Dieser Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung von l’AntiDiplomatico übernommen.
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Die Antrittsrede des neuen US-Präsidenten Donald Trump sorgte sowohl in der Presse als auch unter italienischen Meinungsbildnern für Aufsehen. Einige Passagen, so betonte man, markieren angeblich einen Wendepunkt in der Geschichte Washingtons. Ohne Zweifel zeugen manche präsidiale Durchführungsverordnungen – etwa die Aufhebung des Moratoriums für die Todesstrafe bei der Ermordung von Polizeibeamten durch illegale Einwanderer oder die zwangsweise Abschiebung irregulärer Migranten – von einer Wende, die man als «rassisch» und suprematistisch bezeichnen kann.
Doch betrachtet man die Aussagen in Trumps Rede genauer, wird deutlich, dass wir es, allen Skandalisierungen zum Trotz, mit einer Ideologie zu tun haben, die ihre Wurzeln tief in den Anfängen der Vereinigten Staaten hat.
Nehmen wir einige Passagen aus Trumps Rede/Manifest:
«Unsere Freiheiten und das glorreiche Schicksal unserer Nation werden uns nicht länger verwehrt bleiben»; «Wir werden unser manifestes Schicksal bis zu den Sternen verfolgen und Astronauten entsenden, um die Sterne und Streifen auf dem Mars zu pflanzen»; «Meine Botschaft an die Amerikaner ist, dass der Moment gekommen ist, wieder mit Mut, Energie und Vitalität zu handeln – wie die größte Zivilisation der Geschichte»; und schließlich: «Es gibt keine Nation wie die unsere. […] Der Pioniergeist ist in unsere Herzen gemeißelt. Der Ruf nach dem nächsten großen Abenteuer hallt in unseren Seelen wider.»
Offensichtlich sind die Themen – die wahren Topoi des US-amerikanischen Geistes – eines Schicksals, das es zu erfüllen gilt und das sich ständig weiterentwickelt, und der Nation, die in der Geschichte einzigartig ist, die gewählt wurde und die vor allen anderen in einer Position der ahistorischen Überlegenheit steht. Interessanterweise finden sich ähnliche Motive auch in der Antrittsrede im Jahre 2008 von Barack Obama, der oft als radikales Gegenstück zu Trump angesehen wird:
«Unsere Geschichten sind einzigartig, aber unser Schicksal ist ein gemeinsames, und ein neuer Morgen der amerikanischen Führungsrolle ist greifbar. […] An all jene, die sich fragten, ob das Licht Amerikas noch so hell leuchtet wie zuvor: Heute Abend haben wir bewiesen, dass die wahre Stärke unserer Nation […] aus der anhaltenden Kraft unserer Ideale erwächst.»
Während Trumps Aussagen in ein «Isolationismus»-Paradigma einzuordnen sind, wirken Obamas Worte universeller und inklusiver (wenn auch nie multipolar). Dennoch verankern beide Reden die Vereinigten Staaten untrennbar in einem Schicksal, das erfüllt werden muss. Dabei bleibt die Dimension des Religiösen und der Vorsehung – wenn auch unterschiedlich akzentuiert – stets präsent.
Bei Trump ist es ein Gott, der vor Anschlägen rettet; bei Obama und Biden ein Gott, der die USA führt und segnet. Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür ist Obamas Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Oktober 2013:
«Die Gefahr für die Welt besteht darin, dass die Vereinigten Staaten […] sich zurückziehen und ein Führungsvakuum schaffen, das keine andere Nation zu füllen vermag. […] Aber ich glaube, dass Amerika außergewöhnlich ist, weil wir durch Blut und wirtschaftliche Opfer bewiesen haben, dass wir nicht nur unser nationales Interesse verfolgen, sondern das Interesse aller.»
Vor ihm sprach ein weiterer hochgelobter demokratischer Präsident, Bill Clinton, im Januar 1993 von einer «heiligen Verantwortung» der USA gegenüber der gesamten Welt als Teil einer «zeitlosen Mission».
Manifest Destiny: Die göttliche Vorsehung und ihre Ursprünge
Die Begriffe «Manifest Destiny», Gott und Vorsehung führen zurück zu den Ursprüngen der Vereinigten Staaten. In seiner Rede zum Beginn der zweiten Amtszeit griff Präsident Jefferson das biblische Thema des auserwählten Volkes auf und projizierte es auf die US-Amerikaner, die in ein reiches, ihnen zugedachtes Land geführt wurden – eine Art neues Eden.
Der Neue Kontinent, so der Historiker Anders Stephanson, war «kein einfacher Außenposten der europäischen Zivilisation, sondern ein heiliger Prüfstein von weltweiter Bedeutung», bei dem jede Aktivität Teil eines «heiligen Kriegs gegen Satan und die Ungläubigen» wurde. Alles außerhalb dieser Gemeinschaft des Schicksals war profan und damit etwas, das überwunden, erobert und zerstört werden musste.
