Transition News: Viele mittelständische Unternehmer verzeichnen Auftragsrückgänge. In dieser Krisensituation greift so mancher Chef auf überholte Mikromanagement-Methoden zurück. Wie greift man in solche destruktive Strukturen ein und wendet sie zum Besseren?
Uwe Alschner: Erstens, durch das aktive Bemühen um Verständnis für dieses Handeln. Selbst dann, wenn man das als fragwürdig oder sogar falsch einschätzt. Es ist notwendig, den Hintergrund dafür zu verstehen. Und der ist mit einiger Wahrscheinlichkeit Angst. Es gibt natürlich auch despotisches Handeln, nicht nur in Unternehmen, was nicht primär mit wirtschaftlichen Ängsten zu tun hat.
Aber grundsätzlich steht hinter menschlicher Aggression letztendlich immer eine der vier chinesischen Untugenden: Angst, Hass, Gier oder Unaufmerksamkeit. Und wenn man das weiß und danach sucht, dann kann man der Ursache näherkommen und damit auch letztendlich der Lösung. Und wenn es um wirtschaftliche Fragen geht, dann besteht die Lösung ganz eindeutig in der wirtschaftlichen Selbstverständlichkeit, dass ein Scheitern etwas völlig Normales sein kann. Und damit eben nicht das schlimmstmögliche Szenario bedeutet, sondern nur eine Folge unter mehreren darstellt.
Wenn man das Scheitern nicht um jeden Preis abzuwenden versucht – nicht um jeden Preis, das ist eben das Entscheidende –, dann kann man auch andere Lösungen denken, ein anderes Umgehen in solchen Situationen sich vorstellen, auch konzipieren, trainieren oder coachen.
Wer soll Verständnis zeigen? Firmeninhaber sind unzufrieden, Mitarbeiter bekommen das zu spüren und schweigen – oft aus Angst, was im hierarchischen System Unternehmen durchaus nachvollziehbar ist. Wer kann das auflösen?
Jeder, der sich diese Frage nach dem Warum stellt – also jeder Betrachter und natürlich die Mitarbeiter. Auch denen kann man nur raten, zu versuchen, das Verhalten zunächst einmal zu verstehen und nicht voreilig zu irgendeinem Urteil zu springen. Wenn man zu schnell urteilt, handelt es sich meistens um ein Vorurteil. Denn die Frage ist ja, muss man das Überhaupt beurteilen oder lässt sich das auch anders auflösen.
Ich will keine Illusionen schüren: Das aufzulösen, ist nicht leicht. Aber es funktioniert jedenfalls nicht ohne ein Bemühen um gegenseitiges Verständnis. Natürlich muss auch der Unternehmer Verständnis für die Sorgen seiner Mitarbeiter haben und sich um Verständnis bemühen. Denn sein Handeln ist eben nicht frei. Als Unternehmer bin ich nicht nur an Gesetze, sondern auch an moralische und ethische Verpflichtungen gebunden. Sofern man Verpflichtungen als etwas sieht, was den Konsens betrifft, der eine Gesellschaft letztendlich in ihrer Struktur ausmacht.
Können Sie ein konkretes Beispiel geben? Wie in einem Unternehmen gegenseitiges Verständnis zu mehr Erfolg – was immer man darunter verstehen mag – führen kann?
Sie müssen verstehen, dass ich natürlich keine konkreten Namen nennen darf. Aber um das mal zu abstrahieren und trotzdem im Praktischen zu bleiben: Solche Situationen gab es auch schon früher, nur waren das dann oftmals Dinge, die sich in einem sogenannten konjunkturellen Aufschwung vollzogen haben. Jetzt haben wir eine Phase, wo die gesamte Gesellschaft sich in einer äußerst kritischen Situation sieht: Kriegsgefahr, «Corona», Lieferketten, Märkte und Sanktionen.
Aber diese Situationen haben als potenzielles Risiko für das Unternehmen eben davor schon bestanden. Und insofern ist das immer ein Anlass, konkret zu schauen, ob wir vielleicht sogar schon viel zu lange an etwas festhalten, das uns scheinbar trägt, aber eigentlich schon lange nicht mehr tragfähig war, weil es zum Beispiel auf falschen Prämissen beruhte. Und das ist eben der Punkt: dieses Bewusstsein des unternehmerischen Zwecks – des Sinns – für Unternehmer und für Mitarbeiter.
