Die Schweiz boykottieren – dazu rufen acht arabische und internationale Palästina-Solidaritätsgruppen auf. Wie die Bewegung Boycott, Divestment, Sanctions Schweiz, kurz BDS Schweiz, deren ägyptischer Zweig den Boykottaufruf mit unterschrieben hat, auf ihrer Website berichtet, geschah dies anlässlich des «Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Völkermordes», der am 9. Dezember stattfand.
Grund für den Aufruf seien «fehlende Prinzipien der Schweizer Regierung und deren Mitschuld an israelischen Kriegsverbrechen gegen Palästinenser», wie BDS Schweiz weiter ausführt. Die Organisation erläutert:
«Die Kampagne fordert die Schweizerische Eidgenossenschaft dazu auf, einen ausdrücklichen Aufruf zum Waffenstillstand im Gazastreifen zu machen, die militärischen und sicherheitspolitischen Beziehungen zu Israel und israelischen Unternehmen einzustellen, ein Ende der israelischen Besatzung und der Apartheid in Palästina zu fordern, die Entscheidung, den palästinensischen Widerstand zu kriminalisieren, rückgängig zu machen und die Finanzierung von drei palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen wieder aufzunehmen, denen die Schweiz zuvor die Hilfsmittel gestrichen hat.»
In der Erklärung der Kampagne heisst es, seit dem 7. Oktober 2023 sei ersichtlich, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft ihren Neutralitätsgrundsatz aufgegeben habe. Sie habe «die offizielle israelische Darstellung übernommen, die Angriffe vom 7. Oktober dekontextualisiert und die Augen vor dem anhaltenden Völkermord und den Kriegsverbrechen verschlossen, welche die israelischen Streitkräfte seither gegen das palästinensische Volk im Gazastreifen und im Westjordanland begehen».
Die Organisationen beanstanden, dass die Schweiz ihre militärischen Beziehungen zur israelischen Armee und zu israelischen Waffen- und Sicherheitsfirmen aufrecht erhalte, während Israel seinen «blutigen Feldzug gegen die palästinensische Existenz» führe. Und weiter:
«Tatsächlich hat die Schweiz bei ihren Geschäften mit dem israelischen Staat nie die Einhaltung des Völkerrechts vorausgesetzt und damit Israel grünes Licht für all seine Missbräuche gegeben. Dies kommt einer völligen Missachtung der moralischen und rechtlichen Werte und Prinzipien, die die Schweizerische Eidgenossenschaft seit langem zu verteidigen vorgibt, gleich.»
Den Boykottaufruf veröffentlicht hat auch die Newsseite Mondoweiss . Demnach hat die Schweiz im Jahr 2015 bei der israelischen Firma ELBIT Systems sechs Hermes 900 HFE-Drohnen zum Preis von 326 Millionen Dollar bestellt. Dabei handle es sich um das gleiche Modell, mit dem der Gazastreifen bombardiert werde. Vier Jahre später sei ein neuer Vertrag mit ELBIT und eine Zusammenarbeit mit dem staatlichen Schweizer Waffenhersteller RUAG unterzeichnet worden.
Im Gegenzug habe das Schweizer Verteidigungsdepartement (VBS) Gegengeschäfte mit rund 40 Schweizer Firmen, die das Schweizer Know-how zur «Erweiterung und Perfektionierung der Kampfdrohne» nutzen, vermittelt.
An den vom VBS arrangierten Gegengeschäften sei auch die Schweizer Vorzeigehochschule EPFL beteiligt. Die Schwesterhochschule ETH Zürich wiederum sei zusammen mit dem israelischen Rüstungskonzern IAI an einem 65 Millionen Euro teuren Forschungsprojekt über Flugzeugtechnologien beteiligt. Mondoweiss:
«Es überrascht nicht, dass die hochrangige Schweizer Institution ETH, die in eine unethische Zusammenarbeit mit dem Siedlerkolonialstaat verwickelt ist, aktiv dafür gesorgt hat, dass kritische Stimmen unter ihren Studenten und Dozenten zum Schweigen gebracht werden, wenn sie nur Fakten berichten oder kritische akademische Forschung über Palästina betreiben, während sie ihnen keine Sicherheit und Unterstützung gewährt.
Noch erschreckender ist, dass das israelische Unternehmen VERINT, das von einem ehemaligen Agenten des Mossad und der Einheit 8200 der israelischen Armee gegründet wurde, Abhörsysteme an das Bundesjustizministerium und die Bundespolizei liefert. Im Jahr 2021 deckte RTS auf, dass auch Schweizer Behörden israelische Spionagesoftware, PEGASUS, bei ihren Ermittlungen einsetzen.»
Gemäss Mondoweiss wird geschätzt, dass die Schweiz zwischen 1996 und 2005 Rüstungsgüter im Wert von insgesamt mehr als einer halben Milliarde Dollar von Israel gekauft hat.
Die Palästina-Solidaritätsgruppen kritisieren auch das in Genf ansässige Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), das die Eidgenössische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) als «Spiegelbild der Schweizer Werte» bezeichne. Laut DEZA «trägt das IKRK durch seine Präsenz und seine Aktivitäten dazu bei, das Ansehen der Schweiz weltweit zu fördern».
Allerdings habe es das IKRK nicht nur versäumt, seine Verantwortung gegenüber den Palästinensern wahrzunehmen. Auch unterstütze es die gegenwärtige israelische Aggression faktisch, «indem es die Krankenhäuser und die Zivilbevölkerung in Gaza ihrem Schicksal überliess und die palästinensischen Gefangenen, die in den israelischen Gefängnissen grausam gefoltert wurden, vernachlässigte».
Wie es am Ende des Boykottaufrufs heiss, sei die Schweiz nur «das erste Ziel», das mit diesem Boykottaufruf in den Fokus gerückt worden sei. In Zukunft würden «alle Staaten» ins Visier genommen, die, wie BDS Schweiz schreibt, «eine verabscheuungswürdige und unmenschliche Haltung eingenommen haben – und die die Ermordung tausender unschuldiger palästinensischer Zivilisten in Gaza ermöglicht haben und weiterhin ermöglichen».
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