armstrong erklärt seinem Interviewpartner, dass Trumps Ultimatum vom 15. Juli, das er «theatralischen Unsinn» nennt, zu den Vorhersagen seines Analyse- und Prognose-Programms passt. Demnach würden die geopolitischen Spannungen von August bis September zunehmen. Zugleich rechnet er nicht damit, dass Putin Medwedjews Vorschlag für einen Präventivschlag folgt. Er sagt dazu:
«Der einzige Weg, wie das meiner Meinung nach funktionieren könnte, wäre, die Taktik des Regimewechsels im Westen umzukehren. Putin sollte fordern, dass Selenskyj zurücktritt und innerhalb von 31 Tagen Wahlen abhält, damit das ukrainische Volk entscheiden kann.»
Wolodymyr Selenskyj sollte aufgefordert werden, das Minsk-Abkommen einzuhalten, dem er zugestimmt hat. Im Fall einer Weigerung «würde ich dem ukrainischen Volk zwei Wochen Zeit geben, Kiew zu verlassen, und dann sagen, dass ich die Stadt atomisieren werde, damit niemand mehr dort ist». Armstrong rechnet mit einer darauffolgenden Drohung der NATO, Moskau anzugreifen.
«Die Neocons sind verrückt»
Die russische Seite würde dann daran erinnern, dass sie jede Hauptstadt Europas ins Visier genommen hat. Wenn Trump versuchen würde, sich einzumischen, würden Städte in den USA ins Visier genommen. «Was dann?», fragt Armstrong und gibt Folgendes zur Antwort:
«Wenn das die Leute nicht dazu bringt, ihren verdammten Arsch hochzukriegen und diese Neocons zu stoppen, diese Führer zu stürzen, wird nichts helfen. Ich meine, ich habe einfach das Gefühl, dass er so etwas tun muss, um von den Durchschnittsbürgern ernst genommen zu werden, die sagen: Nein, ich will keinen Krieg.»
Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kamen im vergangenen Jahr die drei russischen Politikwissenschaftler und Militärstrategen Sergej Karaganow, Sergej Aawakjanz und Dmitri Trenin in ihrem Buch «Von der Abschreckung zur Einschüchterung». Es ist kürzlich auf Deutsch erschienen und zeigt eine zunehmende Verhärtung der russischen Position gegenüber der westlichen Kriegstreiberei und Provokationen.
Aus seiner Sicht leben die kriegswilligen Neocons in ihrer eigenen Welt und seien verrückt. Für ihre kruden Vorstellungen und ihren Russenhass würden sie das Leben von Millionen Menschen opfern, weil diese sie nicht interessierten. Das macht er an mehreren Stellen im Interview deutlich. Die westlichen Kriegstreiber würden bewusst die von Putin gezogenen roten Linien überschreiten.
«Sie wollen, dass er alles in der NATO angreift, damit sie behaupten können, er sei der Aggressor.»
Europa in Gestalt der Europäischen Union (EU) hält Armstrong für einen «hoffnungslosen Fall». In seiner desolaten Lage infolge der eigenen Politik brauche es einen äußeren Feind, da sich sonst «die Menschen irgendwann mit Mistgabeln erheben und auf die Barrikaden gehen».
«Kriege finden nicht statt, wenn alle satt und zufrieden sind. Dafür muss es in der Regel einen wirtschaftlichen Grund geben, es sei denn, es geht um Religion oder Philosophie.»
Aus Sicht des Finanzanalysten kann Putin in der Ukraine nicht zurückweichen. Er sei vom Westen bereits bei den Minsker Abkommen «zum Narren gehalten» worden. Als ein Frieden kurz nach dem russischen Einmarsch im Frühjahr 2022 möglich schien, habe der britische Premier Boris Johnson Selenskyj aufgefordert, das Abkommen nicht zu unterzeichnen.
Strippenzieher im Hintergrund
Armstrong berichtet von Ukrainern, die ihm gesagt hätten: «Dürfen wir überhaupt Frieden haben, ohne die Erlaubnis von London, Washington und Paris?» Er sieht die Neocons als Strippenzieher im Hintergrund. Er verweist dabei vor allem auf drei Personen aus der Administration von Joseph Biden: Justizminister Merrick Garland, Außenminister Antony Blinken und dessen Stellvertreterin Victoria Nuland.
Nuland habe 2014 mit ihren Einmischungen und dem bekanntgewordenen «Fuck the EU»-Telefonat in Kiew dazu beigetragen, den Krieg in der Ukraine zu beginnen, so Armstrong. Sie und die anderen beiden würden behaupten, dass ihre Familien aus Osteuropa stammen und von Russland verfolgt worden seien. Für ihn stelle sich die Frage, wie solche Personen mit der gleichen Herkunft in hohe Ämter der US-Regierung kommen. Aus seiner Sicht sind ihre Aktivitäten «vorsätzliche Handlungen von Menschen, die die amerikanische Außenpolitik für persönliche Ziele missbrauchen».
