Es bleibt nur noch die Fiktion der Demokratie –
Konzerne und die Milliardärsklasse haben gewonnen.
Chris Hedges, Pulitzer-Preisträger
Liebe Leserinnen und Leser!
«Triumph für Merz! Mehrheit stimmt für Asyl-Wende ++ SPD schäumt vor Wut ++ AfD half Unions-Antrag.» So lautet die Schlagzeile des Bild.de-Aufmachers von heute um kurz nach 18 Uhr.
Hintergrund: Der Unions-Kanzlerkandidat hat sich in der Migrations-Debatte durchgesetzt – mit dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten für den Asyl-Stopp stimmte bzw. für den Fünf-Punkte-Plan von CDU/CSU. Dieser sieht die Zurückweisung aller illegaler Migranten an allen deutschen Grenzen vor – auch von Asylsuchenden, die keine Einreiseerlaubnis haben. Neben der Union stimmten auch FDP und einige fraktionslose Abgeordnete für den Antrag. Und auch die die AfD.
Der Ausgang war denkbar knapp: 348 Abgeordnete stimmten für den Entschließungsantrag, 345 dagegen. «Eine hauchdünne Mehrheit – aber mit großer politischer Signalwirkung!», wie es die Bild ausdrückt. Der Entschließungsantrag ist zwar rechtlich nicht bindend, aber die Abstimmung zeigt, dass es für den Asyl-Stopp eine Mehrheit gibt. «Dies deutet darauf hin, dass es auch am Freitag bei der Abstimmung über den Gesetzesentwurf – dieser ist bindend – eine Mehrheit geben kann», so das Boulevardblatt.
Volle Härte also gegen Aslysuchende. Klar, wenn man sich Greueltaten wie die des ausreisepflichtigen Asylbewerbers aus Afghanistan vergegenwärtigt, der vergangene Woche im fränkischen Aschaffenburg mit einem Messer zwei Menschen tötete und drei verletzte, packt einen die Wut. Zumal der 28-Jährige offenbar gezielt eine Kindergartentruppe attackierte und einer der Toten ein zweijähriger Junge war, während sich unter den Verletzten ein zweijähriges Mädchen befand.
Wütend machen kann einen auch, wenn die Politik ein einstmal erfolgreiches Wirtschaftsmodell wie das deutsche regelrecht so an die Wand fährt, dass ein Medium wie das Wall Street Journal zu dem Schluss kommt, diese Modell sei «kaputt» und es gebe «nicht einmal einen Plan B» – und wenn bei vielen hier Lebende aus welchen Gründen auch immer das Gefühl aufkommt, sie würden in Konkurrenz stehen zu Asylsuchenden oder anderen Migranten oder womöglich auch nicht vergleichbare Unterstützung bekommen.
Die Taktik, die ich dahinter sehe, ist, salopp formuliert, diese: Je mehr sich der Pöbel prügelt, desto mehr können die Herrschenden unbeobachtet und unkontolliert ihre Macht ausbauen bzw. ausüben. «Divide et impera» könnte man auch sagen.
Wie ich in meinem Newsletter vom zweiten Weihnachtsfeiertag bereits schrieb, kommt einem – und insbesondere, aber nicht nur den Deutschen – beim Blick auf die Wirtschaftslage vor allem die politische und ökonomische Krise in den Sinn. Und die kann, was die «Masse» angeht, eigentlich nur gewollt sein.
Indiz hierfür ist allein die nicht enden wollende Hungerkrise auf der Welt, die mit gerade einmal ein paar Milliarden Dollar zu lösen wäre, wie bereits der deutsche Ex-Kanzler und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt Mitte der 1980er Jahre konstatierte. Dies geschieht aber nicht, weil offenkundig nicht gewollt.
Oder nehmen wir den prekären Umstand, dass immer mehr Menschen in Deutschland auf Tafeln angewiesen sind – mittlerweile 1,6 Millionen – und viele dieser Tafeln wegen der steigenden Zahl an Bedürftigen an eine Kapazitätsgrenze geraten und ihre Lebensmittel rationieren müssen. Auch das ist keinesfalls «gottgegeben» – und auch dieser tragische Zustand müsste nicht sein, wenn die Politik die passenden Rahmenbedingungen schaffen würde.
Kurzum, die Politik versäumt es, die Wurzeln der Probleme anzupacken. Alles ist nur Flickschusterei an Symptomen, daher ändert sich auch nichts. Das gilt auch für die Asylproblematik. Auch hier liegt das eigentliche Problem in der Ausbeutung und Korrumpierung der armen Länder, die letztlich nur als billige Rohstofflieferanten für die Konzerne, deren Handlanger die führenden Politiker sind, zu dienen haben.
Keine sogenannte «Asyl-Wende» wird irgendetwas entscheiden zum Besseren wenden, das wage ich vorauszusagen. Nicht in Deutschland, und global schon gar nicht. Es ist wie mit den Bettlern, die aus den Innenstädten vertrieben werden. Durch ihre Vertreibung verschwinden sie ja nicht, wenn die Politik nicht insgesamt für gerechtere Strukturen sorgt.
Aber klar, Härte zeigen gegen Asylsuchende scheint momentan Stimmen zu bringen. Und sollte Merz tatsächlich Kanzler werden, wird sich aber wieder substanziell nichts ändern (siehe dazu auch unseren Newsletter «Friedrich Merz und seine Ansichten zu Frieden und Freiheit»), denn das Problem sind die am Ruder sitzenden Politiker selbst. Jede Wette!
Alles Gute trotz allem!
Torsten Engelbrecht