Es gibt derzeit mutmaßlich keine Beweise dafür, dass, wie Medienberichte behaupten, nordkoreanische Soldaten auf russischer Seite gegen ukrainische Truppen kämpfen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Fakten-Analyse des französischen Senders France 24, die am Samstag veröffentlicht wurde.
Dafür wurden den Angaben nach Fotos und Videos auf Plattformen wie X oder Telegram analysiert, die seit Mitte Oktober die Anwesenheit nordkoreanischer Truppen auf russischem und gar ukrainischem Boden beweisen sollen. Das Ergebnis: «Die meisten davon sind falsch oder nicht überprüfbar.»
Westliche, ukrainische und südkoreanische Medien und Geheimdienste hatten im Oktober gemeldet, dass angeblich bis zu 12.000 nordkoreanische Soldaten nach Russland gekommen seien. Demnach sollen sie auch gegen die Ukraine eingesetzt werden, so unter anderem in der russischen Region Kursk. In diese waren im Sommer ukrainische Einheiten eingedrungen.
Für den ehemaligen Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee und heutigen Botschafter Kiews in Großbritannien, Walerij Saluschnyj, Anlass genug, kürzlich vom Dritten Weltkrieg zu sprechen. Saluschnyj begründete seine Aussage damit, dass die Ukraine längst nicht mehr nur Russland gegenüberstehe, sondern neben China und Iran nun auch Nordkorea. Der amtierende US-Präsident Joseph Biden hatte Berichten zufolge am 17. November seine Erlaubnis an Kiew, weitreichende US-Waffen gegen Ziele in der russischen Region Kursk einzusetzen, mit der angeblichen Anwesenheit von nordkoreanischen Truppen dort begründet.
Als Beweise dafür veröffentlichten südkoreanische Geheimdienste am 18. Oktober unter anderem Satellitenbilder, die Nordkoreaner in russischen Militäreinrichtungen im russischen Fernen Osten zeigen sollen. Dem folgte einige Tage später ein Video unter anderem auf einem russischen Telegram-Kanal, in dem Nordkoreaner auf dem russischen Truppenübungsplatz Sergejewka nahe Wladiwostok zu sehen sein sollen.
Laut dem Sender hat der auf Nordkorea spezialisierte Experte Théo Clément bestätigt, dass die Uniformierten mit einem Akzent sprechen, «der wie der nordkoreanische Akzent klingt». Zu einem von der ukrainischen Nachrichtenagentur Spravdi verbreiteten Video, das ebenfalls von Sergejewka stammen soll, sagte Cleément laut France24:
«Es ist sehr gut möglich, dass das Filmmaterial aus Sergejewka authentisch ist, aber es ist nicht eindeutig.»
Ein anonym bleibender Nordkorea-Experte habe erklärt, dass die Videos «möglicherweise ein Beweis» sein könnten. Er warnte jedoch vor vorschnellen Schlussfolgerungen, da während des Krieges in der Ukraine zahlreiche Falschinformationen verbreitet würden. Deshalb hätten westliche Medien bei den Videos immer darauf hingewiesen, dass sie sich «nicht sicher» sein können.
Die Analyse des Senders macht im Folgenden auf eine Reihe von mutmaßlich gefälschten Videos und Fotos aufmerksam, die angeblich nordkoreanische Soldaten in Russland zeigen. So sei am 22. Oktober auf der Plattform X ein Foto gezeigt worden, das einen nordkoreanischen Söldner zeigen soll.
Der Mann hat unter anderem einen Sticker an seiner Schutzweste, der die nordkoreanische und die russische Fahne zusammen zeigt. Hinter ihm stehen Uniformierte mit einem Bild mit Russlands Präsident Wladimir Putin und dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-Un.
Doch die Behauptungen zu dem Bild seien falsch, so der französische Sender, unter anderem weil das Foto vom 25. Dezember 2023 stamme. Außerdem zeige es einen russischen Offizier koreanischer Herkunft namens Andrej Jurjewitsch Shin, der auch Präsident der Organisation «Rat für russische Veteranen des Korea-Krieges» sei. Im Korea-Krieg kämpften sowjetische Soldaten auf Seiten Nordkoreas, zudem gibt es eine halbe Million Menschen zählende koreanische Minderheit auf dem Gebiet der einstigen Sowjetunion, die Sachalin-Koreaner und die Koryo-Saram.
Ein weiteres angebliches Beweis-Video soll einen Nordkoreaner bei den russischen Truppen zeigen, der seinen großen Hunger stillt. Doch es handelt sich den Angaben nach um einen chinesischen Freiwilligen auf russischer Seite, der er in perfektem Mandarin erkläre, dass er eine Schüssel Nudeln mit Rindfleisch isst.
