Eigentlich ist es klar: Wer ein Asylgesuch stellt und abgewiesen wird, muss das Land verlassen und in die Heimat zurückkehren. Zusätzlich gibt es das Dublin-System. Es legt die Kriterien für die Zuständigkeit zur Bearbeitung eines Asylantrags fest und harmonisiert die nationalen Asylverfahren. Der Dublin-Raum umfasst alle EU-Mitgliedstaaten sowie die vier mit der EU assoziierten Staaten – die Schweiz, Norwegen, Island und das Fürstentum Liechtenstein.
Das ist die Theorie. In der Praxis gibt es aber riesige Umsetzungsunterschiede. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Rückführungsquote, das heißt beim Prozentsatz der abgewiesenen Asylbewerber, die tatsächlich freiwillig oder zwangsweise in ihre Heimat zurückkehren.
Flughafen Zürich, irgendwann in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre. Ein Flugzeug aus Athen wird einer Stichprobenkontrolle unterzogen. Ein Mann mit einem griechischen Pass bleibt hängen – irgendetwas schien nicht zu stimmen. Seine Kleidung, sein Gepäck, etwas schien nicht zu einem Griechen zu passen. Die erfahrenen Grenzbeamten hielten den Mann fest und holten einen Sprachspezialisten, mit dem sie regelmäßig zusammenarbeiteten. Der Spezialist unterhielt sich mit dem Mann in griechischer Sprache. Der Reisende musste auch einige Texte lesen und ein paar Sätze schreiben.
Aufgrund dieser Tests kam der Sprachspezialist zum Schluss, dass es sich hier um einen Nordepiroten handeln musste, einen Angehörigen einer griechischen Minderheit in Albanien ohne griechische Staatsbürgerschaft. Seine Muttersprache war zwar Griechisch und da er illegal in Hellas lebte, war in der gesprochenen Sprache kaum mehr ein Unterschied zu erkennen. Beim Leseverständnis und beim Schreiben haperte es dann aber gewaltig. Der Spezialist kam zum Schluss, dass der Mann nicht wie angegeben die Schulen in Griechenland besucht haben konnte – zu groß waren die Lücken.
Man unterzog den Pass einer eingehenden Analyse. Es war eine Fälschung, eine meisterhafte zwar, aber eine Fälschung. Albanien unterlag damals noch einer Visumspflicht. Der Mann wurde ins nächste Flugzeug nach Tirana ausgeschafft (Details aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert, Name der Redaktion bekannt).
Auf ähnliche Art gehen die Schweizer Behörden auch bei abgewiesenen Asylbewerbern vor, zum Beispiel bei Menschen, die ihre Papiere weggeworfen haben und ihre Identität und Staatsangehörigkeit nicht bekanntgeben. Mit einer Rückführungsquote von gegen 60 Prozent konnte die Schweiz im Jahr 2024 die meisten Asylbewerber im europäischen Vergleich in ihre Herkunftsländer zurückführen. Diese Zahl markiert einen europaweiten Rekord und stellt eine signifikante Steigerung von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr dar. Insgesamt wurden rund 7000 Personen aus der Schweiz rückgeführt, wie der Justizminister, Bundesrat Beat Jans, zuständig für Asylangelegenheiten, auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos bekannt gab.
Dieser Erfolg basiert vor allem auf einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Kantonen, was die Rückführungsprozesse effizienter und schneller gemacht hat. Ein weiterer entscheidender Faktor für die hohe Rückführungsquote sind internationale Abkommen, die die Schweiz mit Transit- und Herkunftsländern geschlossen hat. Besonders hervorzuheben sind die Vereinbarungen mit Ländern wie Algerien und Marokko, die eine entscheidende Rolle beim Erfolg der Rückführungen gespielt haben, sowie die große Kontinuität bei den Behörden. Es gab auch erstmals seit 2019 wieder Abschiebungen nach Afghanistan.
