Transition News: Um das Jahr 2010 herum hatten Sie bei der Europäischen Union als Praktikant angefangen. Inzwischen hat sich bei Ihnen eine gewisse Ernüchterung eingestellt. Was hat sich verändert?
Ernst Müller (Name von der Redaktion geändert): Damals hatte ich noch das Gefühl, dass die Jungen, die dort gearbeitet haben, alle zusammenwachsen wollten. Das war nach der großen EU-Osterweiterung, als Tschechien, die Slowakei, das Baltikum, Ungarn, Polen und Slowenien und auch Zypern dazukamen. Es herrschte eine Art Aufbruchsstimmung.
Inzwischen ist zumindest bei mir viel Ernüchterung eingekehrt, da ich früher dachte, dass die Europäische Union ein ganz klares Friedensprojekt sei, – so wurde sie uns ja immer verkauft. Man müsste den Menschen zurufen, dass sie mal zuhören sollen, was die etablierten Politiker ihnen bei jeder Europawahl erzählen: «Europa ist ein Friedensprojekt.» Jetzt haben wir in einem Teil Europas Krieg – die Ukraine gehört nicht zur EU, aber geografisch gehört sie trotzdem zu Europa, wie auch Teile Russlands. Und seit einigen Wochen wissen wir auch, dass der Wind dreht, dass zwischen den USA und Russland wieder diplomatische Gespräche stattfinden. Aber die Europäische Union möchte munter weiter Krieg führen und aufrüsten.
Und meine Ernüchterung kommt natürlich ein Stück weit daher, dass ich realisiert habe, dass es vielen führenden politischen Parteien, insbesondere aus deutscher Sicht, nicht notwendigerweise um den Frieden geht. Wenn man fordert, dass eine Seite, egal welche, gewinnt, dann fordert man ja den «Sieg». Und das ist noch nie gutgegangen.
Welche Kräfte haben Interesse daran, aus der EU ein Kriegsprojekt zu machen?
Hier jetzt explizit irgendwelche Kräfte zu nennen, würde den Bogen überspannen. Sagen wir mal so: Es gibt ein World Economic Forum, einen militärisch-industriellen und einen Tech-Komplex. Und Trump ist ein Dealmaker: Wenn Europa, beziehungsweise die EU, US-Waffen kaufen will, wird die US-amerikanische Waffenindustrie diese Waffen für uns produzieren. Allerdings zeichnet sich in den USA ein Kampf zwischen den Globalisten und Trump ab. Derzeit haben sich die Patrioten in den USA durchgesetzt und es kommt scheinbar zu einer Verschiebung der Globalisten in die Europäische Union. Und weil Sie gefragt haben, wer daran Interesse hat: Vielleicht Teile dieser Globalisten oder eben dieses militärisch-industriellen Komplexes.
Europäische Staatschefs scheinen Moskaus neue Atomwaffendoktrin zu vergessen, die auf «Response by Detection» setzt. Das bedeutet, noch bevor die erste Taurus-Rakete Moskau erreicht, kann Europa zerstört werden. Was geht da innerhalb der EU vor?
Ich bin mir immer nicht sicher, ob diese Menschen tatsächlich wissen, welche Implikationen ihr etwaiges Handeln zur Folge hätte. Ich kann es mir nur mit Realitätsverlust erklären, weil man vielleicht davon ausgeht, dass Russland dazu doch nicht in der Lage wäre oder es nicht tun würde. Wetten würde ich darauf allerdings nicht. Russland ist militärisch derzeit so fortgeschritten, dass es wahrscheinlich nicht mal eine Atomwaffe benötigen würde, um den Europäern einen Schuss vor den Bug zu geben. Das könnte man heutzutage auch mit Hyperschallraketen erreichen. Wenn man die entsprechend bestückt, dann schlägt so eine Rakete irgendwo bei Berlin ein und zerstört halb Deutschland.
