Die Privatuniversität Harvard in den USA gilt landläufig als eine der angesehensten Hochschulen der Welt. Die britische Zeitschrift Times Higher Education wählte Harvard in diesem Jahr zur zweitbesten Universität der Welt und zur besten in Nordamerika. Das 2003 ins Leben gerufene Academic Ranking of World Universities (ARWU) hat Harvard seit seiner ersten Veröffentlichung jedes Jahr als weltweit beste Universität eingestuft.
Doch wenn es um freie Meinungsäusserung geht, ist die Elite-Uni das Schlusslicht. Dies geht aus der jährlichen Rangliste der Foundation for Individual Rights and Expression (FIRE) hervor, die kürzlich ihr jährliches Ranking der US-Hochschulen veröffentlichte. Darin wird bewertet, wie frei sich die Studenten fühlen, wenn sie ihre Meinung äussern. Harvard steht ganz unten auf der Liste von 248 Einrichtungen.
«Harvards Wert von 0,00 ist der niedrigste auf der FIRE-Skala, obwohl der tatsächliche Wert ‹mehr als sechs Standardabweichungen unter dem Durchschnitt› liegt», schreibt das Portal UnHerd.
Für den Bericht wurden landesweit über 50’000 Studenten befragt, wobei das Bewertungssystem auf Faktoren wie «Komfort bei der Äusserung von Ideen», «Toleranz gegenüber Rednern» und «Unterstützung durch die Verwaltung» beruht. Die Colleges wurden auch danach beurteilt, wie häufig und wie streng sie Studenten, Akademiker und Gastredner sanktioniert haben.
«Bestimmte politische Ansichten zu äussern, ist etwas, was man einfach nicht macht», wird ein Harvard-Student zitiert.
Auch andere seiner Kommilitonen teilten diese Meinung. Bei der FIRE-Umfrage erklärten sie, dass sie «zögern, kontroverse Meinungen zu äussern, weil sie befürchten, dass sich die Leute auf sie stürzen». Ein Student antwortete auf die Frage, ob er jemals das Gefühl gehabt habe, auf dem Campus nicht offen sprechen zu können:
«Ich sage lieber nichts dazu, weil das für mich Konsequenzen nach sich ziehen könnte».
Harvards Haltung gegenüber dem freien Meinungsaustausch innerhalb der Studentenschaft hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Der FIRE-Wert der Universität sank von 55,5 im Jahr 2021/22 auf 34,5 im letzten Jahr und nun auf den niedrigsten möglichen Wert.
Wie UnHerd berichtet, gibt es jedoch interne Bemühungen, die Kultur der Intoleranz zu bekämpfen. Im April dieses Jahres schlossen sich über 100 Fakultätsmitglieder dem «Rat für akademische Freiheit» in Harvard an, der von dem kognitiven Psychologen und Schriftsteller Steven Pinker geleitet wird. In einer Missionserklärung betonte der Rat:
«In einigen Institutionen geht die Bedrohung der akademischen Freiheit von einer illiberalen Linken aus, die die Grenzen der akzeptablen Diskussion einschränken will. In anderen geht sie von rechten Politikern aus, die eine einzige Version der Geschichte als Orthodoxie gelehrt haben wollen (...).»
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