Dass die New York Times nicht das ist, was viele in der Mainstream-Welt in ihr sehen, nämlich eine Art medialen Hort der Wahrheit, ist in kritischen Kreisen durchaus bekannt. Dass sie von einem anderen Mainstreammedium von ihrem heiligen Sockel heruntergestoßen wird, ist aber alles andere als eine Alltäglichkeit.
Genau dies ist nun geschehen, und zwar mit dem Beitrag der New York Post «New York Times’ AG Sulzberger gives us another reason to search elsewhere for fairness» (Die New York Times von Arthur Gregg Sulzberger gibt uns einen weiteren Grund, woanders nach Fairness zu suchen).
Die Post ist nicht so bedeutend wie die Times, ist ihre Printauflage doch nur knapp halb so hoch (140.000 im Vergleich zu knapp 300.000). Doch letztlich handelt es sich auch um ein Mainstreammedium, das als konservative Boulevardzeitung eingestuft und von der mit Rupert Murdoch assoziierten News Corp. herausgegeben wird.
Allerdings glänzt die Post immer wieder mit unkonventionellen, kritischen Artikeln. 2020 etwa brachte die Zeitung einen «explosiven» Bericht über den «Laptop aus der Hölle» von Hunter Biden, dem Sohn von US-Präsident Joe Biden.
Dieser war unter anderem gespickt mit Beweisen für Einflussnahme und Drogenkonsum. «Big Tech» habe fast vier Jahre lang versucht, diese Enthüllung zu unterdrücken, so die Post, doch schließlich spielte das Gerät eine bedeutende Rolle im Prozess gegen den 54-Jährigen wegen Waffenbesitzes.
Die New York Times hat sich auch hier nicht mit Ruhm bekleckert. Konnte sie doch selbst im Juni dieses Jahres «immer noch nicht zugeben, dass Hunter Bidens Laptop echt ist», wie es die Post ausdrückte.
Oder nehmen wir den 2004 von der Post veröffentlichten Artikel «AIDS Tots Used as ‹Guniea Pigs›» (AIDS-Kinder als ‹Versuchskaninchen› benutzt). Dieser enthüllte, dass in US-weiten, teils von Pharmafirmen wie GlaxoSmithKline finanzierten Studien Medikamentencocktails von bis zu sieben Präparaten über Jahre hinweg an schwarzen und Latino-Kindern aus ärmlichsten Verhältnissen, darunter auch Babys, getestet worden waren. Folge: Die Kleinen erlitten Gehirn- und Knochenmarkschäden, Erblindungen, Schlaganfälle – und einige Kinder starben auch.
Viele von Ihnen hatten sich in der Obhut von Einrichtungen wie dem New Yorker Incarnation Children‘s Center (ICC) befunden. Zugleich verdiente das ICC daran, dass es die Kinder für die Tests zur Verfügung stellte. Dabei handelte es sich bei den Medikamententests an den Kindern um so genannte Phase-1- und Phase-2-Trials, die mit dem höchsten Risiko verbunden sind, dass die Gesundheit Schaden nimmt – und ohne dass ein Nutzen für die Kinder vorhersagbar wäre.
Die New York Times griff die Tragödie zwar auch auf, spielte sie aber in einem 2005er Artikel regelrecht herunter bzw. beschönigte sie geradezu, indem sie schrieb:
«Die an den Versuchen beteiligten Ärzte und Bundesgesundheitsbeamten haben ihre Arbeit nachdrücklich verteidigt. Sie sagen, dass Hunderte, vielleicht Tausende von Kindern davon profitiert haben; viele davon waren Kinder, die nicht in Pflegefamilien untergebracht waren.
Es wäre unmenschlich gewesen, kranken Kindern vielversprechende Medikamente vorzuenthalten, nur weil sie in Pflegefamilien untergebracht waren, sagen die Ärzte ... Zahlreiche befragte Ärzte sagten, sie wüssten von keinem Pflegekind, das an den Folgen der Versuche gestorben sei.»
Ein 2009 publizierter Abschlussbericht, veröffentlicht auf der Website der von Vera Sharav gegründeten Patientenschutzorganisation Alliance for Human Research Protection, kommt derweil zu dem Schluss, dass «80 Kinder bei den Versuchen starben».
Nun hat sich die New York Post das Konkurrenzblatt aus dem Big Apple vorgeknöpft und kommt zu dem vernichtenden Schluss: Wer medial «nach Fakten und Fairness sucht, sollte woanders suchen» als bei der New York Times.
Als ein Beispiel dafür nennt die Post einen Beitrag, der in der Washington Post erschienen ist, aber vom Times-Chef Sulzberger verfasst worden war. Er trägt die Headline «How the quiet war against press freedom could come to America» (Wie der stille Krieg gegen die Pressefreiheit nach Amerika kommen könnte).