Es ist ja durchaus auch eine Chance, zu erkennen, in diesem Unternehmen, so wie es sich jetzt darstellt, will ich gar nicht bleiben; vielleicht wollte ich sowieso nie hin und bin da nur hingekommen, weil ich mich von Wertvorstellungen habe leiten lassen – da es primär um die wirtschaftliche Komponente geht. Und das ist trügerisch, weil die wirtschaftliche Komponente immer nur eine nachrangige Konstellation ist. Ja, wir müssen leben. Aber der Mensch lebt nicht vom Brot allein, heißt es schon in der Bibel.
Einfach alles hinzuschmeißen, muss man sich leisten können – sowohl als Unternehmer als auch als Mitarbeiter.
Das mag im ersten Moment beliebig oder frivol klingen – wenn man sagt: Ich muss meine Miete bezahlen. Und trotzdem ist da etwas sehr Wahres dran. Denn vieles von dem, was wir in der Welt sehen, hat letztendlich auch mit wirtschaftlichen Theorien, Entscheidungen und mit einer bestimmten Denkweise zu tun.
Globalisierung zum Beispiel ist eine Folge des wirtschaftlichen Freihandels, des Wirtschaftsliberalismus. Und insofern sind auch die Konflikte, die wir geostrategisch erleben, darin begründet.
Über 300 Jahre, vielleicht über einen noch längeren Zeitraum, hat sich ein System entwickelt, wo es scheinbar nur um diesen materiellen Erfolg geht. Und dadurch haben diese Konflikte einen viel größeren Hintergrund.
Das bedeutet aber auch, dass es für jeden, der daran beteiligt ist, eine eigene Dimension gibt, das eigene Handeln zu reflektieren. Ich kann nicht nur sagen, ich mache das Geschäft, weil es sonst ein anderer machen würde. Ich darf mich auch fragen: Ist es grundsätzlich vernünftig und klug, sich daran weiter zu beteiligen? Und insofern darf ich auch letztendlich als Arbeitnehmer zur Erkenntnis kommen, dass das schon viel früher hätte beendet werden müssen und ich eine solche Krise als Chance nehmen kann, mich anders zu entscheiden.
Was dann als nächstes folgt, ist damit natürlich nicht gesagt. Aber das ist dann die andere Ebene des Vertrauens: Vertrauen in die Grundlagen der Gesellschaft und damit auch in die Grundlagen des moralisch vernünftigen Wirtschaftens.
Diese Krisen hat es immer gegeben, und da kam dann regelmäßig Erstaunliches zutage. Dass beispielsweise auch grundsätzliche Entscheidungen hinterfragt und korrigiert worden sind, einerseits bezogen auf die Tätigkeit selbst und andererseits auf die Ausrichtung von Unternehmen sowie Erwerbsbiografien. Dass man einfach sagt, ich muss in eine andere Richtung und darf ich mich dahin orientieren, wozu ich mich wirklich berufen fühle, und nicht nur, weil das die Miete zahlt. Denn dieses An-die-Miete-denken ist trügerisch, weil – wie wir jetzt erleben – die materielle Sicherheit von Faktoren abhängt, die wir als Individuum nicht kontrollieren können.
Wie kann denn dieses Vertrauen wiederhergestellt werden?
Auch da ist das Thema Verständnis ganz grundlegend. Und ich bin mir bewusst, dass das im ersten Moment weltfremd klingen mag. Aber je länger ich mich weigere, eine tatsächlich tiefere Ursache überhaupt nur anzunehmen und zu erkennen, desto länger stehe ich einer gedeihlichen Entwicklung für die Zukunft selbst im Wege.
