Die Riege zeit- und regierungskritischer Künstler wächst. Simon Rosenthal, der in Bamberg lebt und arbeitet, ist eines der neueren Gesichter. Seit 2019 produziert er überwiegend Konzeptkunst, die mit feinen Andeutungen die gesellschaftlichen und politischen Missstände der Gegenwart zum Vorschein bringt. Rosenthal liebt die Pointierung und Provokation, orientiert sich dabei aber seit jeher an Hannah Arendts Konzept der «vita activa». In der Zeit der Cancel Culture gerät aber auch er unter die Räder moralisierender Meinungswächter, die ihn sogar schon bei Behörden denunziert haben. Wie sein Kollege CJ Hopkins musste er sich vor Gericht wegen des Vorwurfs verantworten, mit seiner Kunst angeblich Volksverhetzung betrieben zu haben. Am kommenden Freitag nimmt Rosenthal an einer Podiumsdiskussion teil, bei der es um Kunstfreiheit und -verantwortung gehen wird. Im Interview gibt er einen kleinen Vorgeschmack auf die Veranstaltung und spricht über Zensurpraktiken einiger gesellschaftlicher Institutionen.
Transition News: Herr Rosenthal, am kommenden Freitag nehmen Sie an einer Podiumsdiskussion mit dem Titel «Kunstfreiheit und Kunstverantwortung» teil. Was erwartet die Gäste an diesem Abend?
Simon Rosenthal: Die Gäste erwartet eine hochkarätige Runde mit Protagonisten aus verschiedensten Bereichen. Gemeinsam diskutieren wir vor dem Hintergrund aktueller Politik über Kunst, Freiheit und Kunstverantwortung. Freiheit als allgemeiner, psychologischer, künstlerischer, politischer und juristischer Begriff in Bezug auf unsere verbrieften Grundrechte wird zu diskutieren sein. Ebenso die grassierende Zensur und die juristische Verfolgung von Wissenschaft, Journalismus, Kunst und Kunstschaffenden in Deutschland auch anhand aktueller Beispiele. Ich denke da an meinen eigenen Fall oder an den von CJ Hopkins.
Ebenso wird es um die zensierenden Institutionen gehen, die sich nicht erst seit der Verabschiedung des DSA mehr und mehr verfassungsfeindlich verhalten. Schließlich wird es um die Frage gehen, was Kunst und Künstler und die Gesellschaft hier tun können, sollen und eventuell müssen. Moderiert wird diese komplexe Runde von einer bekannten Persönlichkeit aus dem Bereich gesellschaftlicher und politischer Aufklärung, die jedoch als Überraschung für die Zuschauer gedacht ist.
Sie haben gerade von der «Verabschiedung des DSA» gesprochen. Was meinen Sie damit?
Die Erläuterung möchte ich mit einem Zitat beginnen: «Das Gesetz über digitale Dienste ist eine Verordnung der Europäischen Union, die einheitliche europäische Haftungs- und Sicherheitsvorschriften für digitale Plattformen, Dienste und Produkte schuf. Damit soll die Verbreitung illegaler Inhalte verhindert und Nutzer besser geschützt werden.» So framed man es auf Wikipedia. Tatsächlich handelt es sich um ein gewaltiges Zensurwerkzeug, bei dessen struktureller Potenz selbst Kim Jong Un feuchte Träume bekommen würde.
Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die totale Kontrolle über jegliche Information im Netz im Bereich der EU und damit mittel- und langfristig um jede Information überhaupt. Falschinformationen sollen sofort erkannt und gelöscht werden, Verbreiter von so bezeichneten Informationen sollen dingfest gemacht werden. Zu dem Zweck gibt es in Deutschland immer mehr Meldestellen, sogenannte Trusted Flagger, die im Internet Inhalte sperren und löschen und Strafverfahren anschieben können. Vollkommen intransparent ist, wer da was warum als Fehlinformation bewertet. Der Machtmissbrauch durch diese Leute ist vorprogrammiert, die Asymmetrie zum Souverän gewaltig. Denn wenn der Bürger sich wehren will oder muss, muss er das zu seinen Lasten tun, während die gesamte Struktur, die gegen ihn steht, von seinem Steuergeld finanziert ist.
