Man könnte meinen, der Kalte Krieg sei noch nicht vorbei. Diesen Eindruck erweckt die Vorschau für eine Herbsttagung der Schweizer Militärakademie (MILAK), die am 14. September stattfinden wird. Veröffentlicht wurde das Programm von der «Gruppe Verteidigung», die «das planende, führende und verwaltende Rückgrat der Schweizer Armee» darstellt. Die Autoren sind Brigadier Hugo Roux, Kommandant der MILAK, und Dr. Marcus Matthias Keupp, Dozent für Militärökonomie.
In der Publikation sieht man als erstes ein sowjetisches Plakat mit der Aufschrift: «Lenin starb, aber sein Werk lebt». Roux und Keupp kommentieren:
«(D)ieses Plakat könnte auch heute wieder in Putins Russland hängen. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine ist mitnichten eine Zeitenwende, er markiert lediglich die Rückkehr zu historischen, wirtschaftlichen und militärischen Pfaden, die man 1991, als die Sowjetunion sich auflöste, endgültig für erledigt gehalten hatte.»
Der russische Präsident Wladimir Putin rechtfertige seinen «Angriffskrieg» mit «geschichtsklitternden Thesen», heißt es im Text weiter. Diese hätten dem Westen wieder deutlich gemacht, «wie imperialistische Narrative bis heute die russische Aussenpolitik prägen». Darüber werde Dr. Botakoz Kassymbekova von der Universität Basel informieren, «eine ausgewiesene Expertin der osteuropäischen Geschichte mit Schwerpunkt Sowjetunion».
Nach einem weiteren sowjetischen Plakat, auf dem eine sowjetische Krake zu sehen ist, die ihre Arme in alle Richtungen ausstreckt, wird bekräftigt, wer «die Guten» sind. Es habe «ein neuer globaler Systemwettbewerb zwischen demokratischen und autoritären Systemen» begonnen. Auch vermeintliche westliche Sicherheiten würden nicht mehr gelten:
«Europa zittert derzeit vor den innenpolitischen Entwicklungen in den USA, wo der Wahlkampf auf die Schicksalsfrage Trump or the Constitution zusteuert, und China unterzieht seine scheinbar grenzenlose Freundschaft einer genauen Prüfung, wer wichtiger für seine Interessen ist – Russland oder die USA?»
Dies wird an der Tagung das Thema des früheren CEO der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer Martin Naville sein. Ein weiteres Plakat aus der Sowjetzeit leitet die Vorstellung des dritten Referenten, Dr. Matthäus Wehowski von der Universität Tübingen, ein. Er werde «anhand historischer Quellen die Hintergründe, Parallelen und Unterschiede der damaligen und heutigen Propaganda» der Sowjetunion beziehungsweise Russlands beleuchten.
Indem Putin die Invasion der Ukraine als «Entnazifizierung» rechtfertigt, habe er «unsere Aufmerksamkeit auf die national-völkische und imperiale Rhetorik» gelenkt, «die nicht nur die heutige politische Kommunikation Russlands bestimmt, sondern vielfach auch an die Propaganda des nationalsozialistischen Deutschlands erinnert: Verschwörungstheorien gegen vermeintliche ‹Kriegshetzer› im demokratischen Westen, der Opfermythos einer angeblich ‹ungerechten Weltordnung›, der Anspruch auf ‹historisch legitimierte Interessensphären›.»
Abschliessend wird eine Podiumsdiskussion stattfinden. Zu hoffen ist, dass wenigstens aus dem Publikum objektivere und pazifistischere Stimmen zu hören sind.
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