Diese Politiker, in Deutschland ist Friedrich Merz ganz vorne mit dabei, aber auch Olaf Scholz und weitere europäische Staatsmänner und Staatsfrauen, haben noch ein ganz anderes Problem: Denn Trump hat ja Interesse an Grönland angemeldet. Wenn wir im Osten weiter auf Krieg drängen und die USA sich tatsächlich Grönland holen wollten, dann befände sich die EU in einem Zweifrontenkrieg gegen zwei Großmächte.
«ReArm Europe» heißt die EU-Initiative für die Wiederbewaffnung der Mitgliedstaaten, die dadurch wohl im wahrsten Sinne des Wortes arm gemacht werden. Gibt es in Brüssel eigentlich auch Stimmen für den Frieden?
Die gibt es, allerdings sind diese Stimmen in der Minderheit. Ich hoffe, dass einige EU-Politiker zum Ergebnis kommen, dass, wenn die USA sich aus diesem Krieg in der Ukraine zurückziehen, es sinnvoll wäre, sich dem Friedensprozess anzuschließen, auch wenn man daran nicht direkt beteiligt sein kann.
Mein Vorschlag: Es geht ja immer darum, dass die Ukraine EU-Mitglied werden soll – allerdings wird sie aus meiner Sicht niemals die Kopenhagen-Aufnahmekriterien erfüllen. Und die Donbass-Region sowie die Krim gehen sehr wahrscheinlich an Russland. Danach könnte die Ukraine Mitglied der EFTA, der Europäischen Freihandelszone, werden, mit der Garantie, dass die Ukraine niemals der NATO beitritt. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) könnte das überwachen – schließlich wurde die OSZE genau dafür geschaffen.
Übrigens, als ich das erste Mal «ReArm Europe» gehört habe, hatte ich sofort Bilder von Armut – Wiederverarmung – und verstümmelten Menschen im Kopf, die man mit Prothesen re-armen und re-beinen muss.
Die EU will insgesamt 800 Milliarden Euro in dieses Programm zur Wiederbewaffnung stecken. Welche Folgen wird das für die Bevölkerung haben?
Das ist fatal. Lassen Sie uns zunächst mit dem «normalen» EU-Haushalt beginnen, dem Mehrjährigen Finanzrahmen. Diese EU-Finanzrahmen laufen derzeit immer sieben Jahre. Der derzeitige fing 2021 an und läuft 2027 aus. Zusätzlich zu diesem Finanzrahmen, also außerhalb des Haushaltsplans, hatten wir 2020 ein milliardenschweres sogenanntes «Corona»-Hilfspaket (Next Generation EU) beschlossen. Das war das erste Mal, dass die EU Schulden, den sogenannten Europäischen Aufbauplan, aufgenommen und dieses Geld den Mitgliedstaaten unter gewissen Kriterien zur Verfügung gestellt hat. Rund 750 Milliarden Euro wurden ausgeliehen, und die müssen wir zurückzahlen. Der Rückzahlungsprozess beginnt 2026 und läuft bis 2058. Und wenn Sie sich dann ansehen, dass wir pro Jahr beim derzeitigen Zinsniveau zwischen 20 und 30 Milliarden Euro abgelten müssen, dann fehlen uns diese Rückzahlungsbeträge natürlich im EU-Haushalt. Die Zinsrückzahlungen befinden sich nämlich wiederum im Haushaltsplan. Der Jahreshaushalt für 2025 umfasst knapp unter 200 Milliarden Euro. Wenn Sie 20 Milliarden zurückzahlen müssen, fehlen Ihnen im nächsten Haushaltsjahr schon mal zehn Prozent. Sollte das Zinsniveau steigen, können daraus auch schnell 25 Milliarden werden.
