Wer an Demonstrationen seine Meinung kundtut, muss mit Konsequenzen rechnen. Das musste der Gymnasiallehrer Markus Häni zu Beginn dieses Jahres erfahren. Am 20. Februar 2021 sprach Häni auf der Demonstration in Wohlen (Aargau), wenige Tage später wurde er von Matthias Angst, Rektor der Kantonsschule Wohlen, freigestellt (Corona-Transition berichtete). Den Lohn erhält Häni noch bis Ende Juli.
Seither läuft ein juristisches Verfahren zwischen Häni und seinem ehemaligen Arbeitgeber. Der Lateinlehrer ist der Ansicht, dass die Schule ihm missbräuchlich gekündigt habe. Aus diesem Grund hat er die Kündigung angefochten. Ende Mai fand nun die Schlichtungsverhandlung mit der Schlichtungskommission für Personalfragen des Kantons Aargau statt. Neben Karina Lareida, Präsidentin der Schlichtungskommission, nahmen Manfred Dubach, Geschäftsführer des Aargauischen Lehrerverbands, sowie eine Vertreterin der Arbeitnehmerseite an der Sitzung teil. Pikant: Dubach äusserte sich zuletzt mehrfach negativ über Häni in den Medien.
Das Ergebnis der Verhandlung: Für Häni alles andere als zufriedenstellend. Die Kommission ist überzeugt: Die Kündigung erfolgte rechtens. Mehr noch: Hänis Auftritt an der Demo hätte gar für eine fristlose Kündigung gereicht. «Die Kommission wirft mir vor, dass ich gegen das Loyalitätsprinzip verstossen habe», erklärt Häni gegenüber Corona-Transition. Der Lehrer weist darauf hin, dass es sich beim erwähnten Prinzip lediglich um einen Punkt im Leitbild des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) handle. «Ich habe nie gegen ein Gesetz verstossen», so Häni weiter.
Die offizielle Begründung für die Kündigung lautet «mangelhaftes Verhalten» gemäss Personalgesetzreglement § 11 Abs. 1 lit. c GAL. Der Artikel sieht vor, dass eine Anstellung durch die Anstellungsbehörde wegen «Mängel in der Leistung oder im Verhalten» gekündigt werden kann. Aus dem Kündigungsschreiben geht hervor, dass Rektor Angst ein grosses Problem mit Hänis politischem Engagement hatte. Seit Monaten ist der Lehrer, der auch Pressesprecher des Aktionsbündnis Aargau-Zürich sowie Mitglied bei den Freunden der Verfassung ist, aktiv im Widerstand gegen die Corona-Massnahmen.
Hänis Rede an der Demo in Wohlen passte dem Rektor offenbar nicht. «Du stellst Gesetzesbrecher wie ‹di geile Sieche in Einsiedeln› als Vorbilder dar», schrieb Angst in dem Kündigungsschreiben, das Corona-Transition vorliegt. Gemeint waren damit die Fasnächtler, die sich im Februar nicht an die Massnahmen gehalten hatten und fröhlich durch die Strassen zogen. Ein No-Go für den Rektor. «Mit diesen Äusserungen hebst du die Trennlinie zwischen Beruflichem und Privatem auf», schrieb Angst. Der Rektor warf Häni in der Kündigung zudem vor, «das Vertrauen der Kantonsschule Wohlen» missbraucht zu haben. Denn: Als Staatsangestellter und Lehrer obliege Häni eine besondere Sorgfalt in der Abwägung öffentlicher Voten.
Angst tat sich bereits im vergangenen Jahr schwer mit Häni. Der Rektor duldete auch bei der Maskenpflicht keine Ausnahmen. Obwohl der Lateinlehrer über ein Attest verfügte, zweifelte Angst dieses an. Angst ging gar soweit, dass er Häni vergangenen August aufforderte, ihm die genauen gesundheitlichen Gründe für das Attest anzugeben, was Häni ablehnte. Daraufhin forderte der Rektor Häni auf, die Gültigkeit seines Attestes bei einer Hausärztin untersuchen zu lassen, die gleichzeitig Mitglied der Schulkommission war. Andernfalls müsste eigens für Häni ein konzipiertes Schutzkonzept erstellt werden, an das er sich zu halten habe.
