Das angekündigte Gipfeltreffen von US-Präsident Donald Trump und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin am Freitag auf Alaska könnte der Anfang des Endes vom Krieg in der Ukraine sein. Das hofft zumindest der US-amerikanische Journalist Seymour Hersh (88). In seinem am Freitag veröffentlichten Text geht er auf die Hintergründe des überraschend zustande gekommenen Treffens ein.
Kurz nachdem Hersh den Beitrag veröffentlicht hatte, in dem er noch fragte, ob Trump Putin treffen wird, bestätigten das Weiße Haus und der Kreml, dass das geschehen wird. Mit Spannung wird nun erwartet, worüber beide Präsidenten miteinander sprechen und was dabei herauskommt. Allerlei Experten rätseln darüber, während Kiew und die Europäische Union (EU) meinen, sie könnten mitreden, weil sie die auch von ihnen längst missachtete Souveränität der Ukraine schützen müssten.
Laut dem investigativen Journalisten Hersh kam das Gipfeltreffen dank des US-Sondergesandten Steve Witkoff zustande, der sich darum bemüht habe. Er erinnert daran, dass Witkoff eng mit US-Präsident Trump befreundet sei. Putin spreche mit ihm, «weil er weiß, dass er Macht hat und für den Chef spricht», habe ihm ein Informant aus der US-Regierung erklärt.
Demnach habe Witkoff verstanden, «dass man Putins Aufmerksamkeit nur erregen könne, indem man ihm den Zugang zu den Ölmärkten in Indien und China versperre», indem die US-Zölle für beide Abnehmer erhöht würden. Laut Hersh habe die russische Wirtschaft Probleme in Folge des anhaltenden Krieges. Der US-Gesandte habe zu Putin im Wesentlichen gesagt:
«Du brauchst das Ölgeld, und wir können den Markt kontrollieren.»
Die Entscheidung, sich an Putin zu wenden, sei nach einer Woche gefallen, in der weitere Fragen zu Trumps Freundschaft mit Jeffrey Epstein aufkamen, und wenige Tage, nachdem Trump öffentlich angeordnet hatte, zwei US-Atom-U-Boote in «geeignete Regionen» zu verlegen. Das sollte als Reaktion auf die provokante Äußerung des ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew erfolgen. Der hatte auf einer Online-Plattform erklärt, dass «jedes neue Ultimatum» von Trump «eine Drohung und ein Schritt in Richtung Krieg» sei.
Solche Wortgefechte hätten vor allem in den US-Kabelnachrichtensendern für Schlagzeilen gesorgt, würden aber auch eine Frage aufwerfen, so Hersh:
«Warum haben die immer wieder unterbrochenen Friedensgespräche zwischen den USA und Russland nicht zu einem Waffenstillstand geführt, den sowohl Russland als auch die Ukraine dringend brauchen und der die stetig zunehmenden Drohnen- und Raketenangriffe stoppen würde?»
Während die Antwort, dass es eben keine Friedens- sondern Sondierungsgespräche waren, klar sein dürfte, stellte der Journalist die Frage einem US-Regierungsmitarbeiter. Der antwortete demnach mit einer einzeiligen Antwort:
«Was wir hier hatten, war ein ‹Kommunikationsfehler›.»
Sein Gesprächspartner meinte laut Hersh, dass Trump die Beilegung des Krieges in der Ukraine als Anerkennung dafür betrachtet, dass Russland große Teile der Ukraine erobert hat und jede Einigung Vereinbarungen über neue internationale Grenzen beinhalten würde. Er bestätigt das westliche Unverständnis der russischen Interessen und Motive, indem er erklärt, für viele in den USA sei es «nur ein weiterer Territorialkrieg».
Es habe in Washington nach Trumps zweitem Amtsantritt «einseitige Hoffnungen» gegeben, dass Putin sich ihm bei Immobilieninvestitionen und der Gewinnung seltener Erden in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine anschließen würde. Sofern es nicht in letzter Minute zu einem diplomatischen Durchbruch kommt, seien solche US-Investitionen vom Tisch. Hersh schreibt außerdem Folgendes:
«Ich wurde von dem US-Beamten und anderen Experten für den Krieg informiert, dass Putin und seine Regierungsmitglieder mehr als nur einen großen Teil der Ukraine wollen. Sie wollen die Ukraine entmilitarisiert halten, aus westlicher Einflussnahme heraushalten und vor allem aus der NATO fernhalten. Mit anderen Worten: Sie wollen eine Garantie, dass die Ukraine nie wieder eine ernsthafte Bedrohung für Russland darstellt.»
Das ist eigentlich von Beginn an bekannt und klar, wurde und wird aber im Westen, nicht nur in Washington, ignoriert. Zur Rolle des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj schreibt der US-Journalist, dieser wolle der NATO beitreten und an der Macht bleiben, spiele aber «in diesem Krieg mit verlorenen Karten und verliert in den jüngsten Umfragen an Boden». Beide Nationen würden die Bedrohung ihrer Sicherheit durch den jeweils anderen und durch Außenstehende als existenziell betrachten.
Die Ukraine stehe seit mehr als drei Jahren kurz vor der Niederlage in ihrem Krieg mit Russland und habe nicht die volle Unterstützung des Westens erhalten, die sie benötigt hätte, so Hersh. Das größere und reichere Russland sehe sich mit der Möglichkeit konfrontiert, dass möglicherweise nach den baltischen Staaten weitere der fünfzehn unabhängigen Staaten, die 1991 aus der Auflösung der Sowjetunion hervorgegangen sind, vom Westen angezogen und möglicherweise in die NATO aufgenommen werden könnten.
Der US-Regierungsmitarbeiter habe gesagt, Russlands territoriale Sichtweise auf die Ukraine ähnele Chinas Haltung gegenüber Taiwan, Hongkong und dem Südchinesischen Meer. Frühere und aktuelle US-Regierungen hätten trotz Chinas anhaltender Unterstützung für Russland im Ukraine-Krieg Gespräche mit Peking geführt und sich mit dem Land auseinandergesetzt. Hersh fragt:
«Gibt es für die Trump-Regierung eine Lehre aus der jüngeren Geschichte? Amerika klammert sich an die Unterstützung einer Seite in einem verlorenen Krieg, der schreckliche Folgen für Westeuropa und den Rest der Welt haben könnte.»
«Der Krieg muss beendet werden», schreibt er und hält dafür «eine Führung von außen» für erforderlich. Bislang sei die Kommunikation gescheitert, aber das Gipfeltreffen der beiden Präsidenten «könnte ein Anfang sein», schreibt Hersh.
Zu befürchten bleibt, was bei ihm nicht vorkommt: Dass es in zeitlicher Nähe des Treffens von Trump und Putin zu einem erneuten Massaker oder ähnlichem Kriegsverbrechen in der Ukraine kommt, für das Russland verantwortlich gemacht wird, oder auch zu einem terroristischen Angriff aus der Ukraine auf ein russisches Ziel. Das könnte die Suche nach einer Lösung erneut erschweren oder gar verhindern. Für diese «Massaker-Strategie» gibt es bei diesem wie auch bei anderen Konflikten und Kriegen genügend Beispiele.
Selenskyj hatte sich bereits ablehnend zu bekanntgewordenen Lösungsvorschlägen aus Washington und Moskau geäußert. Seine Unterstützer in der EU wollen zudem «mehr Druck auf Russland» und sicherten Medienberichten nach Kiew «weitere militärische und finanzielle Unterstützung» zu. Die Bereitschaft, ein Ende des Krieges zu erreichen, sieht anders aus – das wiederum hängt nicht allein von Trump und Putin ab.