Außerdem möchte die EU die Mitgliedstaaten dazu bewegen, ihre Eigenmittel zu erhöhen. Die Eigenmittelprozesse sind ja die Finanzierung der EU – alle EU-Mitgliedstaaten müssen einen gewissen Anteil ihres Etats, derzeit rund ein Prozent, an die EU überweisen. Und der soll wohl erhöht werden, auf 1,3 bis 1,5 Prozent. Das Problem dabei ist: Das Geld, das nach Brüssel überwiesen werden muss, fehlt im Haushalt des entsprechenden Mitgliedstaats. Und darüber wird es eine große Debatte geben, denn wie soll sich das dauerhaft finanzieren lassen, wenn schon jetzt alles auf wackligen Beinen steht?
Aber nun zu «ReArm Europe»: Dieser Wiederbewaffnungsplan dient dazu, den Mitgliedstaaten einen Großteil der Finanzierungslasten, ungefähr 650 Milliarden Euro, aufzubürden. Darüber hinaus sollen 150 Milliarden Euro durch gemeinsame Anleihen – ähnlich wie bei Next Generation EU – unter der Bedingung gemeinsamer Waffenbeschaffung an die Mitgliedstaaten ausgegeben werden. Im Gegenzug lockert man die Kernregeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, damit die Mitgliedstaaten ihre Defizite ganz offiziell erhöhen dürfen.
Sollten sich die USA tatsächlich aus Europa weitestgehend zurückziehen und sogar die NATO aufgeben – da hätte ich nichts dagegen – dann müssten sich die europäischen Staaten natürlich um eine eigene Sicherheitsarchitektur kümmern. Und die – das möchte ich ganz dick unterstreichen – kann selbstverständlich nur der Verteidigung und nicht dem Angriff dienen. Die Gretchenfrage ist allerdings, ob man jetzt auf einmal so viel Geld in Rüstung investieren soll oder ob es nicht besser wäre, mit all dem Geld die gesamtgesellschaftliche Lage sowie die Infrastruktur innerhalb der EU zu verbessern. Ein Wettrüsten hilft den Bürgerinnen und Bürgern hierzulande nicht. Die NATO hat den Löwenanteil an der Ursache des Ukraine-Konflikts, deshalb sollte man gerade jetzt auf Diplomatie setzen.
Hat die Europäische Union noch weitere Einnahmequellen?
Die EU hat eigentlich wenige Eigenmittel. Der Haushalt der EU finanziert sich zum einen aus Zöllen und Abgaben. Das sind ungefähr 10 bis 15 Prozent des EU-Haushalts. Und dann muss jeder Mitgliedstaat gemessen am Bruttonationaleinkommen sogenannte Eigenmittel – der Höchstsatz läge derzeit bei 1,4 Prozent – an die EU überweisen, das macht rund 68 bis 70 Prozent des EU-Haushaltes aus. Dann gibt es noch neuere Einnahmequellen, die die Europäische Union selbst generieren und direkt einnehmen darf, zum Beispiel das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM), bei dem die EU CO2-Zertifikate an Unternehmen ausgibt. Dazu kommt noch die Plastikabgabe, aber die ist marginal, das sind 0,80 Euro pro Kilogramm nicht recyceltem Plastikmüll.
Der Löwenanteil ist tatsächlich der Prozentsatz, den die Mitgliedstaaten aufgrund ihres Bruttoinlandprodukts nach Brüssel überweisen müssen. Wenn die EU so viel in die Verteidigung investieren will, obgleich man die «Corona»-Schulden bis 2058 zurückzahlen soll, dann muss die Finanzierungsfrage gestellt werden.
Welchen Einfluss haben Vermögensverwalter, wie zum Beispiel BlackRock, auf Brüssel?
Ich kann nur sagen, dass solche Investmentgesellschaften mit Sicherheit an etlichen EU-Projekten beteiligt sind. Nur wie viel das prozentual ausmacht, das weiß ich nicht. Aber weil Sie BlackRock ansprechen: Friedrich Merz hat nun die Gelegenheit, die BRD zu verkaufen. Insofern ist die Finanzierungsfrage vielleicht auch wieder geklärt.
