Die von Medien gemeldete Entscheidung des amtierenden US-Präsidenten Joseph Biden, weitreichende US-Waffen an Kiew für Ziele in Russland freizugeben, ist möglicherweise «nicht vollständig» mit dem Pentagon und anderen zuständigen US-Behörden abgestimmt worden. Das schreibt der investigative US-Journalist Seymour Hersh in seinem aktuellen Text, den er am Dienstag veröffentlichte.
Hersh bezieht sich dabei auf die Freigabe von ATACMS-Raketen für Ziele in Russland sowie ebenso auf die angekündigte Lieferung von Antipersonen-Minen aus den USA an die Ukraine. Die strategischen Auswirkungen der Eskalation durch Biden seien «im Pentagon nicht vollständig analysiert worden». Ebenso seien «wichtige Dienste, die sicherlich unterschiedliche Ansichten über die Eskalation haben, nie um ihre Meinung gebeten» worden.
Russlands Präsident Wladimir Putin habe auf den Einsatz der US-Raketen durch ukrainisches Militär mit einer Eskalation durch den Ersteinsatz der «Oreschnik»-Rakete geantwortet. Zugleich habe er darauf hingewiesen, dass der Konflikt um die Ukraine «nun Elemente eines globalen Charakters angenommen habe».
Der US-Journalist verweist auf das weitere Vorrücken der russischen Einheiten in der Ukraine, während gleichzeitig die Prognose für die ukrainische Armee «düster» bleibe. Zugleich fragt er, warum Putin trotz der Aussage, dass Russland und die NATO sich nun im Krieg gegeneinander befinden, «nicht aufs Ganze» gehe und die geschwächte ukrainische Armee und die Hauptstadt Kiew angreife.
Er vermutet, dass das verbunden sein könne mit einer Botschaft des wiedergewählten Präsidenten Donald Trump an Moskau. Es gebe informelle Gespräche zwischen den Beratern Trumps und Putins über mögliche Mechanismen, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden könne.
Hersh erinnert daran, dass Trump «ein konsequenter Unterstützer Israels und ein uneingeschränkter Befürworter des aktuellen israelischen Krieges gegen die Hamas» ist und alle Personalentscheidungen bisher auf eine «bedingungslose Unterstützung für den andauernden Krieg» gegen die Palästinenser hindeuten.
In Sachen Russland und Ukraine-Krieg würden die Informationen, die Hersh erreichten, mit den Aussagen Trumps im Wahlkampf übereinstimmen. Der Journalist zitiert aus der Wahlkampf-TV-Debatte des wiedergewählten Präsidenten mit der unterlegenen Kandidatin der Demokraten, Kamala Harris:
«Wenn ich Präsident wäre, hätte der Krieg nie begonnen. (...) Ich werde den Krieg mit Russland und der Ukraine beenden.»
Trump habe hinzugefügt: «Wenn ich zum Präsidenten gewählt werde, werde ich das erledigen, noch bevor ich Präsident werde. ... Das ist ein Krieg, der unbedingt beendet werden muss.» Außerdem habe er auf die provozierenden Nachfragen des Moderators seine Aussagen wiederholt und bestätigt.
Hersh betont die Beständigkeit Trumps auch unter Druck. Das würde zur Glaubwürdigkeit der Informationen beitragen, die ihn über Aktivitäten der Trump-Mannschaft mit dem Ziel eines Kriegsendes erreichen. Ein Informant habe ihm berichtet, dass «die Leitungen offen sind» zwischen den Vertretern der beiden Männer, wobei einige vage «Zusicherungen gesendet und empfangen» worden seien.
US-Experten haben laut dem Journalisten erklärt, dass Putin erst dann mit dem Kiewer Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sprechen wolle, wenn die russischen Vorstöße in der Ostukraine und in der Region Kursk erfolgreich abgeschlossen seien. In Moskau solle es Bedenken hinsichtlich umfangreicher «Stay-behind»-Geheimdienst- und operativer Aktivitäten in der Ukraine geben, die vermutlich von US-amerikanischen und britischen Diensten organisiert werden.
Hersh schreibt von einem Experten, der ihm erklärt habe, dass derzeit versucht werde, die langjährige US-Politik der Eindämmung gegenüber Russland zu ändern, die auch die Biden-Amtszeit prägte. Viele in der US-Geheimdienstgemeinschaft würden den russischen Präsidenten als «kompetente und informierte» Führungspersönlichkeit ansehen.
Seinen Information zufolge sucht die Trump-Mannschaft nach Wegen, Konflikte um die US-Außenpolitik verringern zu können, so der Journalist. Dazu gehöre die Idee, «mehr mit Verhandlungen zwischen Militärs zu arbeiten», gemäß dem Motto «Realität vor Politik und Geschichte vor Schlagzeilen».
Davon könnte zeugen, dass Trump den ehemaligen US-General Keith Kellogg zum Sondergesandten für die Ukraine ernannt hat. Dieser hat laut Medienberichten bereits einen «Plan, wie der Ukraine-Krieg in Kürze beendet werden soll».
Hersh sieht die Beendigung des Krieges in der Ukraine als Anfang einer neuen US-Politik. Diese sei auch im Nahen Osten notwendig, um die Krise in Israel, Gaza und im Westjordanland zu lösen statt «sich der israelischen religiösen Rechten und Benjamin Netanjahu zu beugen». Es sei ein Test für den zukünftigen Präsidenten, dessen Personalentscheidungen das offizielle Washington und die Presse in Atem gehalten haben.
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