Ende Oktober tauchten in den sozialen Medien Fotos und Videos auf, die angeblich nordkoreanische Truppen an der Front in Kursk zeigen. «Die meisten davon scheinen jedoch nicht authentisch zu sein», wie die Analytiker des französischen Senders feststellen.
Sie fanden heraus, dass ein Foto, das angeblich einen bei Kursk gefallenen Nordkoreaner zeigen soll, offensichtlich gefälscht ist. Das würden nicht nur Manipulationsspuren am Foto zeigen, sondern auch die falsche Aufschrift auf dem gezeigten angeblichen «Militärausweis» – der in Nordkorea «Militärzertifikat» heiße.
Selbst südkoreanische Medien würden ein Video auf X, das einen bei Kursk schwer verwundeten nordkoreanischen Soldaten zeigen soll, als Fälschung und mögliches Mittel der psychologischen Kriegsführung bezeichnen. Zudem sei es am 31. Oktober veröffentlicht worden, nachdem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen Tag zuvor behauptet hatte, «in ein paar Tagen» setze Russland nordkoreanische Truppen ein.
Als Fälschung werden auch Fotos angesehen, auf denen nordkoreanische Soldaten in einer Feldunterkunft vor Altären mit Porträts der ehemaligen Präsidenten des Landes Kim Il Sung und Kim Jong-Il zu sehen sein sollen. «Diese Fotos der Porträts dieser nordkoreanischen Staatsoberhäupter sind gefälscht», wird Experte Clément zitiert. Kein Nordkoreaner würde diese Fotos in einem schlecht beleuchteten, schmutzigen Raum und vor allem nicht in diesem Winkel aufstellen.»
Ein weiterer Beweis für nordkoreanische Truppen auf russischer Seite soll ein Bild eines Plakates sein, das angeblich sowohl in koreanischer als auch in russischer Schrift nordkoreanische Soldaten vor Plünderungen warnt. Doch auch das wirke unecht, zitiert der Sender den Sprachexperten Fjodor Tertitskiy, da auf dem Plakat die südkoreanische Schreibweise verwendet werde, die sich von der nordkoreanischen unterscheide.
Die Analytiker prüften auch drei Videos, die der ukrainische Journalist Andriy Tsaplienko am 5. November auf seinem Telegram-Kanal teilte, die seiner Aussage nach die ersten nordkoreanischen Soldaten in Kursk zeigen. Zu sehen sind angeblich nordkoreanische Soldaten, die in Kursk trainieren.
Tertitskiy erklärte dazu gegenüber France24, die Videos würden authentisch aussehen, die Soldaten würden aber «Standarduniformen ohne Abzeichen» tragen. Daher sei es nicht möglich, ihre Herkunft festzustellen, ob die Soldaten aus Nordkorea stammen oder nicht. Es sei auch nicht möglich, das Filmmaterial zu geolokalisieren, ob es in Kursk gedreht wurde oder nicht.
Der Analyse zufolge könnten die im Oktober online gestellten Videos aus dem Fernen Osten Russlands tatsächlich nordkoreanische Truppen auf russischem Gebiet zeigen. Die Experten seien jedoch «eher skeptisch, was die Videos angeht, die angeblich nordkoreanische Soldaten an der Front in Kursk zeigen».
Der südkoreanische Geheimdienst habe erklärt, dass die Nordkoreaner am 13. November begannen, für Russland zu kämpfen. Aber die meisten dieser Videos seien schon weit vorher veröffentlicht worden. Sie würden nicht als Beweis für den Einsatz nordkoreanischer Truppen taugen.
Die betreffenden Informationen würden hauptsächlich «von ukrainischen, südkoreanischen und amerikanischen Geheimdiensten» stammen, erklärte demnach Nordkorea-Experte Clément.
«Die Nordkoreaner haben es nicht bestritten. Das beweist zwar auch nichts, könnte aber die Theorie stützen, dass Truppen entsandt wurden.»
Der Sender verweist auf zweideutige Aussagen von nordkoreanischer und russischer Seite. So habe Russlands Präsident Putin die Anwesenheit der Nordkoreaner nicht dementiert. Die ersten Berichte von Waffenlieferungen aus Nordkorea an Russland hätten auch nicht unabhängig überprüft werden können, bis nordkoreanische Granaten auf den Schlachtfeldern in der Ukraine gefunden wurden.
Ab dann seien die entsprechenden Meldungen akzeptiert worden. «Wir werden wahrscheinlich auf dasselbe warten müssen, was die Entsendung von Truppen durch Nordkorea betrifft», zitiert der französische Sender einen Experten.