Solche entscheidenden Fragen kommen im Bundestagswahlkampf leider kaum zur Sprache. Im Wahlkampf pochte Merz auf die Schuldenbremse – und jetzt? Jetzt interessiert das Geschwätz von gestern niemanden mehr.
Ist die EU unabhängig genug, um mit der eigenen Bevölkerung zu arbeiten? Oder geht es doch so weiter wie seit 2020, als man dem Volk mit «Corona» den Krieg erklärt hat?
Meinen Sie, dass die EU demokratischer würde, dass die Bürger etwas mitzuentscheiden hätten? Ich wünsche mir das, leider sehe ich es derzeit nicht. Denn die obersten Vertreter dieser Union, wie Ursula von der Leyen, gehören ja zu diesen Clubs, diesen internationalen Kartellen.
Es gab Urteile, sogar vom EuGH, die besagen, dass Frau von der Leyen die Dokumente zu den Impfstoffvereinbarungen nicht ausreichend offengelegt hat. Aber das hat alles kaum Auswirkungen. Diese Vertreter und Repräsentanten sind eben Teil des Ganzen. Die Kommissionsanwälte haben sofort Rechtsmittel gegen die Entscheidung des General Courts eingelegt. Politiker wissen, wie der Wind weht und dreht, was sie sagen und was sie nicht sagen dürfen, das wird ihnen auch durch die Medien vorgegeben. Und deswegen ist die EU nicht wirklich unabhängig oder eigenständig.
Wie sehen Sie die Rolle der EU während der Plandemie?
Die EU-Institutionen sind Komplizen und Mittäter, das ist eindeutig. Das war die größte Ernüchterung, dass man das anhand dieser Simulation im Jahr 2019, dem Event 201, wirklich international so durchzieht. Das ist die Bundesliga der organisierten Kriminalität.
Kein Mensch ist unfehlbar, nur die Grenze muss halt jeder für sich selbst festlegen. Wenn mir jemand gesagt hätte, du musst bei dem ganzen «Pandemie»-Zeugs mitmachen, dann wäre ich eben zurückgetreten. Viele waren mutig, aber die wurden dann von staatlicher Seite her kleingehalten. Das ist nicht mit unseren Werten vereinbar, das ist totalitär. Und das ist genau das, was US-Vize J.D. Vance in seiner Rede in München zum Ausdruck gebracht hat. Er hat ja auch gesagt, wenn europäische Politiker Angst vor ihren eigenen Wählern haben, dann kann Amerika nichts mehr für die EU tun. Vielleicht ist das tatsächlich eine Rückbesinnung darauf, auf welchen Fundamenten die US-Demokratie steht.
Wie kann eine grundsätzliche Veränderung, ein Paradigmenwechsel, in der Europäischen Union stattfinden? Sehen Sie neue, zukunftsweisende Kräfte?
Ein Paradigmenwechsel könnte meiner Ansicht nach von unten erfolgen, also aus der Bevölkerung heraus. In Deutschland gibt es schon mal ein Fünftel der Wähler, die eine Partei wählen, der ich mich nicht unbedingt zuordne, aber deren Meinung komplett unterdrückt wird. Das ist völlig undemokratisch. Wenn man nur irgendwie erwähnt, dass die AfD oder die FPÖ einen richtigen Standpunkt vertreten, ist man sofort in einer Ecke, in die viele Menschen nicht hingehören.
Sie haben mich ja gefragt, wie man die EU verbessern kann, also ich sage: Ein Fünftel bis ein Drittel der Bürger denken schon anders, vielleicht werden es ja mal mehr.
Deswegen finde ich, hätte es auch das BSW im Deutschen Bundestag gebraucht. Ganz unabhängig davon, wie das intern beim BSW läuft, aber die Meinungen, die das BSW mit Sahra Wagenknecht vertritt, sollten im Deutschen Parlament gehört werden.
