Ein weiterer an die ukrainische Armee gelieferter deutscher Leopard-Panzer wurde russischen Meldungen zufolge bei Saporoschje zerstört. Laut der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti soll er eine deutsche Besatzung gehabt haben, wie die Agentur am Freitag meldete. Auch das Onlinemagazin RT DE brachte die Nachricht.
Danach sollen russische Aufklärer den Panzer mit einer Panzerabwehrrakete vernichtet haben. Als sie das Wrack durchsucht haben, hätten sie zwei Besatzungsmitglieder tot und den Fahrer des Panzers verwundet vorgefunden.
Der Verwundete habe erklärt, dass er Deutsch spreche und kein Söldner, sondern ein Bundeswehrsoldat sei. Die gesamte Besatzung hätte zur «selben Kompanie» gehört. Er habe den russischen Aufklärern die Brigade, zu der er gehöre, und deren Standort genannt.
Aufgrund seiner Verwundungen sei er aber trotz der geleisteten Ersten Hilfe verstorben, heisst es. Der Aufklärer, der der Nachrichtenagentur von dem geschehen berichtete, habe sich überrascht gezeigt, einen Deutschen in dem Panzer zu finden.
Die Nachricht hat am Wochenende im Internet und auf Plattformen wie Telegram für Aufsehen und Debatten gesorgt. Eine offizielle Aussage etwa der russischen Armee oder von deutscher Seite ist derzeit nicht bekannt.
Bisher ist nicht klar, ob es sich tatsächlich um eine rein deutsche Besatzung des Panzers gehandelt hat. Ebenso ist nicht klar, ob es sich bei dem Panzerfahrer um einen deutschen Freiwilligen aus der Bundeswehr oder einen in die Ukraine kommandierten Soldaten handelte. Die zitierten Aussagen lassen keine klaren Schlussfolgerungen zu.
Laut der österreichischen Online-Zeitung Exxpress ist die Meldung in Italien von dortigen Medien aufgegriffen worden, so unter anderem von RAI News. Der Vorwurf, dass nun angeblich deutsche Bundeswehr-Soldaten an Kampfhandlungen in der Ukraine gegen Russland beteiligt seien, könnte eine gezielte Provokation der russischen Propaganda sein.
Experten hätten andererseits online diskutiert, «dass ein an der Kontaktlinie beschädigt zurückgelassener, aber fahrbereiter Leopard 2 von einem deutschstämmigen Mechaniker-Team abgeholt werden sollte – und diese Bergungs-Crew dann von der russischen Armee überrascht worden ist», so Exxpress. Es werde sich bald zeigen, wer die Wahrheit sagt:
«Falls tatsächlich deutsche Soldaten in dem Leopard-2-Panzer waren und diese gefallen sind, dann werden russische Medien schon sehr bald die Papiere oder die Erkennungsmarken dieser Toten präsentieren.»
Der deutsche Journalist Florian Rötzer bezeichnete in einem Beitrag am Freitag im Overton Magazin den russischen Bericht als «kaum glaubwürdig».
«Für die als Nachricht aufgemachte Erzählung ist gut, dass es keine Überlebenden gegeben haben soll. Weil auch sonst nichts über die angeblich deutschen Bundeswehrsoldaten mitgeteilt wird und es auch keine Bilder gibt, lässt sich die Behauptung auch nicht überprüfen.»
Rötzer schreibt, es bleibe abzuwarten, ob von russischer Seite weitere belastbare Informationen kommen würden. Bis dahin sei «von einer Falschinformation, auf jeden Fall von einer Halbwahrheit» auszugehen.
Er vermutet, dass mit der Nachricht von russischer Seite bezweckt werden könnte, «alte Ängste vor Deutschen zu reaktivieren, zumal erwartet werden kann, dass die Bundesregierung nun doch Taurus-Raketen in die Ukraine liefern wird, nachdem auch die USA ATACMS liefern will».
Sollte sich die Nachricht als wahr herausstellen, könnte sie zeigen, wie tief Deutschland in den Krieg in der Ukraine verstrickt ist. Die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti wies in ihrer Meldung darauf hin, dass Aussenminister Sergej Lawrow bereits 2022 klarstellte, dass die USA und die Allianz direkt in den Konflikt verwickelt seien – nicht nur durch die Lieferung von Waffen, sondern auch durch die Ausbildung von Personal auf dem Gebiet des Vereinigten Königreichs, Deutschlands, Italiens und anderer Länder.
Fakt ist, dass ehemalige Bundeswehr-Soldaten bereits auf Seiten Kiews im Einsatz waren und sind, wie Medienberichte bestätigen (siehe unter anderem hier und hier). Jonas Kratzenberg ist der bekannteste von ihnen, nachdem er ein Buch über seinen Einsatz geschrieben hat.
Mehrfach wurde von Experten seit Beginn der westlichen Waffenlieferung an die Ukraine darauf hingewiesen, dass es möglich sein könnte, dass mit den Waffen auch Personal aus der NATO mitgeschickt wird. So wurde bei einer Veranstaltung der Diplomatischen Akademie am 27. Januar dieses Jahres darauf aufmerksam gemacht.
Ein Teilnehmer fragte zu den Waffenlieferungen (im Video ab Minute 1:14:17):
«Wer besetzt alles diese Panzer? Kann die Ukraine dort das Personal stellen oder wird es doch so sein, dass NATO-Soldaten das dann praktisch bedienen müssen?»
Er fragte auch noch nach der Zahl der NATO-Soldaten in der Ukraine.
Der österreichische Generalstabsoberst Markus Reisner antwortetet darauf (im Video ab Minute 1:15:51):
«Sie brauchen keine NATO-Soldaten in die Ukraine schicken. Ich ziehe meine Uniform aus, unterschreibe einen Vertrag und gehe in die Ukraine. Ich bin kein Angehöriger der österreichischen Streitkräfte mehr, sondern ein Vertragsbediensteter. Das ist die Lösung.»
Deshalb gebe es eine hohe Zahl von ausländischen Söldnern in der Ukraine, «aber nicht von NATO-Soldaten», so Reisner. Vielleicht ist das auch eine mögliche Erklärung für den Deutschen am Steuer des abgeschossenen Leopard 2 in der Ukraine. Dieser habe es bereut, «dass er sich bereit erklärt habe, hierher zu kommen», heisst es im russischen Bericht vom Freitag.
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