Das ist Orwells Wahrheitsministerium und es richtet sich fundamental gegen unser Grundgesetz. Niklas Luhmann hat im Zuge der Entwicklung seiner Systemtheorie herausgearbeitet, dass die Massenmedien mehr und mehr von ihrem heterogenen, freien Informationsauftrag in eine Echokammer übergehen, kein Korrektiv und keine Vierte Gewalt mehr sind, sondern Sprachrohre bzw. Sprachrohr mächtiger Interessen, die ein unentrinnbares, alternativlos-wirkendes Weltbild erzeugen. Wir haben in der Corona-Politik am Beispiel der sogenannten «Twitter Files» gesehen, wie weit diese Machtstruktur auf globaler Ebene schon gediehen ist. Nun ist die EU dazu übergegangen, alle größeren sozialen Netzwerke und auch Messengerdienste im europäischen Raum zu kontrollieren und eben nach Bedarf zu zensieren. Noch sind die Kunstfreiheit, die Meinungsfreiheit, die Freiheit von Forschung und Lehre, das Recht auf körperliche Unversehrtheit etc. zumindest im Quellcode unserer Gesetzgebung zu finden, und wir können sie zum Teil geltend machen.
Gesetze wie der DSA sind meiner Meinung nach nichts anderes, als Teile struktureller Kriegsvorbereitung. Wer die Meinungen, die Informationen und Emotionen der Bürger Europas kontrollieren kann, kann und wird diese Formierung eines Tages für seine Zwecke nutzen. Wem jetzt wieder mal der Kampfbegriff Verschwörungstheorie durch den Kopf schwirrt: Es handelt sich hierbei um simple systemtheoretische und diskursanalytische Erwägungen. Aber wer befasst sich heute schon noch damit, sich eine Theoriebasis zu erarbeiten? Auch das sehe ich als eine Folge der überbordenden Macht und Präsenz der Massenmedien.
Sie haben gerade die juristische Verfolgung erwähnt, von der Sie selbst betroffen sind. Können Sie bitte ganz kurz erklären, was Sie erlebt haben?
Ich habe im August 2021 ein Kunstwerk auf Instagram veröffentlicht, für das ich seit 2022 in einem Strafverfahren stecke. Das Kunstwerk heißt «German Mutant» und ist Teil der «Chinavirus-Serie», einer Reihe künstlerisch modifizierter Chanel-Flakons. Mit «German Mutant» nahm ich Bezug auf die sich immer weiter zuspitzende Pseudoreligion «Covid», die sich in diesem Zuge ereifernden Politiker und Künstler und den Verfall von Sprache, Empathie und Kultur.
Auslöser jener Veröffentlichung, für die ich angezeigt wurde, war der Twitter-Beitrag vom CSU-Landtagsabgeordneten Thomas Huber, der in einem Post, bei dem er heftig fürs Impfen warb, den Hashtag #ImpfenMachtFrei verwendete. Er war die traurige Stilblüte einer sprachlichen und geistigen Dekadenz, die ja in dem Buch «Ich habe mitgemacht: Das Archiv des Corona-Unrechts» dokumentiert ist.
Viele politische, mediale, kulturelle und institutionellen Protagonisten haben sich in der Coronapolitik eigentlich vollkommen selbst deklassiert, weil sie faschistoide Sprache und zum Teil offen faschistische Konzepte und Statements abgegeben haben. Die Zuspitzung dieser Entwicklung habe ich damals als ausgesprochen schmerzhaft und enttäuschend erlebt. Ich hatte ständig Angst vor der kollektiven Dynamik, die da entstand, was mich immer wieder auf die Totalitarismus-Analysen von Hannah Arendt und Theodor W. Adorno brachte.
Könnten Sie das kurz im Zusammenhang erläutern?
Beide haben an zentralen Punkten ihrer Arbeit benannt, dass man nur dann etwas gegen solche Entwicklungen tun kann, wenn man Phänomenologie und Soziologie daraus destilliert und offen und ohne Angst anspricht. Formierungen von Massengesellschaften zum Totalitarismus sind nämlich jederzeit und über jede Ideologie, jedes Narrativ möglich, wenn sie massenmedial getragen werden.
Und anders, als es heute die populäre Auffassung zu sein scheint, hat demnach Totalitarismus auch keine festgeschriebene Parteizugehörigkeit. Diejenigen, die sich in Überlegenheitsgefühlen aalen und überzeugt sind, die «Guten» und die «Mehrheit» zu sein, sind hier am gefährdetsten, die «Bösen» zu werden. Das zu meinem gedanklichen Hintergrund. Ich weise darauf hin, dass meine Quellen anerkannte jüdische Autoren sind – auch wenn Adorno später zum Protestantismus konvertierte.