Vielleicht kann sich das, so wie immer, durch den Einfluss der US-Amerikaner verändern. Wenn die neue Elite – sprich Donald Trump, J.D. Vance, Tulsi Gabbard, oder auch Robert F. Kennedy Jr. – «Corona» in den USA aufarbeiten, dann wird das früher oder später nach Europa schwappen. Die Frage ist nur, wann?
Ansonsten muss ich ganz ehrlich sagen – das klingt jetzt sehr dystopisch: Aber wenn uns der liebe Gott nicht hilft, dann weiß ich nicht, wie wir den Spieß hier noch mal umdrehen können. Mit «wir» meine ich jeden Bürger, der sich für Demokratie einsetzt.
Mit den Repräsentanten, die wir derzeit bei der EU haben – wenn man hofft, dass Ursula von der Leyen, Kaja Kallas, Antonio Costa oder gar Friedrich Merz, Olaf Scholz, Karl Lauterbach oder ein Jens Spahn und eine Nancy Faeser irgendwas zum Besseren verändern, dann ist es wahrscheinlich sinnvoller, an den Weihnachtsmann zu glauben, da haben Sie mehr Spaß dabei.
Ist die EU also nicht mehr reformierbar?
Das kommt darauf an: Wenn Sie Menschen an den Positionen hätten, die das Herz am richtigen Fleck haben, dann brauchen Sie gar nicht reformieren, weil dann machen die intuitiv oder instinktiv die richtigen Dinge, und das ist gut für alle. Aber diese Personen haben wir nicht.
Natürlich könnten wir die EU reformieren. Es gibt dazu genügend Literatur in sämtlichen EU-Sprachen, ganze Bibliotheken, über das demokratische Defizit der Europäischen Union. Das dadurch entsteht, dass die Kommission kein gewähltes Organ ist, aber das Gesetzesinitiativrecht hat. Die Exekutive macht also die Gesetze, das ist ein grober Verstoß gegen die Gewaltenteilung. Und die Legislative, also das gewählte EU-Parlament, darf an dem Gesetzesvorschlag der Kommission noch ein bisschen rumfeilen, sprich Änderungsanträge einbringen, und dann geht das ganze Ding in den Rat, da sitzen wiederum nur Minister oder Staatsbeamte.
Es wird öfters über Frieden in der Ukraine gesprochen. Dreht der Wind?
Der Wind wird ausschließlich von den Großmächten gedreht, und das sind die USA und Russland. Und zu den Konditionen, zu denen sich diese beiden Großmächte einigen, wird das dann auch stattfinden. Ob Wolodymyr Selenskyj mitmachen will oder nicht, ist dann völlig egal.
Und wenn alle Großmächte Frieden wollen, nur die EU nicht, die ja militärisch keine Großmacht ist, dazu hat Trump ja schon gesagt: Wenn die EU einen Krieg mit Russland haben wolle, könne sie den haben. Das dauert dann aber nicht lange. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen.
Wenn die Großmächte sagen, es wird Frieden geben, dann darf die EU den Wiederaufbau mitfinanzieren. Die USA vertreten ihre Interessen, die Ukraine zahlt in Rohstoffen zurück. Die EU ist dann wie so oft zweiter «Sieger» und darf sich damit auseinandersetzen, wie man ein kriegsgebeuteltes Land eventuell irgendwie in diese Union inkorporieren könnte.
Mein Vorschlag, wenn ich jetzt außenpolitischer Vertreter der EU wäre, dann würde ich erst mal diese drei Punkte, die ich vorher genannt habe, verfolgen: Die Ukraine erklärt gegenüber Russland, dass sie niemals NATO-Mitglied wird. Die Gebiete, die Russland erobert hat, vom Donbass/Donezk über die anderen drei Regionen, Cherson, Luhansk, Saporischschja, bis zur Krim, gehen an Russland. Und um wirtschaftlichen Handel mit der Ukraine tätigen zu können, würde ich eine EFTA-Mitgliedschaft vorschlagen. So könnte man sich wirtschaftlich erst mal annähern, ohne dass das Land die Kopenhagen-Kriterien erfüllen muss. Und wie es dann in 20 Jahren aussieht, wird man sehen.
