Wie Wissenschaftler, Politiker und Sachbuchautoren müssen auch Künstler ihre Themen suchen. Das Angebot ist zweifellos reichhaltig, doch nicht jedes verspricht den gleichen Erfolg. Wer thematisch dem Zeitgeist folgt und vielleicht auch noch die herrschende Meinung stützt, bekommt Aufmerksamkeit. Im umgekehrten Fall wird schnell die Nase gerümpft.
Die Beschäftigung mit Tabuthemen zieht schnell Diffamierung und Ausgrenzung nach sich. Der Künstler Frank J. Schäpel ist an ihnen trotzdem interessiert, gerade an ihnen. Der Berliner fasst heiße Eisen an. Er geht dorthin, wo nur ganz wenige bislang waren. Er wagt, das malerisch zur Sprache zu bringen, worüber allgemein geschwiegen werden soll.
Im Herbst letzten Jahres stellte er in der Leipziger Galerie Zentrale Randerscheinung Gemälde und Zeichnungen der letzten Jahre aus. «Realitäten» lautete der Titel der Ausstellung. Sie befasste sich mit geschichtlichen Ereignissen, gegenwärtigen gesellschaftlichen Verwerfungen und religiösen Phänomenen. Zu sehen waren Bilder zur Corona- und Migrationskrise, zu Gewalt von Polizei und Migranten.
Interesse an Anomalien
Doch sein Themenspektrum ist größer, als die Ausstellung vermuten ließ. Schäpel interessiert sich für Anomalien, vor allem für UFO-Phänomene und Marienerscheinungen, wie Visionen bezeichnet werden, bei denen sich die Mutter Jesu gezeigt hat – zumindest nach Berichten der Betroffenen. Die meisten tun dies als Spinnerei ab, als Themen, über die sich das Nachdenken nicht lohnt.
Schäpel kann ihnen aber durchaus etwas abgewinnen: «Man lernt dadurch am meisten über Realitäten», sagt er, «auch weil sich blinde Flecken auftun.» Die Auseinandersetzung mit jenen Anomalien erfolgt nicht im stillen Kämmerlein, sondern in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen. Schäpel ist sogar in einem UFO-Verein, in dem man sich diesem Phänomen mit äußerster Seriosität widmet.
Schäpels Werdegang
Unkonventionalität und wissenschaftliches Interesse: Diese Merkmale lassen sich bereits in der Frühphase seines künstlerischen Schaffens erkennen. Mit 15 traf Schäpel die Entscheidung, Kunst zum Beruf zu machen. Dafür brach er sogar das Gymnasium ab. Zunächst erlernte er das Handwerk autodidaktisch, schrieb sich dann an der Hochschule für Künste in Bremen ein, um das Studium kurze Zeit später abzubrechen.
Er habe es als nicht zielführend empfunden, erklärt er heute. Nach sieben Jahren wagte er einen weiteren institutionellen Versuch, dieses Mal an der Berliner Universität der Künste und dann auch noch in der Klasse von Georg Baselitz. Schäpel beschreibt diese Zeit als prägend. Er habe viel gelernt, nicht zuletzt auch deswegen, weil es sich mit seinem Lehrer gut und konstruktiv streiten ließe.
Um ein besseres Verständnis des menschlichen Körpers und des medizinischen Blicks zu bekommen, nahm er mehrere Semester lang an Präparierkursen am Anatomischen Institut der Humboldt-Universität teil. 2009 fing er schließlich an, jene Anomalien zu erforschen. Diese widerlegten einige der heute allgemein anerkannten Grundannahmen und Theorien und forderten somit ein neues Weltbild, begründet er sein Interesse.
Skepsis gegenüber Mainstream-Wahrheiten
Die Auseinandersetzung mit Anomalien hätte seinen Blick auf die Wissenschaften und das Verhältnis von Geist und Materie grundlegend verändert. Das ist vermutlich auch der Grund für seine grundsätzliche Skepsis gegenüber allen Wahrheiten, die aus den Lautsprechern des Mainstreams proklamiert werden. Sonst wären nicht so viele Bilder entstanden, die unschöne Ereignisse und Aspekte rund um die Corona-Politik zeigen, anstatt sie zu verbergen.
