(eb) Der Wirkstoff Remdesivir wird «bei Patienten, die aufgrund von Covid-19 stationär behandelt werden, nicht mehr empfohlen – unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung». Das berichtet das Fachportal Medscape unter Berufung auf eine Publikation im British Medical Journal (BMJ), die von einem Gremium internationaler Experten der WHO-Leitlinien-Entwicklungsgruppe verfasst wurde.
Demnach gebe es «keine Belege dafür, dass das Medikament die Überlebenschancen oder die Chance auf Vermeidung einer Beatmungspflicht verbessere». Die Empfehlung der Fachleute basiere auf vier randomisierten Studien mit über 7’000 Patienten, die wegen Covid-19 stationär behandelt worden seien.
Das Expertengremium sei zu dem Schluss gelangt, «dass Remdesivir keinen signifikanten Einfluss auf die Mortalität oder auf andere wichtige Endpunkte für Patienten hat, wie die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung oder die Zeit bis zur klinischen Besserung der Symptome», so Medscape.
Das Urteil der Experten ist deutlich:
«Einen hohen Preis für Remdesivir zu zahlen, ohne gute Evidenz für eine niedrigere Sterblichkeit zu haben, ist ein Glücksspiel», sagt Prof. Dr. Robin Ferner, ein klinischer Pharmakologe an der University of Birmingham. Er war an der Publikation nicht beteiligt.
EU-Zulassung lediglich auf Basis von vorläufigen Daten — ein Vorgeschmack auf die kommenden Impfstoffzulassungen
Die EU-Kommission hatte Remdesivir bereits im Juli 2020 zugelassen. Das Virostatikum mit dem Handelsnamen Veklury war damals das erste Arzneimittel zur Behandlung schwerer Covid-19-Erkrankungen.
Basis für die Zulassungsempfehlung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA und die Zulassung durch die EU-Kommission bildeten Daten aus der vom US National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) gesponserten Studie NIAID-ACTT-1 (Adaptive COVID-19 Treatment Trial, ACTT-1).
Dabei stützte sich die EU-Kommission einzig auf das Vorliegen von vorläufigen Daten einer multizentrischen, doppelblinden, randomisierten kontrollierten Phase-III-Studie. Diese wurde unter dem Namen «Remdesivir for the Treatment of Covid-19 – Preliminary Report» am 22. Mai im New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlicht.
Die Studie besagte, dass mit Remdesivir behandelte Patienten eine um 31 Prozent schnellere Genesungszeit hätten als Patienten, denen man lediglich Placebo verabreicht hatte. Der Studie zufolge beschleunigte die Remdesivir-Therapie die Genesung um 5 Tage.
Was die EU-Kommission indes bewusst oder unbewusst übersah: Bei den Behandelten ging es um Menschen mit milden Symptomen, die ohnehin alle gesund wurden.
Auch das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) ignorierte die harten Fakten und Details, um in einem eigenen Papier dem Wirkstoff die Absolution zu erteilen:
«Nach den aktuell vorliegenden Daten aus der ACTT-1-Studie beruht der Nutzen von Remdesivir auf einer statistisch signifikanten Verkürzung der Zeit zur Genesung (v.a. bei Patienten mit Sauerstoffpflichtigkeit)».
Kommentar der Redaktion: Das Beispiel Remdesivir verdeutlicht, wie wenig EU-Zulassungsbehörden den Anforderungen gewachsen sind — oder wie stark sie unter dem Einfluss der Pharmaindustrie stehen. Auch die Schnellzulassungen für die kommenden Genimpfstoffe von Biontech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca basieren auf vorläufigen Ergebnissen. Denn etwas anderes als vorläufig sind die gelieferten Daten der Hersteller nicht: Weder erlauben sie Rückschlüsse zu Langzeitrisiken, noch liefern sie einen Beleg über die endgültige Dauer der Wirksamkeit nach der Impfung.