Wider Erwarten, insbesondere nach der Europawahl, hat das rechte Lager in Frankreich und Grossbritannien eine Enttäuschung eingefahren. Der Rassemblement National (RN) und vor allem die Konservativen auf der Insel sind von links überholt worden, in Vereinigten Königreich sogar erdrutschartig. War man sich vor allem in Frankreich zu siegesgewiss?
Gerade in Frankreich habe ich mich gefragt: Was treibt die Chefin des RN, Marine Le Pen, denn um? Der RN ist, trotz leiser Enttäuschung über den Wahlausgang, zu einer der politisch führenden Kräfte in unserem westlichen Nachbarland geworden, mischt sich aber dauernd in insbesondere deutsche Probleme und Belange ein.
Bereits im Februar 2024 zitierte Marine Le Pen die AfD-Vorsitzende Alice Weidel an die Seine, um ihr Vorschriften zu machen, als sei sie ihre Vorgesetzte. Madame Le Pen glaubte offensichtlich alles, was die Phantasie-, um nicht zu sagen Lügenmedien über die angebliche «Deportationskonferenz» von Potsdam im November 23 verbreitet haben. Frau Le Pen bestand auch darauf, dass die deutschen Patrioten die Parole «Remigration» fallen lassen sollten.
Im Mai 24 dann der nächste Ordre du Mufti aus Paris: Der AfD-Politiker Maximilian Krah muss weg. Tatsächlich: Die AfD-Spitze gehorchte und sperrte ihren eigenen, vielversprechenden Spitzenkandidaten im EU-Wahlkampf in den Giftschrank, nahm ihn in der Folge nicht in ihre künftige Delegation im Strassburger Parlament auf. Er wurde geopfert, um die französische Möchtegern-Monarchin gnädig zu stimmen, damit sie die Deutschen wieder in der gemeinsamen Rechtsfraktion Identität und Demokratie akzeptiert.
Wo aber steckt der Sinn einer Fraktionsgemeinschaft aus Feuer und Wasser? Die europäische Rechte zerfällt in zwei Lager: Das eine wird von Le Pen und ihrer italienischen Busenfreundin Giorgia Meloni angeführt. Bei «weichen» Themen wie der Genderpolitik haben sie ähnliche Positionen wie die AfD, aber in existenziellen Fragen gibt es teilweise heftige Widersprüche:
- Unter Ministerpräsidentin Meloni kamen mehr illegale Asylanten nach Italien als unter der linken Vorgängerregierung. Auffallen tut das nicht gross, denn alle Migranten werden nach Alemannia weiter geschoben. Dort bleiben sie dann auf ewig und zurück hängen. Daher könnte das Thema «Remigration» für die Deutschen essentieller sein als für andere.
- Die EU wird vor allem von deutschen Steuerzahlern finanziert. Jedes Jahr schiessen die 25 Milliarden Euros in die EU ein. In den Genuss der Zahlungen kommen unter anderem Rom und Paris. Deshalb haben Le Pen und Meloni ihre frühere Forderung nach EU-Austritt Zug um Zug aufgegeben, je näher sie der Regierungsverantwortung kamen. Macht macht nicht nur mächtig, sondern eben auch gefügig. Die italienische Signora unterstützt sogar Ursula von der Leyen bei der Wiederwahl zur EU-Kommissionspräsidentin. Für die Deutschen ist der Dexit aber ein Thema und es war falsch von der AfD, diese in ihrer Mitgliederschaft populäre Forderung wegen der beiden Damen zurückzustellen.
- Die AfD steht mehrheitlich für Frieden mit Russland und eine multipolare Welt. Genau wegen dieser Positionen wurden Maximilian Krah und Peter Bystron an die Spitze der EU-Liste gewählt. Beide wurden nach Druck aus dem Ausland fallen gelassen wie eine heisse Kartoffel, die vermeintlichen französischen und italienischen Schwesterparteien sind nämlich fest im westlichen Block verankert: Meloni war der Star beim G7-Treffen im Juni 24, von allen geherzt und geküsst. Kein Wunder, sie verschenkt fleissig Waffen an die Ukraine und fällt damit Ungarn und der Slowakei, die sich dazu standhaft weigern, in den Rücken.
Von Le Pen muss man das Gleiche befürchten. Der RN war noch bis vor drei Jahren für den Austritt aus der NATO – jetzt sprach sich Parteichef Jordan Bardella sogar offen für die Lieferung von Marschflugkörpern aus!
Was offensichtlich erscheint, darf nicht länger verschwiegen werden: Es gibt zwei Routen des nationalen Weges: Der eine – von Krah, Bystron und der österreichischen FPÖ mit Kickel – ist der Patriotische. Die Nation wird intrinsisch, aus eigener Kraft stark, indem sie sich aus dem angloamerikanischen Imperium befreit und auch gute Beziehungen mit Eurasien und den BRICS-Staaten generell anstrebt.
Der andere Weg – von Meloni und Le Pen – ist der imperialistische: Man unterwirft sich Washington und kollaboriert beim Kriegszug gegen Russland – in der Hoffnung, später an der Beute beteiligt zu werden. Bloss an welcher?
Je näher das direkte militärische Eingreifen der NATO in der Ukraine rückt, umso weniger lassen sich diese Gegensätze in der europäischen Rechten überbrücken. Sie scheint gespalten. Die AfD läuft in eine Zerreisprobe hinein. Für welchen Weg wird sie sich entscheiden?