Nach Auffassung der New York Post hätte die Washington Post diesem Kommentar folgenden Warnhinweis verpassen sollen: «Vorsicht: Wer einen empfindlichen Magen oder Respekt vor der Wahrheit hat, sollte hier aufhören [zu lesen].»
Leider habe sie keinen solchen Warnhinweis gegeben, beklagt die Post, und stattdessen Sulzberger «weitermachen lassen, als ob seine fabulistischen Behauptungen auf der Realität beruhen würden». Und weiter:
«Der Meinungsartikel war doppelt entmutigend, weil er zwar in der Washington Post erschien, aber vom Herausgeber der New York Times verfasst wurde. Beide Zeitungen dachten wahrscheinlich, dass das gemeinsame Imprimatur die Leserschaft und die Wirkung erhöhen würde. Stattdessen wird durch diesen Flop ihr Bemühen darum, Fehlinformationen zu verbreiten, nur noch offensichtlicher.»
Auch habe Sulzberger «die Frechheit zu behaupten», so die Post, dass er kein Interesse daran habe, sich in die Politik einzumischen, und er auf keinen Fall zulassen werde, dass die Times bei ihrer Wahlberichterstattung «die Neutralität über Bord wirft». Dazu die Post:
«Oh, bitte, liest Sulzberger seine eigene Zeitung überhaupt? Oder vielleicht hat er, wie so viele andere New Yorker, die Hoffnung, einen Anschein von Unparteilichkeit zu erwecken, aufgegeben. Zu den Zeilen, die einen eigenen Warnhinweis verdienen, gehört auch diese: ‹Wir bei der Times haben uns verpflichtet, den Fakten zu folgen und ein vollständiges, faires und genaues Bild der Novemberwahlen und der Kandidaten und Themen, die sie prägen, zu präsentieren.›<br
Und das [stammt] von dem Herausgeber einer Zeitung, die jeden Tag drei oder vier belastende Geschichten gegen Trump bringt und in seinem demokratischen Gegner nur ‹Freude› und ‹Hoffnung› sieht»
Kamala Harris hingegen könne sich nicht nur der Unterstützung der 1851 erstmals erschienenen Zeitung sicher sein, sie werde auch nicht wegen ihrer politischen Kehrtwendungen unter Druck gesetzt. In Bezug auf Trump sei die Zeitung aber «so voller Hass», dass ein Buchkritiker in der Times sogar erklärt habe, die Verfassung sei eine der «größten Bedrohungen» für das Land. Dies sei dann damit begründet worden, dass Trump 2016 das Electoral College gewonnen habe – also das Wahlkollegium, durch das anhand der Stimmen der US-Wählerinnen und -Wähler bestimmt wird, wer in den kommenden vier Jahren im Weißen Haus sitzen wird.
Sulzbergers Essay spiegele wider, wie wenig er die USA verstehe. Die Nation sei politisch gespalten, gibt die Post zu bedenken, doch die Times verkörpere «die Arroganz der städtischen, elitären Linken, da sie mit Verachtung auf diejenigen blickt, die die Welt anders sehen».
Voreingenommenheit sei bei ihr so tief verwurzelt, dass sie auch keine Einwände dagegen erhebe, wenn die Demokraten die Gerichte nutzen, um zu versuchen, Trump in den Bankrott zu treiben, ins Gefängnis zu stecken und von der Wahl fernzuhalten. «Wenn [hingegen] die Republikaner so etwas versuchen würden, würde [aus Sicht der Times] der Himmel einstürzen», so die Post.
Nach der Wahl 2016 habe sich der ehemalige Verleger, Sulzbergers Vater, in einem Brief an die Leser gewandt und sich gewissermaßen dafür entschuldigt, dass er Trumps Anziehungskraft nicht besser verstanden habe.
Diese Blindheit sei zum Teil damit erklärt worden, dass sich einige Mitglieder der Redaktion darauf vorbereitet hätten, den Sieg von Trumps Herausforderin Hillary Clinton zu feiern. «Es ist zwar verständlich, dass die Wahlnacht für viele Demokraten in Tränen endete, aber Tränen in der Redaktion der größten Zeitung des Landes sind tabu – oder hätten es sein sollen», so die Auffassung der Post.
Jetzt, acht Jahre später, habe sich die Zeitung noch tiefer in den parteiischen Sumpf begeben. So unterstütze sie die Zensur konservativer Stimmen durch Big Tech, das heißt, sie glaube an die Meinungsfreiheit nur für Reden, mit denen sie einverstanden ist.
Besonders deutlich werde dies daran, dass sie mit ihrer Berichterstattung offenkundig dazu beitragen möchte, Trump unbedingt vom Weißen Haus fernzuhalten. Die Post:
«Letztlich steht es der Times wie allen Medien – und allen Amerikanern – frei, so ziemlich alles zu sagen und zu schreiben, was sie will. Aber sie wäre glaubwürdiger, wenn sie zugeben würde, dass sie eine politische Agenda verfolgt, und den Anschein von Fairness aufgeben würde.»