Das wohl bekannteste ist das Werk mit dem Titel «Woman arrested for breaking corona quarantine», ein geradezu ikonisches Bild, das der Publizist Milosz Matuschek sogar als Cover für sein Buch «Wenn’s keiner sagt, sag ich’s» gewählt hat. Schäpel bezieht sich hier auf den wahren Fall einer Surferin, die im spanischen San Sebastián wegen Verstoßes gegen die Corona-Maßnahmen verhaftet wurde.
Woman arrested for breaking corona quarantine. 7.9.2020 San Sebastian, Bay of Biscay, Spain/ 2020 / Öl/Lw 80 x 80 cm / Privatsammlung; Frank J. Schäpel
Auf dem Bild sitzt sie in Handschellen hinter dem Rücken und mit einer Medizinmaske über Mund und Nase am Strand, während drei Polizisten in Schutzanzügen sie umkreisen, als wäre sie eine gemeingefährliche Verbrecherin. «Collapsed Suddenly» zeigt hingegen mehrere Skilangläufer, die im Schnee liegen. Das Bild spielt auf die Herzprobleme vieler Sportler an, die nach der Corona-Impfung beim Wettkampf umfielen (siehe Titelbild).
Ein anderes Werk thematisiert die «Zero-Covid-Politik» in China. Auf der einen Seite sind Menschen zu sehen, die vor einem Testzentrum warten oder getestet werden, auf der anderen erstreckt sich ein riesiges Quarantäne-Camp in der südlichen Metropole Guangzhou. Schäpel greift aber auch Phänomene auf, die allgemein unbekannt sind, selbst bei Maßnahmenkritikern. Dazu gehören etwa anomale Blutgerinnsel, die in den Blutgefäßen der Geimpften gefunden wurden.
ZERO COVID/ 2022 / Manga; Frank J. Schäpel
Anomalous ’blood’ clots of a Covid-19 ’vaccinated’ corpse/ 2022 / Öl/Lw 47 x 74 cm; Frank J. Schäpel
Im Stil der Dokumentarmalerei
Schäpels Bilder kommentieren nicht, sie lassen die Realität selbst sprechen. «Dokumentarmalerei» nennt der Künstler seinen Stil. Er benutze eine figurative Formensprache und ziele auf die Dokumentation eines Teils der Realität ab, ohne sie zu interpretieren. Dennoch ergeben sich «Übertragungsverluste», wie er zugeben muss – weil die eigene Perspektive zwangsläufig Spuren hinterlasse. Allerdings ist das künstlerische Interesse an gesellschaftlichen und politischen Themen relativ frisch, und es steigert sich, je dystopischer sich die Welt um ihn herum verändert.
Anfangs konzentrierte sich Schäpel noch ausschließlich auf den menschlichen Körper. Künstlerisch ging es ihm darum, einen möglichst hohen Grad an Genauigkeit und Ähnlichkeit zu erreichen. Deshalb nahm die Arbeit an einem Werk viel Zeit in Anspruch. Heute versucht er, den Prozess ein wenig abzukürzen. Er greift zu fotografischen Hilfsmitteln, wählt unterschiedliche Formen der Weglassung und spielt mit bloßen Andeutungen. Er malt mit Öl auf Leinwand, bisweilen auch mit Aquarellfarben oder mit Tusche, Bleistift und Tinte.
Über 100 Bilder weist sein Oeuvre auf. Die Corona-Bilder sind gerade in einer Sammelausstellung in Dresden zu sehen. «Ist das Alles? Schon vergessen?», so der Titel, erinnert an jene Zeit sowie an die vielen Widersprüche der Maßnahmen-Politik. Neben Schäpel sind Künstler wie Simon Rosenthal, André Ismer, Marco Struckmann oder Thomas Bleyl mit ihren Werken vertreten. Für Schäpel ist es die erste Ausstellung in diesem Jahr. Weitere könnten folgen. Das Interesse an seiner Kunst wächst, auch wegen des Muts, den sie zum Vorschein bringt.
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