Wie könnte man die EU verbessern?
Was ich generell vermisse, ist, dass die Kernländer der EU, die sechs Gründungsmitglieder, wieder mehr zusammenhalten, und damit meine ich natürlich insbesondere Frankreich und Deutschland. Ich finde es wirklich schade, dass diese deutsch-französische Achse in den letzten Jahren so abgenommen hat. Wenn Deutschland und Frankreich sich einig wären und eine gemeinsame, diplomatische Linie hätten, die dann vielleicht von den Italienern, Spaniern und von den Benelux-Ländern mitgetragen würde, dann wären wir stärker.
Sollte die NATO zerfallen, braucht die EU natürlich eine andere Sicherheitsarchitektur – das möchte ich gar nicht negieren – aber, wie gesagt, zur Verteidigung, nicht zum Angriff. Und wenn die Kernländer sich darauf fokussieren würden, dass zwischen der Ukraine und Russland erst mal ein Waffenstillstand und dann Frieden herrscht, dann könnte man auch die baltischen Länder und Polen davon überzeugen. Wenn die Kernländer der EU sich in dieser Frage einig wären, hätten sie auch viel mehr Verhandlungsmasse, um das den neueren EU-Mitgliedstaaten zu vermitteln.
1957 haben Deutschland, Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet, und dieses Kern-Europa war einfach schon 47 Jahre zusammen, bevor die anderen kamen. Und das müssten die Neuhinzugekommenen vielleicht auch mal akzeptieren.
Also eine Art Rückbesinnung auf die Ursprünge der EU?
Es ist interessant, wie sich jetzt der Kreis schließt, denn was war denn Europa ursprünglich? Es ging um ein Friedensprojekt. Der Samen für diese EU entstand aus diesem verheerenden Zweiten Weltkrieg, als Europa am Boden lag.
Und es ist doch klar, kein Oligarch kämpft vorne an der Front, sondern es erwischt wieder nur den Durchschnittsbürger, der mit Gewalt von irgendwelchen Militärpolizisten oder Desperados abgeholt und im Krieg verheizt wird.
In welche anderen Bereiche statt Aufrüstung sollte die EU investieren?
Beim ReArm-Programm der EU geht es um insgesamt 800 Milliarden Euro – dabei gibt es eine ganz einfache Frage: Wie finanzieren wir das und wo sparen wir ein? Die Folge wird sein, dass soziale Leistungen gekürzt werden, Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten nicht mehr entsprechend finanziert werden können.
Und da auch der Verteidigungsetat der Bundesrepublik erhöht wird, bedeutet das, dass Deutschland den Bürgerinnen und Bürgern dramatische Sparpakete auferlegen muss.
Stattdessen könnten wir zum Beispiel in den grenzüberschreitenden Bahnverkehr investieren. Da würde eine gewisse Harmonisierung tatsächlich Sinn machen. Außerdem sollten wir grundsätzlich wieder mehr auf das Subsidiaritätsprinzip setzen. Das heißt, Dinge, die man vor Ort lösen kann, sollte man auch die Gremien vor Ort lösen lassen. Wir haben jetzt zum Beispiel einen Kommissar für Wohnungsbau auf EU-Ebene. Ich bezweifle, dass er den Markt in Budapest, Bukarest, Madrid, München und in Wien so gut einschätzen kann, dass er über die Europäische Union eine Verbesserung erzielt. Das können die Bürgermeister der jeweiligen Städte besser.
Probleme sollten also wieder mehr auf regionaler Ebene gelöst werden. Da sind wir bei der Frage, was die EU denn eigentlich ist?
Die EU sollte grundsätzlich immer versuchen, für die rund 450 Millionen Einwohner eine Verbesserung herbeizuführen. Statt dem ganzen Vorschriftswust aus Brüssel sollte gelten: Weniger ist mehr.