Irgendwer hat mir jedenfalls damals kurz Hubers Tweet gezeigt. Da haben bei mir alle Alarmglocken geschrillt und ein paar Tage später habe ich, im Bewusstsein, dass genau für so einen Fall Grundgesetze wie die Kunstfreiheit nach Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetz geschaffen wurden, die beklagte Arbeit veröffentlicht, um einen Diskursraum über die gesellschaftliche Fehlentwicklung zu eröffnen, als deren deutlichen Indikator ich Landtagsabgeordneten Huber sah. Dass er seinen Post schon sehr bald wieder gelöscht hatte, weil er Gegenwind bekam, habe ich tatsächlich erst lange danach erfahren. Ich hatte nämlich regelrecht phobische Angst vor diesem Menschen und – zum Glück auch bis heute – kein X beziehungsweise Twitter. Ich wüsste allerdings auch nicht, warum eine Löschung des Tweets den Tatbestand Hubers und meine Angst vor der gesellschaftlichen Fehlentwicklung entkräften sollte. Mich hat er jedenfalls verhetzt!
Mit fadenscheinigen Beteuerungen hat er sich offenbar damals aus der Sache herausgeredet, in der Art, er habe «nicht gewusst» oder «aus Versehen». Das wäre – meiner Meinung nach – fast noch schlimmer, weil es bedeuten würde, dass ihm das Geschichtsbewusstsein und damit ein ethisches Fundament völlig fehlt.
Bis heute ist mir nicht bekannt, ob er jemals strafrechtlich dafür belangt wurde. Hier liegt der Verdacht sehr nahe, dass mit zweierlei Maß gemessen wird:
Politiker einer Partei, die man zu den «Guten» zählt, winkt man durch. Opponierende Künstler verfolgt man.
Angezeigt hat mich übrigens auch kein «couragierter Bürger», sondern jener, im Zusammenhang mit dem DSA erwähnte «Trusted Flagger»: Die Meldestelle «Respekt». Und obgleich ich eine Rechtschutzversicherung habe, zahlt diese höchstens die Kosten für meinen Anwalt – wenn ich gewinne. Die Versicherung teilte mir mit, dass sie beim Vorwurf der «Volksverhetzung» von Vorsatz ausginge.
In der Tat. Lassen Sie uns zu der Podiumsdiskussion am Freitag zurückkommen. Der Titel der Veranstaltung enthält zwei Begriffe, die viele Fragen aufwerfen. Fangen wir doch mit dem zweiten an. Welche Verantwortung hat die Kunst in der Gesellschaft?
Ich möchte hier eigentlich nichts vorwegnehmen. Nur so viel: Die Kunstfreiheit IST die Kunstverantwortung.
Welche Verantwortung übernehmen Sie selbst in Ihrer künstlerischen Praxis?
Die Kunstfreiheit anzuwenden. Denn Freiheit «hat» man nicht – man muss sie üben, sie geistig kultivieren, sie leben – sie sein. Damit ist man allerdings meist automatisch in einer Oppositionsrolle zum Mainstream, ohne dies zu forcieren. Mainstream ist das Gegenteil von Freiheit, und genau deshalb braucht die Gesellschaft Künstler – um überhaupt noch auf andere Gedanken zu kommen und nicht im geschlossenen Weltbild zu vergammeln. In dieser künstlerischen Praxis ist eigentlich unendlich Platz für alle Künstler. Denn niemand kann alle Themen gleichzeitig bearbeiten. Die Individualität bringt spezifische Grenzen dessen mit sich, was man als wichtig erachtet, was «einen angeht».
Der erste Begriff im Titel bringt ein Freiheitsrecht zum Ausdruck, das viele momentan in Gefahr sehen. Für wie frei schätzen Sie die Kunst momentan ein?
«Die Kunst» gibt es nicht. Es gibt verschiedene Künstler, verschiedene Künste, verschiedene Kunstbegriffe und verschiedene Werke. Allerdings haben wir in der Vergangenheit äußerst fette Jahre gehabt, mit einer ausufernden Förder- und Stipendienlandschaft und einer brummenden Wirtschaft. Alles war möglich und damit war alles egal. In diesem Milieu hat sich keine Sau mehr für Freiheit interessiert, sondern Kunstfreiheit wurde mit «künstlerischer Freiheit» gleichgesetzt. Da starb die Freiheit. Nun sind die fetten Jahre vorbei. Da wird sie – hoffentlich – wiedergeboren, oder auch noch vergessen. Das wäre allerdings das Schlimmste.
Der Untertitel der Veranstaltung lautet «Ars quo vadis». In welche Richtung geht die Kunst Ihrer Meinung nach?
Das ist schwer zu pauschalisieren. Es ist eine Frage, wohin man schaut. Im Mainstream deutscher Medien-, Kunst- und Kulturinstitutionen gibt es, wie schon gesagt, keinen echten Begriff von Freiheit, weil diese Strukturen sich nur dadurch erhalten, dass sie sich der jeweils aktuellen Politik andienen oder ihr zumindest nicht widersprechen. Sie sind darin selbstreferenziell und selbstreproduzierend.