Beispielsweise 1945, Stunde Null, da lag eine ganze Nation, ein ganzer Kontinent, eine halbe Welt in Trümmern. Die Wirtschaft war überhaupt nicht funktionsfähig. Und auch da ist es gelungen, letztendlich wieder Vertrauen zu schaffen. Dieses Vertrauen – das ist die Einschränkung dabei – ist nach meiner persönlichen Meinung damals eben nicht grundsätzlich wiederhergestellt worden, sondern in einer gewissen Weise nur oberflächlich. Denn die tieferen Ursachen dessen, was zur Katastrophe führte, hat man nicht erkennen wollen. Womit ich ausdrücken will, dass ich davon ausgehe, dass diese Ursachen auch heute noch wirken und zu unseren heutigen Problemen beitragen.
Das Thema, woher der Faschismus kommt, ist nach 1945 nicht aufgearbeitet worden.
Trotzdem ist es gelungen, Vertrauen wiederherzustellen. Das ist insofern tröstlich, weil man sich an diesen Zäsuren festhalten und daran Mut finden kann. Es ging Menschen schon durchaus schlimmer, sie wussten ebenfalls nicht, wie es weitergehen soll, und es ist dann trotzdem weitergegangen. 1945 war nicht die erste große Zäsur; die gab es nach dem 30-jährigen Krieg, nach der Pest – Zäsuren gab es immer. Das ist eine Frage der Existenz, und diese Existenz ist eben nicht ausschließlich materiell, das ist der Kernpunkt dabei.
Wenn ich bereit bin, das zu denken, so schwierig es auch sein mag, kann ich anschließend überhaupt erst in die Situation kommen, Kreativität, Produktivität und im Zweifelsfall auch neue Optionen zu erkennen. Und das ist in der jetzigen Situation dringend notwendig. Das heißt nicht, dass jetzt alles dem Verfall preisgegeben wird und man einfach aufhört, sondern dass man von diesem Aspekt der beharrlichen Suche nach einem tieferen Verständnis ausgeht.
Man liest öfters, dass es vor allem dem Mittelstand an den Kragen geht. Sehen Sie das ähnlich?
Ja, das sehe ich ähnlich, und das betrifft genau diesen Aspekt des nicht aufgearbeiteten Problems des Faschismus. Auch das hört sich im ersten Moment kontraintuitiv an. Aber wer sich die Geschichte des Faschismus anschaut, erkennt, dass dies sowohl für den Faschismus als im Zweifelsfall auch für den Bolschewismus beziehungsweise Kommunismus gilt – und ich bin mir bewusst, das beide nicht identisch, aber trotzdem verwandt sind. Denn hier handelt es sich um ideologische Strömungen, die künstlich erzeugt wurden. Und zwar von hegemonialen – heute würde man sagen globalistischen – Interessen, die sich äußerlich durch wirtschaftliche Betätigung und wirtschaftliche Prinzipien charakterisiert haben.
Stichwort Freihandel: Freihandel ist ein Begriff, der aus dem britischen Imperialismus stammt. Das zu verstehen und zu betrachten, führt dann letztendlich zu der Einsicht, dass diese Denkschule nie ein Interesse an auch nur dem geringsten Maß mittelständischer Kultur hatte. Das war und ist ein Mindset, der letztendlich auf Monopole, Dominanz und Ausbeutung setzt. Der sich selber das Recht nimmt, Gesellschaft in ihrem Sinne zu strukturieren. Und das hat eben dann eine Ursache, die nicht mehr im rein Wirtschaftlichen, sondern im Weltanschaulichen liegt. Es handelt sich um Interessen, die sich für berufener, für würdiger und für besser als der Rest der Menschheit halten. Wirtschaftlicher Erfolg ist nur eine äußerliche Dimension der Unterscheidung.
Mittelstand ist aber im Kern ein Ausdruck von persönlicher Souveränität im
humanistisch-christlich-abendländischen Sinne. Dazu gehört der Glaube an die Würde des Menschen und an dessen Fähigkeit, sich kulturell, zivilisatorisch und kreativ zu entwickeln.
