In Griechenland kommt nicht das Christkind, auch nicht der Weihnachtsmann oder der Samichlaus. Aber der heilige Basilius von Cäsarea kommt. Und zwar in der Silvesternacht. Deshalb öffnen die Griechinnen und Griechen die Geschenke erst dann. Um genau zu sein: Ganz kurz nach Mitternacht geht unter dem Baum die Päcklischlacht los.
Die griechischen Kinder ziehen an Weihnachten und an Silvester von Haus zu Haus und singen, begleitet von einem Triangel, die sogenannten Kalanda. Das sind Lieder, die von Weihnachten und vom heiligen Basilius künden. Die Kinder erhalten dann Geld und Süßigkeiten. Meine Tochter zog, als sie in Griechenland zur Schule ging, elfjährig durch das Quartier in Athen und sammelte 63 Euro. Mit diesem Geld kaufte sie Geschenke für uns ein und legte diese unter den Weihnachtsbaum. Kurz nach Mitternacht überreichte sie uns freudvoll diese Überraschungen. Die Griechinnen und Griechen sind großzügig.
Silvester in Griechenland wird begleitet von vielen uralten Neujahrsbräuchen und traditionellen Gerichten – viele davon werden immer noch gepflegt. Hier eine kleine Reise durch Griechenland anhand des Brauchtums zum Jahreswechsel.
Beginnen wir in der Grenzregion Thrakien. In Xanthi gehört eine Lauchpastete zum Jahreswechsel. Die Hausfrauen bereiten sie mit Lauch, Hackfleisch und Kreuzkümmel zu. Sie enthält eine Münze, wie alle Neujahrskuchen.
In Komotini werden zu Weihnachten keine Weihnachtslieder gesungen, sondern nur zu Neujahr. Am Silvester ziehen die Leute mit Laternen umher, die mit bunten Papierbändern und Schiffsmotiven geschmückt sind, und singen Lieder. Am Neujahrstag backt die Hausfrau den Neujahrskuchen und bereitet Blätterteig für die Käsepastete zu. Neben der Münze werden auch kleine Holzstäbchen in unterschiedlicher Größe mit symbolischer Bedeutung (Haus, Tiere, Stall, Felder) in die Käsepastete gelegt. Der Vater schneidet die Pastete abends an. Danach beginnt das Kamelritual: Am Neujahrsabend, etwa um Mitternacht, ziehen die «Kamelhüter» von Haus zu Haus, sammeln Lebensmittel, Trinkgelder und Kleidung ein, die üblicherweise vom Hausherrn gespendet werden.
Wir verlassen Thrakien und gehen weiter nach Ostmakedonien. Einem sehr alten Brauch in Kavala aus der Zeit der Türkenherrschaft folgend, sammeln die Jungen, die im kommenden Jahr zum Militärdienst eingezogen werden, große Holzstapel auf dem Marktplatz. Am Abend machen sie ein großes Feuer und singen Weihnachtslieder. Pünktlich um Mitternacht beginnt das traditionelle Fest mit Tsipouro und Süßigkeiten. In anderen Gegenden von Kavala bringt das jüngste Familienmitglied einen Stein ins Haus, der die Familie stark und stabil machen soll. Die jüngeren Kinder gehen in jedes Haus des Dorfes, betreten es mit dem rechten Fuß, was Glück bringen soll, und werden dafür mit Geschenken und Süßigkeiten belohnt.
Mit Wurzeln im Pontos-Gebiet werden die sogenannten Momogeroi jedes Jahr in Sitagri und Platania in Drama sowie anderswo wiederbelebt. Es handelt sich um eine Form des volkstümlichen Theaters, bei der die Protagonisten alte Figuren nachahmen. Der Brauch wird auf das antike Griechenland zurückgeführt. Das Ritual symbolisiert die Erneuerung der Natur zum Jahreswechsel und hat einen satirischen Charakter.
Nach Thrakien, Kavala und Drama kommen wir nach Chalkidiki. Hier müssen die Frauen am Silvesterabend neben dem Neujahrskuchen andere Süßigkeiten für die Sänger, Besucher und Familienmitglieder zubereiten. Diese Süßigkeiten sind oft Saragli, ein Sesamkuchen, Baklava, Kadaifi usw. In Ormylia wird ein spezieller Kuchen in Form einer «8» für den heiligen Basilius gebacken, der als Glücksbringer im Hausaltar aufbewahrt wird.
In der Region von Thessalien ist es ein fester Brauch, dass die Familie am Silvesterabend das Schwein schlachtet, das sie das ganze Jahr über großgezogen hat. Das Fleisch wird für verschiedene Gerichte zubereitet, darunter auch das traditionelle Gardouba, das aus den Innereien des Schweins besteht. Die Abende enden mit Liedern und Tänzen, die oft bis spät in die Nacht dauern.
