Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird immer noch von manchen als «Friedenskanzler» missverstanden. Seine aktuellen Äußerungen zu den Aktivitäten der neuen US-Administration unter Präsident Donald Trump für ein Ende des Krieges in der Ukraine zeigen ein weiteres Mal, dass es sich um ein sehr großes Missverständnis handelt. Scholz ist manches, aber kein Kanzler des Friedens.
An dieser Stelle muss ich an den Amtseid erinnern, den nach Artikel 56 des Grundgesetzes auch der Bundeskanzler wie der Bundespräsident und andere Staats- und Regierungsvertreter leistet:
«Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.»
Leider ist jeglicher Verstoß gegen diesen Amtseid, den auch jeder deutsche Beamte leisten muss, nicht strafbewehrt, wie es im Juristendeutsch heißt. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zitierten dazu 2018 aus dem herrschenden beziehungsweise etablierten Kommentar zum Grundgesetz:
«Wie sämtliche Amtseide, die im deutschen öffentlichen Recht vorgesehen sind, ist auch der Amtseid des Bundespräsidenten nicht strafbewehrt, etwa in dem Sinne, dass eine flagrante Verletzung der im Eid übernommenen Verpflichtungen strafrechtlich als Meineid o. ä. gewertet würde.»
Nun also will Kanzler Scholz, dass Deutschland mit einem «Notlagenbeschluss» mehr Geld für die Ukraine und das eigene Militär ausgibt. Der Grund dafür sind nach seinen Worten die Gespräche zwischen US-Präsident Trump und dessen russischem Amtskollegen Wladimir Putin über eine Friedenslösung für die Ukraine.
Scholz beruft sich dabei tatsächlich auf seinen Amtseid, mit dem er geschworen habe, «Schaden vom deutschen Volk abzuwerten» (Schreibfehler im Original der Agenturmeldung). Er begründet das mit der neuen «Realität, die das Handeln und die Ankündigung der US-Regierung für die Ukraine, für Europa und für die Welt bedeuten».
Wenn es nicht so ernst wäre und Konsequenzen für Deutschland und seine Bürger hätte, wäre es zum Lachen: Dieser Kanzler setzt eine das Land und seine Bürger gefährdende Politik fort und beruft sich dabei auf seinen Amtseid.
Warum hat er sich nicht auf diesen berufen, als er am 7. Februar 2022 bei der Pressekonferenz im Weißen Haus neben dem damaligen US-Präsidenten Joseph Biden stand und dieser erklärte:
«Wenn Russland zum Beispiel mit Panzern und Truppen die Grenze zur Ukraine überquert, wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben.
Zusatzfrage: Aber wie genau machen Sie das? Das Projekt ist unter der Kontrolle Deutschlands.
Joe Biden: Ich verspreche Ihnen: Das werden wir schaffen.»
Warum hat Scholz nicht weiter reagiert, als Nord Stream im September 2022 gesprengt wurde, durch die CIA in Zusammenarbeit mit norwegischen Spezialkräften, wie der US-Journalist Seymour Hersh kürzlich erneut erklärte? Warum hat die Bundesregierung bis heute nichts für die Aufklärung dieses Angriffs auf die Souveränität Deutschlands und seine existenzielle Energieversorgung getan, ein Angriff, der den Bündnisfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrages auslösen könnte, wie der ehemalige SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine am Montag in Berlin erklärte?
Welche Rolle spielte der Amtseid des Kanzlers, als die Bundesregierung in einer knappen gemeinsamen Erklärung mit der US-Regierung am 10. Juli 2024 am Rand des Nato-Gipfels in Washington mitteilte:
«Die Vereinigten Staaten von Amerika werden, beginnend 2026, als Teil der Planung zu deren künftiger dauerhafter Stationierung, zeitweilig weitreichende Waffensysteme ihrer Multi-Domain Task Force in Deutschland stationieren. Diese konventionellen Einheiten werden bei voller Entwicklung SM-6, Tomahawks und derzeit in Entwicklung befindliche hypersonische Waffen umfassen. Diese werden über deutlich größere Reichweite als die derzeitigen landgestützten Systeme in Europa verfügen.»
Mit der Stationierung solcher US-Waffensysteme ab 2026 werden zum ersten Mal seit dem Inkrafttreten des INF-Abrüstungs-Vertrags im Jahr 1988 von Deutschland aus wieder Ziele tief in Russland aus bedroht, warnte unter anderem der Journalist Wolfgang Lieb. Und der Militärexperte und ehemalige Bundeswehr-Oberst Wolfgang Richter stellte fest, die angekündigte Stationierung «verändert die strategische Lage Deutschlands». Er warnte außerdem:
«Die erwartbare russische Gegenstationierung nuklearfähiger Raketen wird Deutschland einer erhöhten Gefährdung aussetzen. Die absehbare Eskalation der Spannungen mit Russland wird die Sicherheitslage Deutschlands verändern und das atomare Risiko für Deutschland im Konfliktfall gravierend erhöhen.»
Und nun will Scholz die Gespräche zwischen Washington und Moskau über einen möglichen Frieden für die Ukraine torpedieren, stellt Bedingungen dafür und will Kiew «retten». Warum hat Letzteres die Bundesregierung nicht längst getan? So, indem sie in den letzten drei Jahren mit intensiver Friedensdiplomatie alles ihr Mögliche für ein Ende des Krieges versucht hätte.
Nicht ein Friedensvorschlag kam aus Berlin, nur Drohungen, Waffenlieferungen und Geld für Kiew, um den Krieg fortzusetzen. Nur bei den «Taurus»-Marschflugkörpern zögerte Scholz bis zuletzt, weshalb ihn manche als «Friedenskanzler» missverstehen.
Nein, er ist kein Kanzler des Friedens, wie vielleicht sein Vorgänger Willy Brandt einer war. Er wirkt eher wie eine Gefahr für das Land und seine Bürger, die er zu schützen geschworen hat. Das Problem ist nicht nur, dass er dafür nicht bestraft werden kann, sondern: Was und wer folgt ihm nach dem 23. Februar?
Der Ukraine und den Menschen dort ist zu wünschen, dass es bald Frieden für das Land gibt, ganz unabhängig davon, was in Berlin dazu gedacht und gesagt und gemacht wird. Deutschland und seinen Bürgern ist zu wünschen, dass sich wieder eine Politik durchsetzt, die als einzigen Ernstfall den Frieden ansieht und dem Friedensgebot des Grundgesetzes gerecht wird.
Und ich wiederhole, was ich am 27. Februar 2022 nach Scholz‘ Rede von der «Zeitenwende» schrieb:
«Stoppt die Eskalation! Stoppt die Konfrontation! Sorgt für Frieden in der Ukraine – und mit Russland!»
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