Diese Gabe hat jeder, und sie führt dazu, dass sich daraus unternehmerisch, kleinunternehmerisch und mittelständisch Existenzen entwickeln. Das ist eine ganz wichtige historische Dimension mittelständisch-wirtschaftlicher Existenz. Wenn man die ausblendet und einfach nur annimmt, Mittelstand sei gottgegeben, immer schon dagewesen und habe auch das Recht, immer zu bleiben, dann unterläuft einem ein Kurzschluss, und man steht insofern selbst der Lösung seiner Probleme im Wege.
Haben mittelständische Unternehmer zu lange den Kopf in den Sand gesteckt und befinden sich deswegen in diesem Schlamassel?
Also diese Frage beinhaltet eine sehr stark zeitlich eingegrenzte Dimension. Und das ist problematisch. Denn es ist natürlich nicht so, dass der heutige Mittelständler den Kopf in den Sand gesteckt hätte und deswegen jetzt zu Recht in diesen Problemen steckt. Das würde voraussetzen, dass es früher anders gewesen ist. Es handelt sich jedoch um eine Entwicklung, die sich in langwierigen geistesgeschichtlichen, zivilisatorischen Prozessen zeigt. Das hat mit Bildung und mit Kultur zu tun.
Aber klar ist – jetzt komme ich zurück auf 1945 – dass damals in der Stunde Null eben Strukturen geschaffen worden sind, die nur vordergründig mittelständische Wirtschaft befördert haben. Die kulturellen Wurzeln aber, nämlich die Bildung, wurde 1945 beziehungsweise spätestens 1968 aus dem Fenster geschmissen. Denn die klassische humboldtsche Bildung stellt die Wurzel mittelständischer Betätigung und wirtschaftlichen Wohlergehens von Gesellschaften dar, um nicht zu sagen von Nationen.
Die Grundlage einer Gesellschaft ist die Erkenntnis der uneingeschränkten Menschenwürde, der unverletzlichen Menschenwürde und auch der uneingeschränkten gegenseitigen Wertigkeit und Kreativität. Und die Fähigkeit zur Kreativität stellt die Grundlage von wirtschaftlicher Entwicklung dar.
Insofern ist das Thema Nation auch ganz gezielt spätestens seit 1945, aber durchaus auch schon 1919 oder vielleicht sogar noch früher, diskreditiert und in eine Schublade gesteckt worden, die wir heute oberflächlich mit «rechts» bezeichnen. Dabei handelt es sich dabei ursprünglich um einen logischen Ausfluss von persönlicher und dann nationaler Souveränität.
Denn die persönliche Souveränität des Menschen vollzieht sich in Organisationsformen, die natürlich auch die Familie betreffen – die Familie als natürliche Ordnung der menschlichen Zivilisation, als erste Kategorie nach dem Individuum. Und aus der Familie heraus kommen weitere Strukturebenen, die zum Kontext der Nation führen. Aber, und das ist der entscheidende Punkt, das hat per se nichts mit irgendeiner Blutabstammung zu tun, sondern die Nation ist eine höhere Idee, die sich auf gemeinsame Werte und gemeinsame Interessen bezieht.
Und genau diese Idee steht seit längerem unter Beschuss, weil sie natürlich dem oligarchisch-globalistischen Interesse vollkommen zuwiderläuft. Das hat schon Friedrich Schiller und vor ihm Gottfried Wilhelm Leibniz zu spüren bekommen, der ebenfalls in übergeordneten Strukturen auf nationaler Basis gedacht hat. Und das haben in der Folge auch Mittelständler, Gesellschaften und Demokratien zu spüren bekommen, unter den Begriffen wie Freihandelspolitik, TTIP, CETA und wie sie alle hießen. Diese Konzepte wollten die nationale Souveränität sogar so weit einschränken, dass gesonderte Gerichtsbarkeiten für wirtschaftliche Interessen geschaffen werden sollten. Und das zeigt sich heute nach wie vor – wenngleich diese Thematik der Freihandelspolitik verschwunden ist, weil der Widerstand in der Bevölkerung zu groß war –, aber die Strukturen werden trotzdem in dieselbe Richtung verändert.
