Am 9. Mai wird in Russland der 80. Jahrestag des Sieges über den deutschen Faschismus begangen. Einem ukrainischen Medienbericht zufolge soll an diesem Tag auch der Ukraine-Krieg enden – so sehe es zumindest der angebliche Plan von US-Präsident Donald Trump für ein Kriegsende in 100 Tagen vor.
Das ukrainische Portal Страна.ua hat den angeblichen Plan am Sonntag veröffentlicht und beruft sich dabei auf ukrainische Quellen. Diese hätten durch europäische Diplomaten davon erfahren, die wiederum durch US-Kreise davon in Kenntnis gesetzt worden seien.
Das Portal betont, dass es bisher keine Bestätigung für die Echtheit dieses «Plans» gebe. Aber weil das Thema der friedlichen Beilegung des Konflikts in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit habe, sei beschlossen worden, ihn zu veröffentlichen. Einige der darin enthaltenen Bestimmungen würden sich zudem mit dem decken, was Trump und sein Ukraine-Sonderbeauftragter Keith Kellogg bereits erklärt haben.
Aus dem gleichen Grund geben wir hier den Inhalt des Beitrags des ukrainischen Portals wieder – im Wissen, dass der weitere Verlauf der Ereignisse zeigen wird, was daran wahr ist. Demnach ist für Ende Januar oder Anfang Februar ein Telefongespräch Trumps mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin geplant. Danach soll der Plan mit den ukrainischen Behörden besprochen werden, heißt es.
Je nach Gesprächsergebnis können die Gespräche entweder pausieren, falls keine Berührungspunkte gefunden werden, oder im positiven Fall einer Einigung würden die Gespräche fortgesetzt. Für Letzteres sei ein Zeitplan vorgesehen, zu dem als erster Schritt gehöre, dass der Kiewer Präsident Wolodymyr Selenskyj sein eigenes Dekret über das Verbot von Verhandlungen mit Russland aus dem Herbst 2022 aufhebt.
Im Februar und in der ersten Märzhälfte 2025 solle dann ein Treffen zwischen Trump und Selenskyj sowie Trump und Putin stattfinden. Es werde separat entschieden, ob es ein trilaterales Treffen oder zwei bilaterale Treffen geben werde, heißt es. Dabei sollen die wichtigsten Parameter des Friedensplans gebilligt und die Arbeit an dem Abkommen auf der Ebene der Sonderbevollmächtigten fortgesetzt werden.
Dem Plan zufolge blockiere Trump nicht die weitere US-Militärhilfe für die Ukraine, während die Verhandlungen laufen und die Kämpfe weitergehen. Ab Ostern, dem 20. April 2025, solle eine Waffenruhe entlang der gesamten Frontlinie ausgerufen werden und gleichzeitig sollen alle ukrainischen Truppen aus der russischen Region Kursk abgezogen werden.
Ende April 2025 solle eine internationale Friedenskonferenz ihre Arbeit aufnehmen, die unter Vermittlung der USA, Chinas, einer Reihe europäischer Länder und des globalen Südens ein Abkommen zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation über die Beendigung des Krieges festlegen solle. Zum gleichen Zeitpunkt soll demnach der Austausch von Gefangenen nach der Formel «alle für alle» beginnen.
Eine Erklärung der internationalen Friedenskonferenz zur Beendigung des Krieges in der Ukraine auf der Grundlage der vereinbarten Parameter ist laut dem Portal Страна.ua vor dem 9. Mai vorgesehen. Danach solle Kiew das Kriegsrecht und die Mobilisierung aufheben und für Ende August dieses Jahres Präsidentschaftswahlen und Ende Oktober Parlaments- und Kommunalwahlen in der Ukraine abhalten.
Die vorgeschlagenen Parameter des Abkommens, das im Rahmen der internationalen Konferenz vereinbart werden soll, sollen die folgenden sein:
- Die Ukraine wird nicht Mitglied der NATO sein und erklärt ihre Neutralität. Auf einem NATO-Gipfel soll ein Beschluss über das Verbot der Aufnahme der Ukraine in das Bündnis gefasst werden.
- Die Ukraine wird bis 2030 Mitglied der EU sein. Die EU engagiert sich für den Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg.
- Die Ukraine wird ihre Armee nicht, wie von Russland gefordert, verkleinern. Die USA sagen weitere Unterstützung bei der Modernisierung der ukrainischen Armee zu.
- Die Ukraine lehnt militärische und diplomatische Versuche zur Rückgabe der besetzten Gebiete ab. Sie erkennt jedoch die russische Souveränität über diese Gebiete nicht offiziell an.