«Und es geht nicht immer darum, dass sie mit dem Krieg viel Geld verdienen. Es scheint auch um persönliche Feindseligkeiten zu gehen.»
Armstrong hält sie für «psychisch gestört», da sie in ihrer Jugend durch Ereignisse wie die damalige Russophobie in den USA traumatisiert sein könnten. Seit sie erwachsen sind, gehe es bei ihnen und den anderen Neocons immer nur um «Russland, Russland, Russland». Der Finanzanalyst erinnert an die Versuche Ende der 1990er Jahre, Russland durch Finanzmanipulationen und Bestechungen zu übernehmen, um sich dessen Rohstoffe aneignen zu können.
Er habe sich dem verweigert, während der Versuch, den damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin zu erpressen und über die Einmischung in die Wahlen im Jahr 2000 den Oligarchen Boris Beresowski an die Macht zu bringen, scheiterte. Doch der US-Versuch eines Regimewechsels in Moskau führte dazu, dass Putin an die Macht kam.
«Es ging also schon immer um einen Regimewechsel. Das war schon unzählige Male so.»
Armstrong stellt in dem Interview auch klar, dass die USA alles, was sie dem russischen Präsidenten unterstellen, selber tun.
«Alles, was sie tun, dreht sich immer um Regimewechsel, um mehr Macht. Und dann beschuldigen sie Russland, dasselbe zu tun. Ich halte diese Leute einfach für durch und durch böse. Sie haben die amerikanische Außenpolitik an sich gerissen.»
Die oberste Regel der Neocons sei, «niemals mit dem Feind zu sprechen. Die Folge:
«Wenn man nicht mit dem Feind spricht, kann es niemals Frieden geben.»
Er verweist darauf, dass kein einziger Staatschef aus der EU mit Putin spricht. Als Trump dies tat, habe es einen Aufschrei gegeben. Die Alternative scheine zu sein, dass «alle auf den Knopf drücken». Wenn Putin dann vor einem Atomkrieg warnt, werde erklärt, dass er drohe.
Hass als Antrieb
Aus Sicht von Armstrong stehen die US- und sonstigen westlichen Medien auf der Gehaltsliste dieser Neocons. So stammten die meisten Berichte zum Krieg in der Ukraine vom Institute for the Study of War (ISW), das von Nulands Schwägerin Kimberly Kagan gegründet wurde. Die Erklärungen von dort seien immer dieselben:
«Russland ist schwach. Russland verliert. Russland verliert ... Um es so klingen zu lassen, als könnten wir einfach einmarschieren, Russland einnehmen und niemand sonst würde etwas tun ... All dieser Unsinn, als könnten wir Russland besiegen.»
Das Gleiche sei Anfang der 2000er Jahre über den Irak gesagt worden. Armstrong erzählt, dass ein CIA-Mitarbeiter berichtet habe, man habe ihm gesagt, dass sie in den Irak einmarschieren würden, das Land innerhalb einer Woche einnehmen und direkt nach Teheran vorrücken würden. Doch das habe dann so nicht geklappt. Der Finanzanalyst vermutet:
«Diese Leute können nachts nicht schlafen, ohne jemanden zu hassen. Wenn Russland nicht da wäre, würden sie sich jemand anderen aussuchen. Sie scheinen überhaupt nicht an Weltfrieden interessiert zu sein.»
All die Kriege würden die Staatsverschuldung verursachen und in die Höhe treiben. Zugleich würden die daraus resultierenden wirtschaftlichen Probleme wieder nur mit Krieg zu lösen versucht werden, so der Experte. «Wir bezahlen diesen Unsinn, der niemandem wirklich nützt», stellt er fest. Und er erinnert daran, dass schon der antike Kriegstheoretiker Sun Tsu wusste, dass es keine Beweise gebe, dass ein Land von endlosen Kriegen profitiere. Dennoch würden weiter Schulden gemacht, um weiter Kriege zu führen und den in der Ukraine fortzusetzen, obwohl das Land vor dem Zusammenbruch stehe. Armstrong warnt:
«Angesichts der Lage in der Ukraine schlägt die NATO nun vor, 250.000 Soldaten zu entsenden. Diese müssen nicht Teil der NATO sein. Das hat man 1995 in Bosnien und 1999 im Kosovo auch so gemacht. Die NATO ist einfach einmarschiert. Ohne Vertrag, ohne alles. Sie haben so viel in diesen Krieg in der Ukraine investiert, dass sie einen Frieden einfach nicht akzeptieren oder Russland gewinnen lassen können.»
