Von den Leitmedien ignoriert, fand mit der Beteiligung von russischen und amerikanischen Spezialisten – parallel zur von der offiziellen Schweiz organisierten Konferenz auf dem Bürgenstock am 15. und 16. Juni – in Flüehli das Mutual Peace Engagement Meeting 2024 statt.
Auf der entsprechenden Pressekonferenz in Bern zeigte sich, dass Friedensgespräche mit beiden Hauptkonfliktparteien in respektvoller und fairer Weise möglich sind.
Alec Gagneux, Initiator des Mutual Peace Engagement Meetings, ging eingangs darauf ein, dass alle illegalen Kriege der letzten Jahrzehnte, die das UNO-Gewaltverbot verletzten, mit einer Lüge begannen und in erster Linie den Rüstungsfirmen nützten, die ihre Profite maximierten. Die Wahrheit sei der größte Feind des Staates, zitierte Gagneux Joseph Goebbels sinngemäß.
Er skizzierte, wie Kriegsverbrecher wie Tony Blair und Bill Clinton durch immer mehr Sicherheitskräfte beschützt werden, während aufrechte Kämpfer für Frieden und Transparenz wie Drewermann, Assange und Snowden als gefährlich bezeichnet werden und wie die Kriegspropaganda immer offener betrieben wird.
Auch die Superreichen hätten Angst, obwohl sie in einer Art goldenem Käfig leben würden. Immerhin sei Indira Gandhi von einem Leibwächter erschossen worden. Und diese Menschen hätten auch Angst vor einem Nürnberger Tribunal 2.0.
Die einstige britische Premierministerin Liz Truss habe von unbegrenztem Wachstum gesprochen, während das asiatische Land Bhutan seine Politik an etwas ganz anderem misst: dem Glück der Menschen.
Es finde eine Versklavung statt wie nie zuvor. Es gehe beim Krieg in der Ukraine um Ressourcen, zum Beispiel um Lithium, nicht um die Menschen. Auch der Organhandel würde blühen. Und demokratisch nicht legitimierte Oligarchen und Strippenzieher würden sich immer öfter als Philanthropen ausgeben. Politiker seien auf die Unterstützung der Massenmedien angewiesen und seien deshalb intellektuelle Prostituierte und nicht die wirklichen Entscheidungsträger.
Eindrücklich zeigte er sodann, dass in Kriegszeiten die Börse boome. Geld sei grundlegend für den Krieg. Charakteristisch sei, dass das Militär, der größte Klimasünder, vom Pariser Klimaabkommen ausgenommen sei.
In Bezug auf den Krieg in der Ukraine machte er darauf aufmerksam, dass Russlands Reaktion lange auf sich habe warten lassen. Selbst NATO-Generalsekretär Stoltenberg habe gemeint, dass der Ukraine-Krieg eigentlich 2014 begonnen habe. Der Minsk-Prozess, eine unter geduldiger Vermittlung nach 2014 gestartete Friedensinitiative, habe, so Gagneux, die letzte allgemein akzeptierte Position hervorgebracht.
Der Journalist, Politiker und Unternehmer Alexander Peske, von russisch-deutscher Herkunft, stellte die russische Sichtweise der Ursachen und des Verlaufs des aktuellen Konflikts in und um die Ukraine dar.
Er zeigte auf, dass die Sicht auf beiden Seiten von Propaganda vernebelt werde. Peske, der als Wehrdienstverweigerer in die Schweiz gekommen ist, wies auch darauf hin, dass Russland Westeuropa nie angegriffen habe. Umgekehrt sei dies aber schon der Fall gewesen. Dabei nannte er nicht nur Napoléons «Grande Armée», sondern auch den weniger bekannten, aber nicht minder blutigen Krimkrieg einige Jahrzehnte später.
Er machte sodann deutlich, dass Russland kaum je weniger Männer unter Waffen gehabt habe als heute und eine Invasion der baltischen Staaten gar nicht stemmen könnte – geschweige denn Westeuropas. Ernüchternd meinte er, dass es hüben wie drüben kaum mehr Kommunisten gebe und dass auf beiden Seiten das Geld regieren würde.
Grenzen, so Peske, seien nichts Gottgegebenes, und die Menschen würden die Ukraine verlassen. Allein im übrigen Europa würden sich 1,5 Millionen Flüchtlinge aus diesem Land befinden. Auch der Schlachtruf «Slava Ukraini», also «Es lebe die Ukraine» (siehe hier) sei nicht von harmloser Herkunft. Das sei der Schlachtruf der Banderisten im Zweiten Weltkrieg gewesen.
Wäre ein Kompromiss möglich? Peske beantwortete die Frage nicht direkt. Auch die Bevölkerung Russlands habe Angst vor dem Krieg, vor Raketeneinschlägen an der Grenze.