Also dort, wo wir die EU brauchen, zum Beispiel bei Zöllen oder Agrarpolitik – damit haben sich viele europäische Landwirte auseinandergesetzt und angefreundet. Die EU spricht oft von einem «Level Playing Field», und in der Agrarwirtschaft mag das gar nicht so unvorteilhaft sein. Stichwort Mercosur: In Südamerika wird zu Konditionen produziert, die in der EU verboten sind, aber diese Produkte, dürfen dann in die EU eingeführt werden. Und da sagen unsere Landwirte zu Recht, das geht nicht. Solchen Aufgaben könnte sich die EU schon widmen, weil sie dann nämlich für die Landwirte aller 27 Länder spricht. Aber die EU ist ja für Mercosur. Hier könnte man tatsächlich einen Mediator brauchen, der die Landwirte anhört und sagt, wenn wir so ein Abkommen machen wollen, wie können wir es denn derart gestalten, dass ihr nicht zu eurem Nachteil produzieren müsst und dass wir aus EU-Sicht trotzdem noch einen Vorteil erzielen können.
Da gäbe es schon etwas zu tun, im Sinne der Bürger und auch der kleineren Interessengruppen. Es gäbe so viele gute Dinge, die man tun könnte, aber man müsste auch wollen.
Und es gibt genügend Menschen, die sich auf der Mikroebene gefunden haben und ihr Leben anders gestalten. Bloß das Problem ist, dass wir in der Politik und der Gesellschaft zu wenig mitbestimmen.
Was können die Bürger tun?
Viele machen ja schon etwas. Ich bezahle zum Beispiel oft mit Bargeld. Aber uns gegenüber steht die große Investmentgesellschaft BlackRock. Das ist ja nicht mal mehr David gegen Goliath. Man darf sich natürlich auch nicht komplett entmutigen lassen. Wir können ja nichts anderes tun als weitermachen. Ich ziehe gerne Vergleiche zum Sport: Nach einer 5 zu 1 Niederlage braucht man nichts schönzureden. Und natürlich ist dann die Aufgabe, dass man aus dieser Niederlage zurückkommt und sagt, beim nächsten Mal muss es ja irgendwie wieder besser werden.
Es ist derzeit zu früh, um ein Resümee zu ziehen, denn diese neue Zeitenwende ging auf der Sicherheitskonferenz oder mit der Wahl Donald Trumps gerade erst los. Vielleicht sollten wir uns in zwei Jahren noch mal darüber unterhalten, was sich denn verändert hat, vielleicht sieht es dann wieder positiver aus – BRICS würde den Rahmen unseres Gesprächs sprengen.
Aber ein kleines Werkzeug möchte ich noch erwähnen: die Europäische Bürgerinitiative. Man braucht insgesamt eine Million Unterschriften aus sieben EU-Ländern. In jedem einzelnen Land muss man unterschiedliche Schwellenwerte erfüllen – in Österreich brauchten Sie 14.400 Unterschriften, in Deutschland 69.120 und so weiter.
Da müsste unsere Basis kreativ werden und sagen, hier brennt es. So eine Initiative möchte erreichen, dass die EU-Kommission eine Gesetzesvorlage zu einem gewissen Thema macht. Als Antwort müsste die Kommission zumindest verlautbaren, warum sie dieses Gesetzesvorhaben nicht einbringen will. Die würden schon einen Grund finden, warum sie uns abschmettern, aber damit könnte man die Kommission auch ein bisschen vor sich hertreiben. Bei den «Corona»-Demos waren tolle Menschen dabei, die gut organisieren können, und der deutschsprachige Raum ist seit «Corona» relativ gut vernetzt. Wenn man das auf andere Länder ausweitet und juristisch kreativ vorgeht, könnte man auf dieser Ebene die EU-Kommission ein bisschen unter Druck setzen.
Das Interview führte Sophia-Maria Antonulas.
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