Wir erleben, dass über die Notwendigkeit von globalen Regierungsstrukturen gesprochen wird, die sich natürlich vollkommen von den Bedürfnissen der Menschen und der gesunden Gesellschaft entfernen. Und das geht dann wiederum den Mittelstand unmittelbar an, der aber durch diese kurzfristige Fixierung auf Aufträge, Wachstum und Marktanteile tatsächlich sehr lange Einschränkungen hingenommen hat, die nicht hätten hingenommen werden sollen.
Sie haben globale Wirtschaftsinteressen angesprochen, dabei spielt die EU-Gesetzgebung eine entscheidende Rolle. Was können Mittelständler, die vor allem ihren Betrieb am Laufen halten müssen, denn dagegen tun?
Auch da gilt, vor allem mal zu verstehen. Verstehen, dass, wer heute diese EU-Gesetzgebung kritisch hinterfragt, nicht per se ein Antidemokrat oder ein Feind des Friedens ist.
Die Vorgänge in Brüssel zu hinterfragen, ist legitim und notwendig. Und in der zweiten Betrachtungsebene erkennt man dann, dass die Idee der europäischen Einigung vordemokratische und sogar faschistische Grundlagen hat.
Insofern ist es notwendig, hier das Kind zu schützen, aber das Bad auszuschütten. Das heißt: Völkerverständigung sowie Handel weiter zu pflegen und die humanistischen Grundlagen zu schützen, während man andererseits die ganz bewusst angelegten demokratischen Defizite innerhalb der EU sowie die Einfallstüren für schädliche Interessen beseitigt.
Hier geht es nicht um links-rechts, sondern um etwas Urmenschliches: Die Souveränität der Gesellschaften ist ganz bewusst eingeschränkt worden, bis hin zu der Argumentation, dass man vorübergehend «demokratische Defizite» in Kauf nehmen müsste, um das größere Projekt einer europäischen Einigung überhaupt erst zu erreichen. Aber das ist nie erreicht worden, es ist auch nie weitergegangen.
Heute sehen wir, dass gerade im Bereich der Währungs- und Finanzpolitik die Eurogruppe überhaupt nicht legitimiert ist und trotzdem weit über die Europäische Union hinausreichende Entscheidungen trifft, die natürlich auch den Mittelstand berühren. Stichwort: Kreditrichtlinien oder Basel III.
Die Vergemeinschaftung der Schulden ist ein Mittel gewesen, um gerade mittelständischen Wohlstand zu beschneiden.
In Deutschland und Österreich sind Sparkassen und Volksbanken ein Ausdruck von mittelständisch genossenschaftlicher Wirtschaftsstruktur und mittelständisch genossenschaftlichem Erfolg, der zu lokalem Wohlstand in einer übergeordneten Struktur geführt hat. Die Rücklagen, die diese Banken und Sparkassen erwirtschaftet haben, sind alle nach Brüssel in den Bankensicherungsfonds abgezogen worden, sodass heute die Möglichkeit für Investitionen auf dieser Ebene nicht mehr besteht.
Früher konnten tatsächlich Landkreise und Städte ganz gezielt Wirtschaftsförderung betreiben. Das wird heute auch durch die Wettbewerbsrichtlinien hintertrieben. Diese Aspekte, also die Nationalökonomie – im Unterschied zur Volkswirtschaft oder Makroökonomie –, muss wieder betrachtet werden. Zum Beispiel die Notwendigkeit, regionale Strukturen zu schützen und diesen Wirtschaftsstrukturen wieder eine Chance zu geben, nämlich die Chance gegen globalistische, monopolistische und kapitalstarke Einflüsse zu bestehen.
Kann man denn als einzelner Unternehmer bei den Geschäftsmodellen Klima, Krieg und Krankheit nicht mitmachen und trotzdem überleben und Finanzierung erhalten?
Es ist natürlich an der Stelle nicht möglich, eine ganz einfache Ja-Nein-Antwort zu geben, weil klar ist, dass ein einzelner Unternehmer sich nicht gegen eine so machtvolle im Verborgenen heimlich still und leise gewachsene monopolistisch-dirigistische Struktur stellen kann. Wobei Dirigismus per se nicht das Problem darstellt.
