In einer überraschenden Erklärung äußerte sich Dora Bakoyanni, Mitglied des innersten Machtzirkels der griechischen Regierungspartei Nea Dimokratia, kritisch zur Beteiligung ihres Landes am Krieg in der Ukraine. «Wir hätten uns nicht am Krieg in der Ukraine beteiligen sollen», so Bakoyanni.
Dies sagte die inzwischen 70-Jährige, die auch die Schwester von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis und Tochter des verstorbenen früheren Ministerpräsidenten Konstantinos Mitsotakis ist sowie von 2006 bis 2009 Außenministerin war, während ihrer Rede auf der 28. jährlichen Konferenz des Economist Government Roundtable.
Bakoyanni, die während der Junta-Zeit (1967 bis 1974) im Exil in München lebte und deren Ehemann Pavlos Bakoyannis 1989 von der Terrororganisation 17. November ermordet wurde, sprach offen über die Entscheidung der griechischen Regierung, sich an den NATO-geführten Waffenlieferungen an die Ukraine zu beteiligen:
«Wir hätten dort niemals involviert sein sollen. Wir haben gespielt und verloren.»
Diese Worte spiegeln die wachsende Besorgnis über die aktuellen geopolitischen Entwicklungen und die Rolle Griechenlands darin wider, wie zum Beispiel die griechische Plattform Pronews Ende der letzten Woche berichtete.
Die außerhalb Griechenlands ignorierten Aussagen von Bakoyanni kommen zu einem kritischen Zeitpunkt, da die Möglichkeit einer erneuten Präsidentschaft von Donald Trump in den USA immer wahrscheinlicher wird. Bakoyanni betonte, dass sich die Prioritäten der US-Politik unter einer möglichen zweiten Amtszeit Trumps erheblich ändern könnten.
«Ich glaube nicht, dass das Geld in die Ukraine fließen wird», ist sie überzeugt. Dies wirft Fragen über die zukünftige Außenpolitik Griechenlands und deren Auswirkungen auf die Stabilität in der Region auf.
So hat Griechenland historische Verbindungen zum Schwarzen Meer, an dem unter anderem die Ukraine liegt und wo es bis heute eine bedeutende griechische Minderheit gibt, beispielsweise in der südrussischen Stadt Krasnodar und der ukrainischen Stadt Mariupol (siehe hier und hier). Diese historischen Bindungen und die aktuelle politische Situation verdeutlichen, wie komplex die Situation für Griechenland ist, was den Ukraine-Konflikt angeht.
Trotz der unpopulären Haltung in der griechischen Bevölkerung setzt die Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis bedingungslos auf die NATO und lieferte umfangreiche Munitionsbestände an die Ukraine. Brüssel und Washington danken es Athen damit, dass sie keine Fragen stellen in Bezug auf Pressefreiheit und Menschenrechte. Was die Pressefreiheit betrifft, so trägt Hellas mittlerweile in Europa die rote Laterne – nicht etwa Ungarn.
Bakoyanni wies zudem auf die Unsicherheiten hin, die mit den bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen verbunden sind, und darauf, wie diese das geopolitische Gleichgewicht beeinflussen könnten. Sie betonte die Bedeutung der Stabilität in Europa und die Notwendigkeit einer kohärenten und vorausschauenden Außenpolitik.
«Europa steht vor einer Reihe von neuen und alten Problemen», sagte sie und hob die Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen und die Rolle der USA in globalen Konflikten hervor.
Besondere Sorgen bereiten Bakoyanni die Entwicklungen im Nahen Osten, einer Region, die für Griechenland von entscheidender Bedeutung ist. Griechenland hat traditionell als Vermittler zwischen verschiedenen Parteien in der Region agiert und pflegt enge Beziehungen sowohl zu Israel als auch zu den Palästinensern. Bakoyanni unterstrich, dass die zukünftige US-Politik einen erheblichen Einfluss auf die Stabilität und die diplomatischen Bemühungen in der Region haben werde.
«Für uns ist der Nahe Osten extrem wichtig», sagte Bakoyanni und betonte die besondere Position Griechenlands als Vermittler. Und weiter:
«Wir beobachten die Entwicklung und sind besonders besorgt, weil Griechenland, wie Sie wissen, in einer ganz besonderen Position ist. Wir sind aufrichtige Vermittler für die Region, wir sind ein Land, das in der Vergangenheit bewiesen hat, dass wir mit beiden Seiten, sowohl mit Israel als auch mit den Palästinensern, auf effektive Weise kommunizieren können, aber vieles hängt von den USA ab.»
Die Aussagen von Dora Bakoyanni reflektieren die zunehmende Unsicherheit und die Notwendigkeit einer sorgfältigen und durchdachten Außenpolitik, um die Interessen Griechenlands und die Stabilität in der Region zu schützen. In einer Zeit globaler Veränderungen und Herausforderungen bleibt abzuwarten, wie sich die griechische Regierung in Zukunft positionieren wird und welche Schritte unternommen werden, um den zukünftigen geopolitischen Entwicklungen zu begegnen.
Die Äußerungen der erfahrenen Außenpolitikerin Bakoyanni zeigen, dass es erste Risse in der außenpolitischen Einheitsfront gibt. Ihre Stellung als Politikerin und Mitglied einer der wichtigsten Politikerfamilien gibt ihr die Möglichkeit, offener zu sprechen als es ein einfaches Parlamentsmitglied tun könnte.
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