Dazu sagt Häni:
«Die Lösung bestand darin, dass ich mich vorläufig ohne Maske bewegen und unterrichten konnte, da dies mein Unterricht mit kleinen Schülergruppen noch ‹zuliess›, ohne gegen das schulische Schutzkonzept zu verstossen. Ich hatte dabei ziemlich absurde Auflagen, z.B. musste ich stets auf ein Einzelklo, musste Menschenansammlungen meiden und nicht in der Mensa zum Essen anstehen. Später wurde mein Attest von der Hausärztin bestätigt und ich unterrichtete mit einem Visier»
Obrigkeitshörigkeit scheint nicht nur in der Kantonsschule Wohlen das Gebot der Stunde zu sein. Auch die Schlichtungskommission selbst zeigt sich geradezu empört über einzelne Aussagen Hänis. Dass der Lehrer in seiner Rede in Wohlen Bundesrat Alain Berset als «Papa Berset» bezeichnet habe, bringt in den Augen der Schlichtungskommission «das Fass zum Überlaufen». Solche und weitere Aussagen können laut der Schlichtungskommission «keinesfalls toleriert werden».
Häni sagte bereits anfangs März gegenüber Corona-Transition: «Wenn ich als Lehrer von meinem Recht auf freie Meinungsäusserung nicht mehr Gebrauch machen kann, ohne meine Stelle zu verlieren, dann haben wir ein ernsthaftes Problem.» Diese Position vertritt er nach wie vor. Und inzwischen erhält er auch von prominenten Stimmen Rückendeckung.
Der Lehrer und Schulsystemkritiker Alain Pichard kritisierte unlängst auf dem Condorcet-Blog das Vorgehen der Kantonsschule Wohlen. Pichard schrieb dazu:
«Hier geht es um die verfassungsmässig garantierten Rechte der BürgerInnen und der öffentlich-rechtlich Angestellten. Die Schulleitung der Kantonsschule Wohlen fordert in diesem Fall nicht nur Folgsamkeit, sondern auch Gesinnungsgleichheit. Das gilt selbstredend nicht für den Einsatz gegen den Klimawandel oder den Kampf gegen Sparmassnahmen in der Bildung. Vorerst nicht! Wo soll das aber hinführen, wenn positiv konnotierte Aktivitäten von der Obrigkeit akzeptiert werden, während der Kampf gegen Coronamassnahmen als böse und verwerflich gilt. Tief blicken lässt auch die Begründung, Herr Häni habe den Bundesrat desavouiert und dem Ruf der Schule geschadet. Das ist gerade auch durch den Umstand, dass die Meinungen der Expertinnen und Experten zu vielen relevanten Aspekten der Pandemie keineswegs einheitlich oder auch nur eindeutig sind, mehr als irritierend.»
Der Ausgang des Streits ist noch offen. Für Häni ist aber klar, dass er gegen die Kündigung weiter ankämpfen wird.
«Es geht hier nicht nur um mich: Wenn die Behörden mit dieser Nummer durchkommen und von den Gerichten recht bekommen sollten, dann werden die auch künftig schalten und walten, wie es ihnen passt.»
Deshalb werde er, sobald die definitive Empfehlung der Schlichtungskommission Mitte Juli vorliegt, die Sache ans Verwaltungsgericht weiterziehen. Ein kleiner Lichtblick für Häni: Im Rahmen der Schlichtungsverhandlung konnte er zumindest eine Verbesserung seines Arbeitszeugnisses herbeiführen. Dieses sei zunächst sehr unvollständig und wenig wohlwollend verfasst worden.
Markus Häni ist nur der jüngste Fall in einer ganze Reihe von Kündigungen von Lehrkräften:
- Florian Mächler, Musiklehrer, wurde fristlos gekündigt
- Rahel Fabris, Lehrerin, wurde fristlos gekündigt
- Prisca Würgler, Lehrerin, wurde ordentlich gekündigt
- Lucia Ramsauer, Kindergärtnerin, wurde mit fristloser Kündigung gedroht. Dann wurde sie freigestellt und nun auf den Sommer gekündigt.
- Mathias Erni, Turn- und Sportlehrer an der Schule Fischenthal ZH, fristlos entlassen
- Silvia Dresti, Berufsmittelschullehrerin für Französisch an der Berufsfachschule Uster, suspendiert seit dem 8.12.20, ordentliche Kündigung per 31.8.21. Grund: Bei der Einführung der Maskenpflicht und während des Unterrichts habe sie in ihren Klassen gesagt, sie würde niemanden zum Maskentragen nötigen.
- Roger Gasser, Musiklehrer, freigestellt und fristlos entlassen
- Tanja Rolli, Lehrerin, fristlos entlassen