Die Ukrainer hätten keine Kontrolle mehr über ihr eigenes Land, stellt er klar. Selenskyj habe 2019 die ukrainische Präsidentschaftswahlen gewonnen, weil er Frieden versprochen habe. Dabei sei er von Russland unterstützt worden, erinnert Armstrong. Doch statt Frieden habe Selenskyj seinem Land hunderttausende Tote gebracht, Elend und Not.
«NATO hätte aufgelöst werden müssen»
Der Finanzanalyst verweist darauf, dass der Kiewer Präsidentendarsteller mit dem Verbot der russischen Sprache und den Angriffen auf den orthodoxen Glauben den ethnischen Hass in der Ukraine verstärkt habe. Mit solchen «bewusst feindseligen Handlungen» werde kein Frieden gefördert.
Aus seiner Sicht ist die NATO mit ihren Strukturen verantwortlich für den fortgesetzten Krieg in der Ukraine. Das westliche Militärbündnis hätte nach dem Fall des Kommunismus aufgelöst werden müssen, wie es auf der Gegenseite mit der Organisation des Warschauer Vertrages geschah. Doch jede Institution und Regierungsstruktur habe einen Selbsterhaltungstrieb und kämpfe «mit allen Mitteln um ihr Überleben».
Die NATO habe die einzige Möglichkeit, relevant zu bleiben, darin gesehen, «ständig zu sagen: Putin will einmarschieren und New York einnehmen». Das sei die gleiche Vorgehensweise wie zu Chruschtschows Zeiten. Das Problem sei, «dass Putin kein Kommunist ist». Und: «In Europa gibt es nichts zu holen.» Wenn Kriege wegen wirtschaftlicher Interessen geführt werden, gebe es für einen angeblichen russischen Angriff auf Europa keinerlei wirtschaftlichen Vorteil:
«Europa hat nichts, es bezieht seine Energie aus Russland und hat kein Gold. Das Beste wäre, wenn Putin Europa einnehmen würde, würde er nichts als endlose Bürgerkriege und Unruhen bekommen.»
In der Gegenwart sei im Gegensatz zum Zeitalter der Imperien niemand mehr daran interessiert, ein anderes Land zu besetzen, so Armstrong. Die Zeiten des Imperiumsaufbaus oder der Eroberung von Land um des Landes willen seien längst vorbei. Die Ausnahme sei, «dass Russland mindestens dreimal vom Westen erobert werden sollte». Denn Russland habe etwas Wertvolles.
«Aus Sicht der natürlichen Ressourcen gilt es als das reichste Land der Welt. Es hat Öl, Diamanten, Platin, Holz, alles im Überfluss, was andere nicht haben. Deshalb haben Napoleon und Hitler versucht, es zu erobern, und die meisten Menschen wissen das nicht.»
Immer noch gebe es Personen im Westen, die glauben würden, sie könnten die Bodenschätze Russlands in ihre Gewalt bringen. Armstrong berichtet, dass er gehört habe, wie westliche Verantwortliche erklärten, dass ihnen das ukrainische Volk «scheißegal» sei: «Wenn es ihnen wichtig wäre, hätten sie den Frieden gewonnen.»
Auch die Osteuropäer seien ihnen egal, die sie immer noch für «Kommunisten» hielten. Deshalb habe sich der Westen in die rumänischen Wahlen eingemischt, um einen Präsidenten zu verhindern, der dagegen sei, dass sein Land zum Aufmarschgebiet für den Krieg gegen Russland gemacht wird.
«Der Deep State ist viel tiefer als angenommen»
In dem Interview verweist Armstrong auch darauf, dass der Einfluss der Neocons mit Hilfe von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu dafür sorgt, dass Trump Israel und dessen Kriege und Verbrechen weiter unterstützt. Zum Angriff der palästinensischen Gruppen um die Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sagt er, dass sich in der Woche zuvor der Markt für Rüstungsaktien deutlich bewegt habe. Er habe gelernt, «dass immer, wenn es Krieg gibt, jemand im Voraus Bescheid weiß und das Geld zu fließen beginnt».
«Ich glaube, Israel wusste am 7. Oktober davon. Sie haben es zugelassen, genauso wie wir 9/11 zugelassen haben. Sie gewinnen dadurch mehr Macht.»
So laufe das immer, erklärt der Finanzanalyst seinem Gesprächspartner, und sagt mit Blick auf den Mord an John F. Kennedy, den Attentatsversuch auf Trump vor dessen Wiederwahl 2024 und die sogenannte Epstein-Affäre:
«Wissen Sie, es ist nicht so, wie es scheint. Der Deep State ist viel tiefer, als die Leute glauben. Er ist so verdammt tief, dass wir der Feind sind. Und wenn du denkst, dass sie sich auch nur einen Dreck um uns scheren, dann liegst du falsch. Ich meine, schau dir all diese Kriege an. Es ist ihnen egal. Es ist ihnen egal, wer auf dem Schlachtfeld stirbt. Es ist ihnen egal, wer dabei zu Schaden kommt.»
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