Das Entscheidende ist, wer unter welchem Menschen- und Weltbild dirigiert. Die Multinationals, diese globalistischen Strukturen, sind von ihrem Menschen- und Weltbild her eben oligarchische Strukturen. Das ist die entscheidende Erkenntnis. Das bedeutet, dass es für Unternehmer zu ihren Mitarbeitern, aber auch zu Kollegen, also horizontal und vertikal, eine Vernetzung geben muss. Dass man über Dinge diskutiert, ohne bei allen Meinungstenören unbedingt sofort mitsingen zu müssen, sondern als Unternehmer sich die Freiheit nimmt, Dinge in Ruhe zu erwägen, zu diskutieren, zu betrachten, um damit erst einmal den Druck rauszunehmen.
Kredite für eine Investition sind natürlich notwendig. Aber zum Beispiel ist die folgende Frage zur Bankenstruktur genauso angebracht: Kann ein demokratischer Konsens erreicht werden, um diese europäische globalistische Bankenstruktur wieder rückgängig zu machen, um so das Wettbewerbsrecht wieder aufzubrechen, weil der Ist-Zustand eben nicht dem Mittelstand hilft, sondern nur den globalistischen Interessen? Wenn dieses politische Programm auf der Basis von gegenseitigem Verständnis in lokalen Netzwerken diskutiert wird, ist es überhaupt nicht schwer, sich vorzustellen, dass sich auch wieder Investitionsstrukturen entwickeln, die Kreativität und Innovationskraft, die im Mittelstand immer noch stecken, wieder befördern können.
Natürlich reiße ich hiermit einen Bogen auf, der eine sehr komplexe Lage überspannt und insofern durchaus nicht mal ebenso zu Ergebnissen führen wird. Aber wenn wir über die Frage der unmittelbaren wirtschaftlichen Zwänge diskutieren und uns einbilden, dass diese unmittelbaren wirtschaftlichen Zwänge gelöst werden können – und damit eben auch die Konflikte in Unternehmen und in Belegschaften –, ohne die darunterliegenden Prozesse überhaupt zu verstehen, machen wir es uns zu einfach.
In einer solidarischen gesellschaftlichen Struktur sind wir im Zweifelsfall auch in der Lage, mit dem Wohlstand, der hier – im Vergleich zu anderen Regionen – immer noch existiert, vorübergehende Engpässe und Krisen zu meistern, wenn wir diese Art des gesellschaftlichen Bewusstseins erneut wiederbeleben können.
Stichwort: globalistische Interessen und weltweite Monopole. Allgemein wird der Eindruck geschaffen, die Technik sei größer als der Mensch. Sogenannte künstliche Intelligenz, kurz KI, wird als Allheilmittel verkauft.
Auch da kommt es auf den Kontext an, in dem sich technologische Entwicklung vollzieht. KI ist eine Folge technologischer Entwicklung und insofern ist es per se nichts Schlechtes. Aber wenn das gesellschaftliche Konstrukt, das darunter liegt, ein politisch exklusives ist, stellt KI im Zweifelsfall eine erhebliche Gefahr dar, weil KI natürlich einer Programmierung bedarf. KI ist nicht kreativ. KI ist in der Lage, bestimmte Synergien aus bereits Geschaffenem schneller analytisch, algorithmisch zu erkennen. Aber sie ist nicht in der Lage, grundsätzliche kreative Sprünge zu bewerkstelligen, wie das der menschliche Geist aber kann. Das ist das darunterliegende Menschenbild. Das ist auch die Antwort auf die Behauptung, die Technik sei größer als der Mensch. Diese Behauptung ist falsch.
Die Technik ist nur dann größer als der Mensch, wenn der Mensch sich einreden lässt, dass er klein, dumm und hässlich sei, anstatt von einer im wohlverstandenen Sinne göttlichen Kreativität und Schöpferkraft beseelt zu sein. Das hat nichts Konfessionelles oder religiös Exklusives. Damit ist letztlich die Dualität zwischen Geist und Materie gemeint.
