Der nunmehr ehemalige US-Außenminister Anthony Blinken bestand Ende 2022 auf der Fortsetzung des Krieges in der Ukraine. Das berichtete die New York Times (NYT) am Samstag.
Der damalige Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs der US-Armee, Mark A. Milley, hatte Ende 2022 vorgeschlagen, die Ukraine solle nach Erfolgen auf dem Schlachtfeld Friedensgespräche mit Moskau aufnehmen. Doch Blinken bestand laut dem NYT-Bericht darauf, dass der Krieg weitergehen solle.
Die Zeitung hat auch darauf hingewiesen, dass der Außenminister die antirussischen Sanktionen initiierte und die Waffenlieferungen durch 50 Länder an die Ukraine organisierte. Während des gesamten Konflikts habe er sich gegen «risikoscheuere» Pentagon-Beamte für die Entsendung von Militärhilfe in die Ukraine eingesetzt. «Blinken war weniger ein Friedensstifter als vielmehr ein Militärstratege», stellt das US-Blatt fest.
In dem Beitrag geht es darum, wie Blinken als höchster US-Diplomat «zum Kriegsminister» wurde – allerdings in einem wohlmeinenden Duktus. Die Details in dem Text, der es mit dem «Kriegsminister», der die Diplomatie verriet, gut meint, sind interessant. Er zeigt – unbeabsichtigt –, was für eine Heuchelei auf westlicher Seite betrieben wird. So etwa auch, als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron laut NYT Blinken Anfang Januar bei einer Zeremonie im Élysée-Palast als «einen herausragenden Diener des Friedens» bezeichnete.
Das Blatt schreibt ebenso, dass Demonstranten in den USA Blinken wegen der Unterstützung des israelischen Vernichtungskrieges gegen die Palästinenser als «blutigsten Außenminister des Völkermords» bezeichneten. Bei der Abschlusspressekonferenz des Außenministers habe ein Journalist erklärt, dass dieser vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gehöre, woraufhin er von Sicherheitskräften abgeführt worden sei.
Gesicht der US-Kriege
Blinken war laut der US-Zeitung «das Gesicht von Amerikas tiefgreifendem Engagement in zwei Kriegen, einem in der Ukraine und dem anderen in Israel und Gaza». Beim ersten sei es um die «Verteidigung der Ukraine gegen Russland» gegangen – «eine populäre Sache» laut NYT.
Blinken habe sich in Lob gesonnt, als er sich dabei «auf die höchsten Prinzipien des Völkerrechts und der Menschenrechte berief», heißt es. Doch der Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser im Gazastreifen sei für die Biden-Regierung zu einem politischen und moralischen Albtraum geworden, da bei israelischen Angriffen mit von den USA gelieferten Waffen schätzungsweise 46.000 Palästinenser getötet wurden, darunter viele Frauen und Kinder.
Der nunmehrige Ex-Außenminister wird als «jahrzehntelanger Adjutant und Ersatzsohn» von Joseph Biden bezeichnet. Sein Wirken sei «so eng mit Konflikten verbunden, dass er genauso gut mit einem Titel aus dem Kabinett bezeichnet werden könnte, der noch immer auf den Amtstafeln im alten Gebäude des Außenministeriums zu sehen ist – Kriegsminister», schreiben die NYT-Autoren. Sie geben Blinken-Äußerungen wieder, wonach es diesem wichtiger war, sich mit Waffensystemen und Kriegsstrategien zu beschäftigen, als mit der Kunst der Diplomatie, um Frieden zu erreichen. Er soll gesagt haben:
«Die Vereinigten Staaten sind in der Lage, sich in einer umstritteneren, komplizierteren und explosiveren Welt aus einer Position der Stärke heraus zu engagieren. Das ist es, was ich für unser Vermächtnis halte.»
Doch Blinkens Vermächtnis beruhe nicht auf der Aushandlung großer Friedensverträge, wie es sich für die Diplomatie gehört, sondern auf seiner Rolle in zwei Kriegen. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 sei sein «großer Moment» gekommen. Er habe zuvor noch erklärt, dass die Vereinigten Staaten erneut «die Grundsätze des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit» verteidigen würden. Seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow habe er gewarnt, dass ein Angriff auf die Ukraine «eine schnelle, harte und geschlossene Reaktion» nach sich ziehen würde.