Hier hakte der ehemalige CIA-Offizier Ray McGovern ein. 1990 sei ein Deal gemacht worden: Keine NATO-Erweiterung gegen die deutsche Wiedervereinigung. Die russische rote Linie: keine ukrainische NATO-Mitgliedschaft.
Viele Europäer hätten die USA gewarnt, dass es dumm sei, die Ukraine und Georgien in die NATO zu lotsen. Wikileaks habe zusätzlich ein Telegramm Russlands an das amerikanische Außenministerium enthüllt, dessen Inhalt ungefähr sei: «Njet (russisch: nein) heißt njet.» Die nächste Wegmarke sei der Maidan gewesen – ein Coup, kein Aufstand. «Leider» seien die entsprechenden Pläne etwas mehr als zwei Wochen vorher durchgesickert.
Und im Dezember 2021 habe die NATO – und damit die USA – schließlich einen entsprechenden Vertragsentwurf Russlands zurückgewiesen.
Florian D. Pfaff, der nächste Redner, war Berufsoffizier der deutschen Bundeswehr. Als er sich geweigert hatte, an einem Kampfeinsatz teilzunehmen, kam es zu einem Gerichtsprozess, den Pfaff in letzter Instanz gewann. Dass die Bundeswehr sich dann weigerte, das Verdikt zu akzeptieren, steht auf einem anderen Blatt. Dass Armeen an das Gesetz gebunden seien, würde in den Medien kaum erwähnt, sagte er.
Auch er ist überzeugt, dass der Krieg schon im April 2022 hätte beendet werden können. Und dieser Krieg sei nicht der Wendepunkt, als der er dargestellt werde. Es habe viele Kriege gegeben seit dem Zweiten Weltkrieg: die türkische Invasion Zyperns, Jugoslawien, Afghanistan, Libyen, Syrien. Aber bei alldem sei die Initiative nicht von Russland ausgegangen.
Putin tue das, was John F. Kennedy auch getan habe: Er interveniere in seiner Interessensphäre. Das sei zwar völkerrechtlich illegal, aber Großmächte würden das tun.
Der Schlüssel, um den Konflikt zu verstehen, sei der Vertrag von Astana. Dieser stipuliere, dass jedes Land zwar frei sei, sein Bündnis frei zu wählen, aber seine Sicherheit solle nicht auf Kosten anderer gehen. Dieser Vertrag erscheine auf den ersten Blick widersprüchlich, könne aber so interpretiert werden, dass zum Beispiel eine Großmacht es sich nicht gefallen lassen müsse, ein von ihr als feindlich eingestuftes Bündnis bis an seine Grenzen herankommen zu lassen.
Und genau so interpretierte es Russland noch in einem Brief von Außenminister Lawrow im Februar 2022. Nach der Meinung Russlands dürfe somit die Ukraine nicht der NATO beitreten.
Und wenn man eine Demokratie in den Krieg treiben wolle, dann brauche es Medien, weil die Menschen das nicht wollen, war Pfaffs Schlussfolgerung.
Die nachfolgende Diskussion kreiste zuerst um die Frage, wie man diese Friedensbotschaft besser verbreiten könne – denn die Leitmedien glänzten durch Abwesenheit. Es gäbe zwei Möglichkeiten, antwortete Pfaff. Einerseits soziale Medien, andererseits könne man bei Verstößen konsequent klagen. Zensur zum Beispiel sei zwar nach wie vor verboten. Aber in der EU (nicht in der Schweiz) seien die Sender Russia Today und Sputnik trotzdem verboten worden.
Ob Friedensbemühungen Aussicht auf Erfolg hätten, war eine weitere Frage. «Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit», sollen die Taliban sinngemäß gesagt haben. Es würde also eine Weile dauern, aber die Wahrheit würde schließlich durchdringen. Die USA seien sehr deutlich auf dem absteigenden Ast – und 85 Prozent der Menschen würden wissen, warum wir keinen Frieden haben auf der Erde.
Gen Ende hörte man positivere Töne. In der Schweiz hätten wir eine Demokratie, keine perfekte, aber immerhin. Und kein Krieg würde ewig dauern. Und der Krieg in Gaza würde schneller zu Ende gehen als derjenige in der Ukraine.
Eine Lösung könne gefunden werden auf der Basis der Verhandlungen im Minsk-Format und der Vereinbarungen in Istanbul, die schließlich nicht unterzeichnet worden seien.
Peske hofft zusätzlich auf eine Art Implosion in der Ukraine. «Die Menschen wollen nicht kämpfen», sagte er. Eine Situation wie in Mexiko, das als Nachbar der mächtigen USA ständig danach trachten muss, diesen nicht zu provozieren, hat eine bewusst kleine Armee. Dies sei auch für die Ukraine attraktiv.
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