Die Financial Times (FT) berichtete am 10. Juli ausführlich über den aktuellen Konflikt zwischen der Schweizer Großbank UBS und dem Schweizer Establishment, insbesondere dem Bundesrat (Landesregierung), der Finanzmarktaufsicht (FINMA) und der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Diese staatlichen Institutionen fordern von der UBS zusätzliches Kapital in Höhe von bis zu 25 Milliarden Franken, um ihre ausländischen Tochtergesellschaften zu stützen.
Der UBS-Präsident, der bullige Ire Colm Kelleher und der CEO, der lebensfrohe Tessiner Sergio Ermotti, wehren sich vehement dagegen, was zu deutlichen Spannungen zwischen beiden Seiten geführt hat.
Die Hintergründe zur CS-Rettung können hier nachgelesen werden. Die Fragen, um die es im Moment geht: Ist die Rettung der CS rechtlich korrekt abgewickelt worden? Und was ist zu tun, damit es nicht wieder passiert, beispielsweise mit der noch viel größeren UBS?
Auf der einen Seite stehen das Schweizer Polit-Establishment und die Bundesverwaltung. Bundesrätin Karin Keller-Sutter, die Schweizer Finanzministerin, die von der FT als eine der einflussreichsten Frauen im Jahr der Rettung der Credit Suisse (CS) bezeichnet wurde, ist nun eine zentrale Gegenspielerin der UBS-Führung. Sie fordert härtere Kapitalauflagen für die Bank und hat die Behauptung aufgestellt, dass das Gehalt eines Bundesrats nicht mehr das Maß aller Dinge sei – eine indirekte Kritik an Ermottis hohem Gehalt.
Auf der anderen Seite steht die UBS-Führung: Kelleher und Ermotti lehnen die Forderungen nach zusätzlichem Kapital entschieden ab. Sie argumentieren, dass die Schweizer Behörden versagt haben, die Credit Suisse zu retten, und jetzt die Verantwortung dafür auf die UBS abwälzen wollen. Ermotti hat kritisiert, dass die UBS nun vom «Retter» zum potenziellen «Problem» gemacht wird.
Nach der Rettung der Credit Suisse durch die UBS, die als ein «Geschenk des Jahrhunderts» für die UBS bezeichnet wurde, ist ein Streit darüber entbrannt, ob die UBS zu groß für die Schweiz sei. Die Behörden und die Wissenschaft, insbesondere die FINMA unter der Leitung des neuen Chefs Stefan Walter, unterstützen die Forderung nach höherem Kapital. Dies stieß bei der UBS-Führung auf scharfe Kritik und führte zu öffentlichen Auseinandersetzungen, die nun auch in der Presse geführt werden.
Interessanterweise in die englische FT näher am Thema dran als die Schweizer Wirtschaftsjournalisten, die, je nachdem mit wem man es zu tun hat, sich meist durch Inkompetenz, undifferenzierte Fundamentalkritik oder zu große Parteilichkeit auszeichnen.
Die Forderung nach mehr Kapital, die von der UBS abgewiesen wird, erscheint mehr als berechtigt und wird von den meisten Beobachtern geteilt. Möglich wäre durchaus auch ein Regime nach dem Vorbild des britischen «Senior Managers and Certification Regime», das Bankmanager stärker in die finanzielle Verantwortung einbindet.
Die Kritik Ermottis, wonach die Schweizer Behörden die CS scheitern ließen und das Problem der UBS weiterreichten, hat etwas für sich. Es gab in der Tat mehrere Möglichkeiten, dieser Bank den Stecker zu ziehen und sie geordnet abzuwickeln – und das nicht erst, als das Vertrauen völlig weg war, Kundengelder täglich im Milliardentakt abflossen und ein akutes Liquiditätsproblem entstand.
Auch die Tatsache, dass die CS nicht nach dem eigentlich dafür geschaffenen «Too big to fail-Regime» abgewickelt wurde, sondern per Notrecht eine Zwangsheirat mit der anderen Schweizer Großbank eingefädelt wurde, verdient durchaus Kritik – nicht nur wegen des exzessiven Gebrauchs von Notrecht in den vergangenen Jahren.
Ein zentrales Problem sind die AT-1 Wandelanleihen, die von der CS als hartes Eigenkapital gehalten und auf Geheiß der Schweizer Regierung auf Null abgeschrieben wurden, um der UBS das Einlenken auf den Deal leichter zu machen. Diese Entscheidung könnte die Schweiz teuer zu stehen kommen, da klagefreudige Investoren versuchen, Entschädigungen durchzusetzen.
Im Prinzip ist es richtig, dass auch Anleihen risikotragend sind. Das wird in Diskussionen oft tabuisiert, führte aber bei Swissair- oder Polly-Peck-Investoren seinerzeit zu einem bösen Erwachen. Die Bedingungen dazu sind jeweils im Kleingedruckten geregelt. Leer ausgegangene Investoren haben nun eine Gruppe gebildet und wollen in verschiedenen Jurisdiktionen gegen dieses Vorgehen klagen. Sie argumentieren, dass die Bedingungen für das Abschreiben dieser Papiere nicht gegeben war, da die Aktionäre nicht einen Totalverlust gewärtigen mussten und ein solches Vorgehen nur für den Fall vorgesehen sei, dass das Aktienkapital erodiert sei. Bei der CS-Pleite habe es sich aber um einen Liquiditätsengpass in Folge von Vertrauensverlust gehandelt.
Dass es ernst wird, zeigt die Tatsache, dass die Investoren offenbar Alt-Botschafter Thomas Borer mandatierten, wie dieser in einem ausführlichen Interview mit der Plattform Inside Paradeplatz kundtat.
Borer hört öfters das Gras wachsen. In den Neunzigerjahren leitete er die Taskforce in Bezug auf die jüdischen Vermögenswerte und früh warnte er vor einem Streit in Bezug auf Rechtshilfe in Steuersachen. Als Schweizer Botschafter in Deutschland war er in den Medien omnipräsent, bis er komplett unwahren Vorwürfen in der Presse zum Opfer fiel. Seither ist er ein hervorragend vernetzter Berater. Er kennt und kannte sämtliche US-Präsidenten bis zurück zu George Bush dem älteren. Seine Warnungen sind also ernst zu nehmen.
Der Bundesrat, die Schweizer Bundesregierung, steht in der Zwischenzeit unter Druck, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass der Deal mit der CS nicht so vorteilhaft für die UBS war, wie es scheint. Milliardenentschädigungen für Investoren wären dem Schweizer Steuerzahler kaum zu verkaufen, nachdem bereits die UBS den großen Reibach gemacht hat.
Die Auseinandersetzung zwischen der UBS und den Schweizer Behörden spitzt sich im Moment weiter zu, wobei beide Seiten fest zu ihren Positionen stehen. Während Keller-Sutter und die Regulierungsbehörden auf härtere Kapitalauflagen drängen, argumentiert die UBS-Führung, dass die Verantwortung für die Fehler bei der CS bei den Aufsichtsbehörden liege. Trotz der hitzigen Debatte vermuten sowohl die FT wie auch Borer, dass am Ende eine pragmatische Lösung gefunden wird, bei der beide Seiten Kompromisse eingehen.
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