Die von der Politik durchgesetzten und mit dem Infektionsschutzgesetz begründeten Massnahmen in Deutschland sind nur dann verfassungskonform, wenn der Bundestag die «epidemische Lage von nationaler Tragweite» feststellt.
Aber: Was genau die Kriterien hierfür sind, legt das Infektionsschutzgesetz nicht fest. Auch die Aufhebung der Verordnungen bleibe in der verfassungsrechtlichen Grauzone, denn ein Ende der epidemischen Lage bedeute noch lange nicht auch das Ende der Massnahmen. Diese könnten bis März 2021 fortbestehen.
Zu diesem Schluss gelangt der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger in seinem Einzelgutachten für den Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages.
Die Stellungnahme ist auf der Webseite des Bundestags öffentlich einsehbar (siehe PDF ganz unten).
Darin heisst es mitunter:
«Mit Blick auf die Massgeblichkeit (auch) des raschen, exekutiven Handlungsbedarfs sei, wie bereits im Kontext der Anhörung am 11.5.2020 ausgeführt, nochmals besonders betont, dass Rechtsetzungsbefugnisse der Exekutive – unabhängig von verfassungsrechtlichen Grenzen – auf einer im Ermessen des Parlaments stehenden und damit auch (verfassungs-)politisch zu verantwortenden Delegationsentscheidung beruhen.
Denn das Grundgesetz kennt – auch im Falle eines Gesundheitsnotstands – keine verfassungsunmittelbare Befugnis zur exekutiven Rechtsetzung.
Neben der grundsätzlichen Positionierung hinsichtlich der Verteilung von Rechtsetzungskompetenzen zwischen Parlament und Exekutive allgemein und auch in Krisensituationen erscheint namentlich eine Bewertung des Flexibilisierungsbedürfnisses von Bedeutung, daneben das Prozessrisiko, die Ausnahmeregelungen innewohnende Gefahr einer Verstetigung und die Gefahr einer der Rechtssicherheit abträglichen Gemengelage von Parlamentsgesetzen und Verordnungsrecht.»
[...]
«Vor diesem Hintergrund ist – neben der Frage des Fortbestands der epidemischen Lage von nationaler Tragweite – auch die Möglichkeit einer Aufhebung bzw. Änderung einzelner Ermächtigungsgrundlagen und einer Aufhebung bzw. (ggf. modifizierenden) Überführung einzelner auf ihrer Basis erlassener Rechtsnormen in (Parlaments-)Gesetzesrecht im Blick zu behalten.»
Hervorhebungen im Zitat durch die Redaktion