- Ein Teil der Sanktionen gegen die Russische Föderation soll unmittelbar nach dem Friedensabkommen aufgehoben werden. Ein weiterer Teil soll innerhalb von drei Jahren aufgehoben werden, wenn Russland sich an das Abkommen hält. Alle Beschränkungen für russische Energie-Einfuhren in die EU sollen aufgehoben werden. Für einen bestimmten Zeitraum wird jedoch ein von der EU auferlegter Sonderzoll für Russland gelten, dessen Mittel für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden.
- Parteien, die für die Verteidigung der russischen Sprache und die friedliche Koexistenz mit Russland eintreten, sollen an den Wahlen in der Ukraine teilnehmen dürfen. Alle antirussischen Maßnahmen müssen auf staatlicher Ebene eingestellt werden.
- Zu EU-Friedenstruppen nach Beendigung der Feindseligkeiten sollen gesonderte Konsultationen zwischen allen Parteien stattfinden. Einerseits wird dies von Kiew als Sicherheitsgarantie gefordert. Auf der anderen Seite wird es von der Russischen Föderation kategorisch abgelehnt.
Das Portal weist darauf hin, dass das öffentliche Interesse an einer friedlichen Lösung in der Ukraine gestiegen ist. Dies bestätige auch die große Resonanz, die der Beitrag über den angeblichen Plan bisher ausgelöst habe.
Entscheidend sei, welche Strategie Trump wählen werde, heißt es. Die von der «Kriegspartei» im Westen und den ukrainischen Behörden vertretene Position sei, dem Kreml gar nichts anzubieten, mit ihm nicht über irgendwelche Kompromisse zu reden, sondern den Druck auf Russland wirtschaftlich (durch Sanktionen und niedrigere Ölpreise) und militärisch (durch verstärkte Waffenlieferungen an die Ukraine) zu erhöhen. Putin solle dann selbst um Frieden bitten und die diktierten Bedingungen akzeptieren.
Folge Trump weiter dem Kriegskurs, gebe es an Ostern und am 9. Mai kein Ende des Krieges, sondern dessen scharfe Eskalation, so das Portal:
«Mit der Aussicht, dass die NATO-Länder direkt in den militärischen Konflikt hineingezogen werden.»
Komme es zu Gesprächen und Verhandlungen, hänge alles von den angebotenen Bedingungen ab. Aber die Chancen, dass in naher Zukunft eine Einigung über die Beendigung des Krieges erzielt werden könne, seien «bei weitem nicht gleich Null».
Der Leiter des Büros von Selenskyj, Andriy Yermak, erklärte unterdessen am Sonntag auf der Plattform Telegram, dass «es in den Medien keine ‹Friedenspläne› in 100 Tagen gibt». Entsprechende Vorschläge oder Informationen würden von russischer Seite gestreut.
Am 22. Januar hatte die US-Zeitung Wall Street Journal berichtet, dass Trump seinen Sondergesandten für die Ukraine, Keith Kellogg, angewiesen habe, den russisch-ukrainischen Krieg innerhalb von 100 Tagen zu beenden. «Fast niemand glaubt, dass er das schaffen kann», schrieb die Zeitung.
Am 22. Januar drohte Trump in einem Beitrag auf der Plattform TruthSocial, hohe Steuern und Zölle sowie Sanktionen auf alles zu verhängen, was Russland an die USA und andere Länder verkauft, wenn nicht bald ein Friedensabkommen mit der Ukraine geschlossen werde. Zwei Tage später sagte er, dass Selenskyj «kein Engel» sei und «diesen Krieg nicht hätte zulassen dürfen».
Die britische Zeitung The Independent berichtete am Sonntag, dass der Chef der Fraktion «Diener des Volkes» im ukrainischen Parlament, David Arachamiya, an der Amtseinführung von Trump teilgenommen habe. Er hatte die ukrainische Delegation bei den abgebrochenen Verhandlungen in Istanbul im Jahr 2022 geleitet.
Der Zeitung zufolge habe ihre Quelle Arachamiyas Einladung als «einen wichtigen Schritt, der Trumps Absicht zeigt, sicherzustellen, dass die Ukraine ein gutes Abkommen erhält», bezeichnet. Die Äußerungen würden offenbar die Uneinigkeit über die Unterstützung für die Ukraine innerhalb der neuen Trump-Administration widerspiegeln, dennoch «will er den Krieg bis zum Frühjahr beenden».
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