Nach dem Einmarsch habe Blinken «eine Koalition von etwa 50 Nationen» zusammengeführt, die sich dazu verpflichtete, die Ukraine mit Waffen zu beliefern, sowie Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen. Das Blatt verschweigt die vom Westen torpedierten ukrainisch-russischen Verhandlungen von Istanbul im Frühjahr 2022, die ein frühzeitiges Ende der Kämpfe hätten bringen können. Stattdessen wird behauptet, im Verlauf des Krieges habe keine der beiden Seiten Verhandlungen angestrebt, «so dass Blinken weniger als Friedensstifter denn als Kriegsstratege agierte»:
«Er war in die Details der militärischen Ausrüstung und der Bedingungen auf dem Schlachtfeld vertieft und sprach sich oft gegen risikoscheuere Pentagon-Beamte aus, um die Lieferung leistungsstarker amerikanischer Waffen an die Ukraine zu befürworten.»
Er habe darauf bestanden, dass der Krieg fortgesetzt werden solle, nachdem der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs der US-Truppen, Mark A. Milley, Ende 2022 vorschlug, die Ukraine solle die auf dem Schlachtfeld erzielten Erfolge nutzen, indem sie Friedensgespräche mit Moskau aufnehme.
Unterstützer Israels
Der Beitrag der New York Times geht auch auf die Rolle Blinkens bei der Unterstützung des israelischen Vernichtungskrieges gegen die Palästinenser nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 ein. Der Außenminister habe sich dabei immer auch als Jude verstanden, dessen Stiefvater die faschistische Judenvernichtung überlebt hatte.
Er habe zwar die Israelis aufgefordert, eine «maßvolle Reaktion» zu zeigen, aber auch nicht klar widersprochen. Auch nicht, als israelische Beamte in dem Zusammenhang daran erinnerten, dass die USA einst bereit gewesen waren, Hiroshima und Nagasaki mit Atombomben zu vernichten.
Auch in diesem Fall habe Blinken sich weniger in diplomatische Bemühungen für ein Kriegsende, stattdessen aber in militärische Angelegenheiten vertieft und mit dem israelischen Kriegskabinett Einzelheiten der Strategie besprochen, so das Blatt. Zwar habe er die Israelis gebeten, mehr humanitäre Hilfe zuzulassen und die Zahl der zivilen Opfer zu begrenzen, während sie Gaza bombardierten und Krankenhäuser, Schulen und Moscheen in Schutt und Asche legten. Aber Beamte des US-Außenministeriums hätten vergeblich darauf hingewiesen, dass Israel verzweifelten Palästinensern absichtlich Lebensmittel und Medikamente vorenthielt. Monatelang habe Blinken dazu nur erklärt, das Ministerium «prüfe» Berichte über israelische Kriegsverbrechen.
Hinweise von Kritikern dieser Politik, dass nur die Zurückhaltung der US-Militärhilfe den israelischen Ansatz ändern würde, seien ignoriert worden. Stattdessen seien die Waffenlieferungen ausgeweitet und 26 Milliarden US-Dollar an «Hilfsgeldern» für Israel bewilligt worden.
Laut der Zeitung schickten Beamte des US-Außenministeriums ihrem Vorgesetzten Dissens-Depeschen, in denen sie sich der Politik widersetzten. Eine Handvoll von ihnen habe gekündigt und öffentlich Blinkens Politik widersprochen. So habe Michael Casey, Diplomat und Veteran des Irakkriegs und im Außenministerium mit dem Gazastreifen befasst, erklärt: «Wir unterstützen die Ziele der israelischen Regierung über unsere eigenen Interessen.» Antony Blinken sei von allen Personen an der politischen Spitze «am enttäuschendsten», wird Casey zitiert.
Das kürzlich vereinbarte Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der palästinensischen Hamas sei nur durch Druck des designierten Präsidenten Donald J. Trump zustande gekommen. Dem Zeitungsbericht zufolge sei Blinken nicht bewusst, was er angerichtet hat, was mehr sei als nur ein Verrat an den hehren Zielen der Diplomatie. «Die Dämonisierung, die wir in alle Richtungen sehen», treibe ihn «mehr als alles andere» an, wird er zitiert. Und: «Die Unfähigkeit, das Leid auf jeder Seite anzuerkennen, die Unfähigkeit, die Menschlichkeit im anderen zu sehen.»
Erschreckend und bezeichnend dabei ist: Ende Dezember 2024 nahm die deutsche Außenminister-Darstellerin und Diplomatie-Analphabetin Annalena Baerbock «wehmütig» von Blinken Abschied und postete gleich neun Fotos von sich und ihm auf der Plattform Instagram. Dazu schrieb sie:
«Tony Blinken ist nicht nur ein Kollege, auf den man sich immer verlassen kann. Ein Verfechter unserer Werte und wahrer Freund unseres Kontinents. Er ist auch ein wirklich fantastischer Gitarrist!»
Immerhin hat die US-Zeitung belegt, dass der «Diener des Friedens» auch nur ein weiterer «Knecht des Krieges» war und ist. Und klargestellt, dass er eben ein «Kriegsminister» war.