KI, so wie sie heute propagiert wird, ist allerdings eine logische Folge dessen, was in den 20er und 30er Jahren unter dem Stichwort Technokratie, Technocracy, bereits versucht worden ist: die Gesellschaften mittels kybernetischer Strukturen zu steuern. Die Eugenik war stets die «Zwillingsschwester» der Technokratie. Heute haben wir die unheilige Allianz von KI und Transhumanismus. Diese kybernetischen Strukturen sind darauf angewiesen, dass sich die Menschen ihre Fähigkeit zu kreativen Lösungen überhaupt erst einmal aus dem Kopf schlagen lassen. Und zwar durch eine pervertierte, menschenfeindliche Bildung und Philosophie.
Ich habe gerade etwas über Friedrich Nietzsche geschrieben, der in diesem Kontext eine ganz wichtige Figur darstellt und kritisch hinterfragt werden muss, weil sein Menschenbild höchst problematisch ist. Aber heute wird Nietzsche auch bei Menschen, die sich für aufgeklärt und kritisch halten, immer noch in einer Art und Weise idealisiert, die ich für bedenklich halte.
Was Nietzsche in seinem Text über die Tragödie gemacht hat, ist, dass er die kulturelle, die zivilisatorische Entwicklung ins Gegenteil verkehrt hat. Er hat behauptet, dass Kunst etwas sei, das sich aus dionysisch-ekstatisch-wahnhaften Rauschzuständen entwickelt habe. Insofern ist dann auch die Brücke zu Wagner und zum Nationalsozialismus sehr schnell gezogen, da damit eben solche totalitären manipulativen Strukturen möglich waren. Nietzsche ist sehr klar als Notwendigkeit erkennbar, um Schillers weitreichende Erkenntnisse im Hinblick auf die Grundlagen menschlicher Kreativität zu neutralisieren.
Denn wenn man die beiden elementaren Bestandteile der Menschlichkeit, Emotion und Ratio, nicht gleichmäßig durch «Schönheit» fördert – Schiller nennt das «veredeln» –, dann kommt es entweder zu einer Überlagerung der Vernunft durch Emotion, Angst, Gier oder Hass. Oder es kommt zu einer gefühlskalten und verkopften Absolutierung des Verstandes – nicht der Vernunft – ohne Mitgefühl oder gesunde emotionale Struktur.
Schiller hat in einem westlichen Kontext etwas Universelles beschrieben. Und Nietzsche hat darauf versucht, eine Gegenantwort zu geben. Und das ist dann hinterher mit der Frankfurter Schule umgedeutet worden und hat dazu geführt, dass seit inzwischen zwei Generationen, die Bildungspolitik weltweit, nicht nur in Deutschland, auf völlig fragwürdige und gefährliche Prinzipien setzt.
Was handelt sich ein Unternehmer möglicherweise ein, wenn er, um kurzfristig zu sparen, Mitarbeiter durch KI ersetzt?
Was er sich einhandelt, ist, er sägt sich den Ast ab, auf dem er sitzt. Also wenn ich als Unternehmer vor der Entscheidung stehe, in Technologie oder in Mitarbeiter zu investieren, dann kann ich ihm nur den Rat geben, immer in die Mitarbeiter zu investieren, selbst unter Inkaufnahme vorübergehender Nachteile. Weil die KI eben dazu dient, dass auch er als mittelständischer Unternehmer überflüssig gemacht wird und dass sich die Strukturen weiter zentralisieren.
KI dient vor allem dazu, Daten zu sammeln. Wozu sind die großen Datencenter in Arizona und weltweit da? Um diese Datenmengen auch zu nutzen und in weiterer Folge die mittelständische wirtschaftliche Struktur vollkommen abzuschaffen.
Und das kann ich nur verhindern, indem ich eine lokale Wirtschaftsstruktur so gut wie möglich erhalte. Ich muss meine unternehmerische Verantwortung erkennen, dass ich nicht nur an mich denken darf, sondern auch an den Raum, in dem ich lebe. Und wenn ich glaube, dass ich auch zu den Oligarchen zählen und mir die Luxusjacht leisten kann, um mich dann irgendwann aufs Meer zu verabschieden, wenn in meinem Land die Hunger Games ausbrechen, dann bin ich schief gewickelt und schlecht beraten.
Das Interview führte Sophia-Maria Antonulas.
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