Abgesehen von dieser meist staatlich finanzierten Szene gibt es allerdings eine Menge privater und/oder alternativer Initiativen und Positionen, die meist das Individuum in den Vordergrund stellen, wie es die europäische Geistes- und Kulturgeschichte hervorgebracht hat. Bazon Brock, einer der wichtigsten Intellektuellen Deutschlands, hat in diesem Zusammenhang den Begriff der «Autorität durch Autorenschaft» geprägt. Kraft seiner Schöpfung wird der Künstler, der niemandem dient, zur Autorität. Und diese ist uns im Verlauf unserer Geschichte so wertvoll geworden, dass wir sie mit der Kunstfreiheit im Grundgesetz verankert haben. Wie gesagt: Ich setze auf die Wiedergeburt der Freiheit.
Sie haben vorhin von «grassierender Zensur» gesprochen. Wie weit ist diese in Deutschland vorangeschritten und wie lässt sie sich fassen?
Ich würde hier mal meinen Fall und den von CJ Hopkins indikativ sehen, weil die Kunstfreiheit eines der nobelsten und am stärksten bewährten Grundrechte ist, die wir haben: Wenn unsere Kunstwerke am Ende unserer Prozesse tatsächlich zensiert beziehungsweise verboten werden sollten, wäre das ein deutliches Indiz dafür, dass politische Agenden unser Grundgesetz schleifen, dass sich in den Institutionen die Verfassungsfeindschaft eingefressen hat. Damit wäre die Zensur auf dem Vormarsch.
Aber umso lauter wird der Ruf nach Freiheit werden, weil «das weiche Wasser in Bewegung mit der Zeit den mächt´gen Stein besiegt». Und genau darum geht es: Um Bewegung. Brechts Lao Tse ging in seinem berühmten Gedicht zum Tao Te King ja selbst im hohen Alter nochmal auf Wanderschaft, als sich der Staat im Niedergang befand. «Zensur marschiert, Freiheit wandert». Die Idee zu diesem Untertitel Ars quo vadis? kam übrigens von Diether Dehm.
An der Podiumsdiskussion nehmen nicht nur Künstler wie Sie teil, sondern auch Vertreter anderer Disziplinen, unter anderem der Jurist Alexander Christ und der Mediziner Christian Schubert. Inwiefern fällt das Thema Kunst auch in ihre Bereiche?
Allen Teilnehmern ist ein großes Interesse am Thema Kunst gemein – nicht nur an der Bildenden Kunst. Aus Beuys’ «Erweitertem Kunstbegriff» wird deutlich, dass zwar nicht jeder Mensch ein klassischer Maler, wohl aber jeder Mensch ein Künstler ist. Das bedeutet, dass jedes Leben in seinem direkten Vollzug Kunst ist, ob wir es wollen oder nicht. Das Wirken gestaltender Kräfte hinter den Phänomenen der Welt bewusst wahrzunehmen, ist nicht nur ein wichtiger Topos der westlichen Kunst und Kultur, sondern auch in eigentlich allen anderen Bereichen des Lebens sehr bereichernd und relevant.
Schubert, der ja Mediziner und Psychologe ist, kann zum Beispiel aus formanalytischer Betrachtung von Leben und Werken seiner Patienten sicher mehr über sie erfahren, als wenn er ausschließlich Laborbefunde betrachten würde. Selbiges gilt sicher auch für den Juristen Alexander Christ. Jeder hermeneutische Ansatz braucht einen Ansatzpunkt bzw. eine Fragestellung, der man nachgeht und sie im Verlauf des Prozesses, oft aleatorisch, weiterentwickelt, hin zu einer Form, die innerlich schlüssig ist. Auch wenn man nicht hauptberuflich Künstler ist oder sich so nennt: Die Auseinandersetzung mit Kunstwerken, das Bewusstmachen gestalterischer Prozesse oder die bewusste künstlerische Tätigkeit können sehr produktiv sein.
Was erwarten Sie von der Diskussion?
Ich persönlich wünsche mir, dass wir alle – auch und vor allem unser Publikum – in einen dynamischen, vielleicht sogar interaktiven künstlerischen Prozess kommen, der uns gegenseitig inhaltlich und spirituell bereichert. Das bedeutet allerdings nicht, dass unbedingt Torten oder Tomaten auf der Bühne landen müssen. Unser Überraschungsmoderator – oder Moderatorin – wird sicher alle Hände voll zu tun haben.
Das Gespräch führte Eugen Zentner.
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8. November 2024, 18 bis 21 Uhr
Ort: Bürger- und Kulturhaus «bosco», Oberer Kirchenweg 1, 82131 Gauting
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