Am Abend des 13. März 2025 erhitzte ein Vorfall im Kennedy Center in Washington die Gemüter: Der US-Vizepräsident J. D. Vance, der zusammen mit seiner Frau die Veranstaltung des griechischen Geigers Leónidas Kavakos und der National Symphony Orchestra besuchte, wurde mit lauten Buhrufen und Protesten empfangen. Der Grund für die Ablehnung des Politikers lag in den politischen Eingriffen von Donald Trump in den Kultursektor der Vereinigten Staaten, darunter die Entlassung der gesamten, «woken» Leitung des Kennedy Centers und die Einsetzung des konservativen Richard Grenell in leitende Positionen dieser Institution.
Kavakos, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf die Bühne gegangen war, erlebte die Reaktion des Publikums aus der Ferne.
«Ich war schockiert, als ich die Stimmen und die Buhrufe hörte. Es ist sehr ungewöhnlich, so etwas in einem Konzertsaal zu erleben», gesteht der Geiger im Gespräch mit protothema.gr.
Der Vorfall löste Diskussionen darüber aus, ob solche Proteste in einem kulturellen Rahmen legitim sind. Für Kavakos ist die Antwort klar:
«Es ist nicht richtig, in einem Konzertsaal politische Proteste zu führen. Auch wenn man im Recht ist, verliert man dadurch das Ziel, das man erreichen möchte. Ein Konzertsaal ist ein heiliges Gebiet für die Kunst, nicht für politische Meinungsäußerungen.»
Eine Intervention wie diejenige der Trump-Regierung sei ungewöhnlich in den USA, während in Europa praktisch überall die Leitung von subventionierten Kulturinstitutionen durch politische Gremien vergeben würden, was sich dann auch in Ausrichtung dieser Kulturinstitutionen zeigen würde. Der Musiker betont, dass solche öffentlichen Versammlungen, die der Kunst dienen, Orte der Kommunikation und des kulturellen Dialogs sein sollten.
«Konzertsäle sind Plätze, an denen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder politischen Überzeugung zusammenkommen können, um sich mit Kunst zu verbinden», erklärt Kavakos.
Er setzt sich vehement dafür ein, dass politische Differenzen nicht in den Kunstbereich hineingetragen werden sollten. Kavakos:
«Wenn man zu einem Konzert kommt, geht es um das Erleben der Musik und der Kunst, nicht um politische Streitigkeiten. Derartige Proteste setzen die gesamte Veranstaltung in Frage und lenken von ihrer ursprünglichen Bedeutung ab.»
Neben dieser Ablehnung von politischen Aktionen in Kunstveranstaltungen äußert Kavakos auch seine Besorgnis über die zunehmende staatliche Einflussnahme auf den Kultursektor. Die Intervention von Trump, der Kunstinstitutionen nach eigenen politischen Vorstellungen umgestaltet, stellt für Kavakos einen gefährlichen Trend dar.
«Es ist bedauerlich, dass der Kultursektor nicht genügend wirtschaftliche Unabhängigkeit hat, um sich selbst zu finanzieren, ohne auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein», gibt der Geiger zu bedenken. «Allerdings kann man in einer idealen Welt erwarten, dass Kulturinstitutionen vollkommen unabhängig sind. Doch in der heutigen Realität, wo der Kultursektor auf staatliche Mittel angewiesen ist, kommt es zwangsläufig zu politischen Eingriffen.»
Trotz dieser schwierigen Lage ist Kavakos der Meinung, dass die Kunst als ein Instrument der Vereinigung in Zeiten politischer Spannungen dienen sollte. Im Interview kritisiert er zum Beispiel auch die Tatsache, dass westliche Künstler nicht mehr in Russland auftreten.
«In der Kunst geht es nicht um den Einzelnen, sondern um die Gemeinschaft. Kunst ist die letzte Hoffnung der Menschheit, um Brücken zwischen den Menschen zu bauen und die Unterschiede zu überwinden», betont er.
Der Geiger führt aus, dass er sich in der heutigen Zeit zunehmend besorgt zeigt über den zunehmenden Einfluss politischer Interessen auf die Kunst.
«Kunst ist ein universelles Gut. Sie verbindet die Menschen über kulturelle, religiöse und nationale Grenzen hinweg. Wenn Politik und Kunst miteinander vermischt werden, verliert die Kunst ihren universellen Charakter.»
Ein weiteres Thema, das Kavakos in seinem Gespräch ansprach, war der zunehmende Trend, kulturelle Institutionen und Kunstwerke zu politisieren und zu zensieren. Im Bezug auf die kürzlich stattgefundene gewaltsame Reaktion auf eine Ausstellung in der Nationalen Pinakothek in Athen, bei der ein gewählter Politiker in einer aggressiven Weise gegen Kunstwerke vorging, zeigt sich Kavakos besorgt über diese Entwicklung.
«Die Freiheit der Kunst muss verfassungsrechtlich geschützt werden», sagt Kavakos. «Jeder Künstler hat das Recht, seine Gedanken und Gefühle durch seine Werke auszudrücken, und diese Freiheit sollte nicht durch Gewalt oder Zensur eingeschränkt werden.»
«Die Kunst soll Fragen aufwerfen und das Denken anregen. Wenn jemand gegen ein Kunstwerk gewaltsam vorgeht, dann ist das eine Form von Intoleranz und eine Reaktion, die weder geistig noch reif ist», sagt der Musiker.
In diesem Kontext spricht er von der Verantwortung der Künstler, in ihren Werken nicht nur ihre eigene Perspektive zu vermitteln, sondern auch die Gesellschaft zur Reflexion zu anregen. Zwischen Freiheit des Künstlers und Verantwortung gäbe es eine feine Linie. Er spielte wohl darauf an, dass es sich bei diesen Kunstwerken um Bilder von stark blasphemischem Charakter gehandelt hat, deren einziger Zweck wohl war, gegen das Christentum vorzugehen und die – staatlich subventioniert – ausgestellt wurden.
«Die Freiheit der Kunst ist fundamental, aber sie muss in einem angemessenen Kontext und mit einer klaren Intention geäußert werden. Es geht nicht darum, Kunst wahllos zu schaffen, sondern mit einem bewussten Ziel und einer klaren Botschaft», erklärt Kavakos.
Für ihn stellt sich die Frage immer: «Warum möchte ich dieses Werk schaffen? Was will ich damit erreichen?»
Abschließend spricht Kavakos über die Ursachen von Gewalt und politischer Spaltung in der Gesellschaft, die er in der mangelnden Förderung der geistigen Bildung sieht.
«Die größte Versäumnis der Regierungen ist, dass sie die Menschen nicht geistig und kulturell fördern. Wir leben in einer Welt, die von ökonomischen Interessen dominiert wird und in der die Menschen eher dazu erzogen werden, dieses System zu unterstützen, anstatt es zu hinterfragen», sagt Kavakos.
Er fordert eine stärkere Betonung der Kunst und Bildung als Mittel, um eine vereinte Gesellschaft zu schaffen und die politischen Spannungen zu überwinden.
«Die wahre Kunst hat die Aufgabe, die Menschheit zu (…) vereinen. Alles, was teilt und trennt, hat nichts mit echter Kunst zu tun», schließt Kavakos.
Damit spielte er sowohl auf die Ereignisse in Washington wie in Athen an.
Durch seine Aussagen unterstreicht Kavakos die zentrale Rolle, die Kunst und Kultur im modernen Leben spielen – als Mittel der Verständigung und des Dialogs, die weit über politische Differenzen hinausgehen.