Die Schweiz konnte dank dieser Abkommen nicht nur die Effizienz der Rückführungen steigern, sondern auch das Risiko für Migranten auf ihren Fluchtwegen verringern. Die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern sorgt dafür, dass die Rückkehr für die betroffenen Personen sicherer gestaltet wird. Ein Beispiel für solch ein Abkommen ist das Rückübernahmeabkommen mit Algerien, das bereits 2006 unterzeichnet wurde. Auch mit Marokko laufen derzeit Verhandlungen, um die Rückführungszahlen weiter zu steigern.
Im europäischen Vergleich hat die Schweiz mit dieser Rückführungsquote einen klaren Vorsprung. Andere Länder, wie Frankreich und Deutschland, sehen sich weiterhin mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Frankreich verzeichnet Rückführungsquoten von nur 8 bis 15 Prozent, trotz wiederholter Versprechen des Präsidenten Emmanuel Macron, eine hundertprozentige Rückführungsquote zu erreichen. In einigen Fällen konnte Frankreich, etwa bei Rückführungen nach Algerien, sogar nur 0,2 Prozent der vorgesehenen Rückführungen umsetzen.
Auch Deutschland kämpft mit ähnlichen Problemen. Trotz wiederholter Zusagen von Bundeskanzler Olaf Scholz, nach terroristischen Anschlägen verstärkt Rückführungen umzusetzen, bleiben die Zahlen auf niedrigem Niveau. Besonders schwierig gestaltet sich die Rückführung von Personen aus Ländern wie Afghanistan, die aufgrund der unsicheren Lage dort als zu gefährlich für eine Rückkehr gelten. Die öffentliche Enttäuschung über die unzureichenden Rückführungsmaßnahmen wächst, insbesondere nach tragischen Vorfällen, bei denen Asylbewerber durch kriminelle Taten in den Fokus geraten sind.
Im Gegensatz dazu zeigt die Schweiz, dass es möglich ist, eine Balance zwischen einer humanitären Asylpolitik und pragmatischen Lösungen zu finden. Die konsequente Rückführung abgelehnter Asylbewerber wird nicht nur durch internationale Abkommen, sondern auch durch eine klare und kontinuierliche Asylpolitik erreicht. Die Schweiz verfolgt seit Jahren einen konsequenten Kurs, der auch in schwierigen Zeiten, wie etwa während der Corona-Pandemie, aufrechterhalten wurde. In anderen europäischen Ländern, wie Deutschland, scheitern Rückführungen oft an bürokratischen Hürden wie fehlenden Reisedokumenten oder ungeklärten Identitäten.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Schweiz und anderen europäischen Ländern liegt in der intensiven Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten der Asylbewerber. Diese Kooperation ermöglicht es, Rückführungen effizient umzusetzen und gleichzeitig das Risiko für Migranten auf ihren Fluchtwegen zu minimieren. Die Schweiz hat auch international eine Vorreiterrolle übernommen, indem sie ihre Migrationsabkommen kontinuierlich ausbaut. So werden nicht nur Rückführungen erleichtert, sondern auch sicherere Bedingungen für die betroffenen Asylbewerber geschaffen.
Trotz dieser Erfolge bleibt die Situation in der Schweiz nicht ohne Herausforderungen. Besonders die steigende Zahl an abgelehnten Asylbewerbern stellt die Kantone vor immer größere Aufgaben. Auch wenn die Schweiz einen wichtigen Schritt in Richtung effizienter Rückführungen gemacht hat, wird weiter an der Optimierung des Prozesses gearbeitet, um auch in Zukunft eine hohe Rückführungsquote zu gewährleisten.
Im Vergleich zu anderen Ländern könnte das Schweizer Modell der Zusammenarbeit und konsequenten Rückführung als Vorlage für andere europäische Staaten dienen, die ihre eigenen Rückführungsbemühungen verbessern möchten. Besonders in Zeiten wachsender Migrationsströme und politischer Unsicherheiten könnte der Schweizer Ansatz wertvolle Impulse für eine europaweit abgestimmte Migrationspolitik liefern.
Die Schweizer Medien behandelten zwar dieses Thema, aber außer der Weltwoche auf eher diskrete Art.
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