Jeffersons Demokratie lud das US-amerikanische Projekt mit universeller moralischer Bedeutung auf und machte die USA zur Verkörperung der Interessen der gesamten Menschheit. «Die Vereinigten Staaten sind wahrlich eine auserwählte Nation, und das Volk wurde speziell von der Vorsehung ausgewählt, eine historische Mission zu erfüllen», pflegte Jefferson zu sagen. Es ist der Nationalismus eines Imperiums der Freiheit, das mit einer Mission betraut ist, die in jedem Hindernis nur einen nicht reduzierbaren Feind sehen kann, dessen Unreinheit beseitigt werden muss.
Der Ausdruck «Manifest Destiny» – untrennbar mit dem Thema des Exzeptionalismus verbunden – wurde 1845 von dem Journalisten John O’Sullivan geprägt, um die Annexion von Texas (und die Aggression gegen Mexiko) als Fortsetzung der Amerikanischen Revolution und ihrer Ideale zu rechtfertigen, gerade als der neue Unionsstaat daran gehindert wurde, die Sklaverei einzuführen.
Niemandem könne das Recht zugestanden werden, sich dieser «offenkundigen Bestimmung zu widersetzen, die uns dazu führt, den Kontinent zu erweitern und zu bevölkern, den uns die Vorsehung für die freie Entwicklung von Millionen von Menschen zugewiesen hat, die sich dort jedes Jahr vermehren». Eine freie Entwicklung, die, wie wir wissen, weder die Ureinwohner – 1831 definiert der Oberste Gerichtshof die Cherokee als «interne, untergeordnete Nation», während der Schriftsteller Franz Baum die «amerikanischen Ureinwohner» als «Hunde, die kläffen und die Hände lecken, die sie schlagen», beschreibt – noch die Sklaven einschließt.
Ende des 19. Jahrhunderts veröffentlichte der Pfarrer und Schriftsteller Josiah Strong ein erfolgreiches Buch mit dem Titel «Our Country», in dem die angelsächsische Ethnie bezeichnet wird als «in einer besonderen Beziehung zur Zukunft der Welt» stehend und «von Gott dazu bestimmt, [...] der Beschützer seiner Brüder zu sein». Nach dem Sieg über Spanien (1898) und der Eroberung der Philippinen drückte es Präsident McKinley so aus:
«Wir konnten sie nicht ihrem Schicksal überlassen (sie sind unfähig, sich selbst zu regieren): Es würde schnell Anarchie herrschen und die Situation wäre schlimmer als unter spanischer Herrschaft. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als sie zu nehmen und die Filipinos zu erziehen, sie zu erheben, zu zivilisieren und zu christianisieren. Kurzum, mit Gottes Hilfe das Beste für sie zu tun, die unsere Mitmenschen sind, für die Christus ebenfalls gestorben ist.»
Innenpolitische Auswirkungen
Doch was geschieht im Inneren, während «Manifest Destiny» und Exzeptionalismus eine explizit imperialistische Außenpolitik untermauern? Die Schwarzen waren zwar nicht Opfer einer geplanten Ausrottung, aber innerhalb weniger Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei wurden sie Opfer eines energischen Prozesses der De-Emanzipation.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde der schwarzen Bevölkerung in mehreren Südstaaten durch die Einführung rigider Verfahren für die Ausübung des Wahlrechts (darunter eine Steuer und eine Prüfung über die allgemeine Kultur) de facto das Wahlrecht verweigert, während sich die Rassentrennungsgesetze wie ein Lauffeuer ausbreiteten (Florida, Texas, Mississippi, Alabama, Arkansas, Georgia, Louisiana...). Der Mythos der «weißen Vorherrschaft» nährte die ersten blutigen Überfälle auf schwarze Gemeinden und die abscheuliche Praxis der öffentlichen Lynchmorde. Der Historiker Maldwyn A. Jones kam zu dem Schluss:
«Ohne Wahlrecht, ohne rechtlichen Schutz, streng getrennt, ständig von individueller oder kollektiver Gewalt seitens der Weißen bedroht, nach einer Auffassung, die sich mit der Rassendiskriminierung im gesamten Süden verbreitete, als Bestien betrachtet, waren die Neger somit eine stark unterdrückte Minderheit.»
Diese kurze historische Reise zeigt, dass die Themen der offensichtlichen Bestimmung, des Exzeptionalismus und der von Gott geschützten Mission nicht getrennt werden können vom schwarzen Herzen der imperialen Gewalt und der Unterwerfung von Völkern, die sich dem göttlichen Plan widersetzen, sowie von einer Vorherrschaft, die sich sogar einen «rassischen» Diskurs auf die Fahnen geschrieben hat – ob sie nun von Trump unerschrocken dargelegt oder von Obama abgeschwächt und universalisiert werden.
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Diego Angelo Bertozzi hat an der Universität Mailand Politikwissenschaften und an der Universität Verona Philosophie und philosophische Wissenschaften studiert. Er beschäftigt sich seit langem mit der Geschichte der Arbeiterbewegung und Chinas. Er hat für Diarkos die Publikation «Die neue Seidenstraße. Die Welt im Wandel und die Rolle Italiens in der Belt and Road Initiative» (2019) veröffentlicht.
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