Die Spähsoftware Predator und ihre Ableger können ohne Kenntnis des Nutzers in ein elektronisches Gerät eindringen. Die Gefahr einer Infizierung besteht laut eines Berichts von Amnesty, wenn Nutzer auf einen manipulierten Link klicken. Die Übertragung könne aber auch durch taktische Angriffe vorgenommen werden, wobei Geräte in der Nähe unbemerkt kontaminiert werden. Dies macht Predator zu einem optimalen Überwachungsspion.
So geschehen etwa beim ägyptischen Politiker Aiman Nur im Jahr 2021. Durch das Anklicken eines Links in Whatsapp drang Predator in sein Smartphone ein, verschaffte sich Zugang zu sämtlichen Inhalten, aktivierte sogar Kamera und Mikrofon. Aiman Nur bemerkte daraufhin Fehlfunktionen und liess das Gerät untersuchen, wobei zwei Trojaner gefunden wurden, einer davon war Predator.
Das Mediennetzwerk European Investigative Collaborations (EIC) hat zu Predator mit Unterstützung von Amnesty eine Recherche veröffentlicht. Zu den deutschsprachigen recherchierenden Titeln gehörten Der Spiegel und die Schweizer WOZ (Die Wochenzeitung). Sie fokussierte auf die Firmengruppe Intellexa Alliance, ein kommerzielles Bündnis zwischen den IT-Unternehmensgruppen Intellexa und Nexa.
Die Überwachungssoftware von Intellexa ist in Europa, Asien, dem Nahen Osten und Afrika gefunden worden. Sie werde beispielsweise zur Aushöhlung der Menschenrechte, der Pressefreiheit und sozialer Bewegungen weltweit eingesetzt. Die Weitläufigkeit von Predator erinnert an Pegasus, einen ähnlichen Überwachungsskandal, der erst 2021 aufgedeckt wurde (wir berichteten).
Gemäss EIC wurden Produkte der Intellexa Alliance unter anderem in der Schweiz, in Deutschland und Österreich verkauft. Weitere Klienten sitzen zum Beispiel in Katar, Singapur, Kenia oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. Weiters hat etwa der griechische Geheimdienst mit Predator den Journalisten Thanasis Koukakis und den Politiker Nikos Androulakis abgehört.
Völlige Intransparenz
Hochgradig invasive Überwachungssoftware wird gemäss Amnesty im grossen Stil gehandelt. Eine Aufsicht oder Rechenschaftspflicht bestehe nicht. Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International:
«Die Recherche weist einmal mehr nach, dass es den europäischen Ländern und Institutionen nicht gelingt, den Verkauf und die Weitergabe dieser Produkte wirksam zu regulieren.»
Dies betrifft insbesondere Firmen von Intellexa, die ihren Sitz in der Europäischen Union haben und Ausfuhrkontrollen für Überwachungstechnologien unterliegen. Die Intellexa Group, Teil der Intellexa Alliance, stellt Predator her und wurde 2018 von Tal Dilian, einem ehemaligen israelischen Armeeangehörigen, und mehrerer seiner Kollegen gegründet. Sie wird von Thalestris mit Sitz in Irland kontrolliert. Zur Intellexa Alliance gehört das Nexa-Konsortium, das hauptsächlich von Frankreich aus operiert.
Die wichtigsten Akteure der Intellexa Alliance. Quelle: Screenshot woz.ch
Ausfuhrregeln strikt kontrollieren
Amnesty präsentierte den vollständigen Bericht zu den Predator Files am 9. Oktober. Die Organisation weist insbesondere darauf hin, dass die invasive Überwachungstechnologie der Intellexa Alliance weitreichenden Menschenrechtsverletzungen weltweit Vorschub leistet.
Gemäss UN-Prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sind Unternehmen verantwortlich dafür, die Menschenrechte zu achten. Unternehmen der Intellexa Alliance haben aber keine Informationen über ihre Sorgfaltspflichten bezüglich ihrer Praktiken und Überwachungstechnologien offengelegt, schreibt Amnesty im Bericht.
Darüber hinaus sind Nationalstaaten dazu verpflichtet, den Missbrauch von Menschenrechten durch Dritte zu unterbinden. Darunter fällt zum Beispiel die Aufgabe, in ihrem Hoheitsgebiet ansässige Unternehmen entsprechend zu regulieren.
Amnesty fordert von den EU-Staaten, die EU-Ausfuhrkontrollregeln von 2021 strikt umzusetzen. Dazu gehören Massnahmen der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten, die sich aus der Dual-Use-Verordnung für Cyberüberwachungstechnologien ergeben.
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