Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat in einer aktuellen Pressemitteilung ein neues Programm vorgestellt, das für Aufsehen sorgt: Das sogenannte „Commissioner’s National Priority Voucher“ (CNPV)-System ermöglicht es ausgewählten Unternehmen, neue Medikamente in einem drastisch verkürzten Zeitraum von nur ein bis zwei Monaten durch die Zulassung zu bringen – statt der üblichen zehn bis zwölf Monate. Voraussetzung: Das Unternehmen muss laut FDA «US-amerikanische nationale Interessen» unterstützen, wie die FDA vor einigen Tagen mitteilte.
FDA-Kommissar Dr. Marty Makary, seit April im Amt, präsentierte das Programm mit der Begründung, dass durch «einen gesunden Menschenverstand» und ein «teamorientiertes Prüfverfahren» Effizienzsteigerungen möglich seien. Die klinischen Daten sollen dabei vorab eingereicht und dann von einem interdisziplinären Gremium – ähnlich einem «Tumorboard» – in einer eintägigen Sitzung geprüft werden.
«Unser Ziel ist es, mehr Heilmittel und bedeutungsvolle Behandlungen schneller zur amerikanischen Bevölkerung zu bringen», erklärte Makary.
Kritiker sehen jedoch genau darin ein enormes Risiko: Die neuen Regelungen erlauben es Unternehmen, große Teile ihrer Anträge vor Abschluss klinischer Studien einzureichen – ein klarer Bruch mit den bisherigen Standards evidenzbasierter Medizin.
In einem Kommentar im Fachjournal JAMA lobte Makary ausdrücklich das beschleunigte Zulassungsverfahren für COVID-19-Impfstoffe unter «Operation Warp Speed» – ein Modell, das nun offenkundig Schule macht. Bereits dort war die strenge Prüfung durch klassische randomisierte, kontrollierte Studien – dem «Goldstandard» – aufgeweicht worden.
Brisant: Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., der sich noch kürzlich öffentlich für strengere Prüfung von Medikamenten und die Rückkehr zu wissenschaftlicher Integrität ausgesprochen hatte, steht nun in einem offensichtlichen Widerspruch zur Politik seiner eigenen Behörde. Zwar hatte Kennedy bereits in der Vergangenheit seine Zustimmung zu «Warp Speed»-Maßnahmen unter Präsident Trump bekundet – doch der aktuelle Kurs erinnert viele Beobachter eher an industriegetriebene Deregulierung als an Wissenschaft.
Die Pharmaindustrie, seit langem Befürworterin schnellerer Zulassungen, dürfte von der neuen Praxis massiv profitieren. Denn laut FDA wird die Zahl der Vouchers zwar limitiert – aber die Kriterien, welche Unternehmen als «nationales Interesse» gelten, bleiben vage definiert und geben der Behörde breiten Ermessensspielraum.
Kritiker warnen bereits: Diese neue Praxis sei nichts anderes als eine Umgehung gesetzlicher Hürden, wie sie während der Pandemie durch den PREP Act geschaffen wurden. Nun brauche es nicht einmal mehr einen offiziellen Gesundheitsnotstand, um Medikamente im Eilverfahren durchzuwinken. Die amerikanische Bevölkerung werde so faktisch zur dritten Phase klinischer Studien – jedoch ohne klare Aufklärung und Einwilligung.
Was als «gesundheitspolitische Priorität» verkauft wird, könnte sich somit als Freifahrtschein für unzureichend getestete Medikamente erweisen – mit ungewissem Nutzen, aber potenziell fatalen Nebenwirkungen.
Während die FDA die Maßnahme als Durchbruch in Effizienz und Modernisierung verkauft, sehen viele Experten eine dramatische Abkehr von der medizinischen Sorgfaltspflicht. Und damit ein weiteres Kapitel in der zunehmenden Politisierung und Kommerzialisierung von Gesundheitsbehörden.