In Trikala wird großer Wert auf Süßigkeiten gelegt. Neben den in ganz Griechenland servierten Melomakarona und Kourabiedes, gibt es auch die sogenannten Xerotigana, frittierte Teigrollen mit Honig und Nüssen. Diese Süßigkeiten werden zu Ehren der Gäste und Nachbarn zubereitet, die am Silvesterabend das Haus besuchen.
Auf dem Festland Mittelgriechenlands wird am Neujahrstag traditionell das Brot des heiligen Basilius («Vasilopita») gebacken. Es ist ein runder, flacher Kuchen mit einer eingebackenen Münze, der nach dem Gottesdienst am Morgen aufgeteilt wird. Der erste Teil ist für Christus, der zweite für den Hausherrn, der dritte für die Hausfrau, und so weiter – bis jedes Familienmitglied ein Stück erhalten hat. In manchen Gegenden des Festlandes werden handgerollte Teigstücke gereicht, die in einer Brühe gekocht werden.
Auf dem Peloponnes gibt es zahlreiche regionale Bräuche, von denen viele mit Tänzen und Musik verbunden sind. Auf der Mani-Halbinsel wird ein besonderes Brot gebacken, das mit Symbolen wie Kreuzen, Blumen oder Sternen verziert ist. Dieses Brot wird während des Neujahrsgottesdienstes gesegnet und später bei der Familienmahlzeit geteilt.
Wir setzen unsere Reise in Kreta fort. In Rethymno bereiten die Hausfrauen am Neujahrstag kleine Käsekuchen zu, die mit Myzithra-Käse gefüllt sind. Außerdem gibt es den Brauch, dass die Kinder am Morgen des 1. Januar Granatäpfel an die Türen ihrer Nachbarn hängen, die als Glückssymbole gelten.
Ein weitverbreiteter kretischer Brauch ist der sogenannte Kalikantzaros, bei dem der erste Besucher des Hauses am Neujahrstag eine wichtige Rolle spielt. Er bringt entweder Glück oder Unglück, je nachdem, wie er empfangen wird.
Auf den Dodekanes-Inseln, insbesondere auf Karpathos, verkleiden sich die Männer mit traditionellen Masken und tanzen auf den Dorfplätzen. Der Tanz ist ein Teil des Rituals, um das alte Jahr zu verabschieden und das neue Jahr willkommen zu heißen.
Auf Rhodos wird das Schiff als Symbol für Glück und Wohlstand verehrt. Am Neujahrstag dekorieren die Kinder kleine Holzschiffe und ziehen damit durch die Straßen, während sie Neujahrslieder singen.
Das war ein kleiner Einblick in die Bräuche und Traditionen Griechenlands zu Weihnachten und Neujahr. Auch heute noch bewahren viele Familien diese alten Gewohnheiten, um diese Tage gemeinsam mit Liebe zu feiern.
Der heilige Basilius von Cäsarea
Warum kommt in Griechenland nicht das Christkind oder der Weihnachtsmann, sondern der heilige Basilius, auf Griechisch Agios Vassilis? Und warum ist er es, der die Geschenke bringt und unter den Weihnachtsbaum legt? Der erste Januar ist der Namenstag des heiligen Basilius. Da wird auch der Kuchen gegessen, in den eine Münze eingelassen wurde.
Das kam so: Basilios lebte im vierten Jahrhundert n. Chr. in der Stadt Caesarea in Kappadokien als Bischof. Zeit seines Lebens setzte er sich für die Armen und Benachteiligten ein. Kappadokien, heute in der Türkei gelegen, stand damals unter römischer Herrschaft. Die Bewohner litten unter der hohen Steuerlast. Der damalige Bischof Basilios wandte sich an die Reichen des Landes und bat sie, ihre armen Mitbürger zu unterstützen. Die Vermögenden gaben dem Bischof Geld und Schmuck, so dass dieser die Steuerschuld aller Bürger begleichen konnte.
Der römische Präfekt war von dieser Tat so gerührt, dass er auf die Steuer verzichtete und dem Bischof die Wertgegenstände und das Geld zurückgab. Weil es nun nicht mehr möglich war, die Gegenstände ihrem jeweiligen Besitzer zuzuordnen, ließ Basilios süße Brote backen, in denen die Schmuckstücke und das Geld eingebacken wurden. Diese Kuchen nannte man recht bald Vasilopita. Auf diese Weise verteilte er das Geld unter den Armen des Landes und wurde schließlich zum Gabenbringer der Kinder an seinem Namenstag am Neujahr.
Heute fehlt in Griechenland ein heiliger Basilius, der die Reichen zum Steuerzahlen animiert und die Steuerlast der Armen mäßigt.
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