Der Verlust der Freiheit ist in den vermeintlichen liberalen Demokratien real geworden, insbesondere in Deutschland. Nach langer Abwesenheit machen sich wieder totalitäre Tendenzen bemerkbar, wenn auch in einem anderen ideologischen Gewand. Denunziation, staatliche Meldestellen, Hausdurchsuchungen und Strafverfolgung von Dissidenten greifen wieder um sich.
Aber anstatt in dieser Entwicklung die eigentliche Gefahr für die Demokratie zu sehen, erzeugt man ein altbewährtes Feindbild. Die Bedrohung kommt angeblich von rechts, wobei in diese Kategorie mittlerweile so ziemlich jeder fällt, der die grün-woke Ideologie nicht mitträgt. Wie weit das führen kann, veranschaulicht der Regisseur Imad Karim in seinem Spielfilm «Plötzlich Staatsfeind».
Der knapp einstündige Streifen changiert zwischen Dystopie und Satire, enthält aber auch dokumentarische Elemente. Noch bevor sich der Protagonist Oskar Held in dem Netz staatlicher Überwachung und Kontrollmaßnahmen verstrickt, sehen die Zuschauer einen Ausschnitt aus einem Interview mit George Orwell, der im Sterbebett an zukünftige Generationen appelliert, nicht solche Verhältnisse zuzulassen, von denen sein Klassiker «1984» handelt.
In der nächsten Sequenz liefert Hauptdarsteller Thomas Kautenburger in einem Video eine Generalabrechnung mit dem Zeitgeist. «Ich ertrage es nicht, wie eine ganze Generation ihrem eigenen Niedergang tatenlos zuschaut», lauten seine Abschlussworte, mit denen die Thriller-Handlung in Gang gesetzt wird.
In der Mimik des Protagonisten zeigen sich innere Konflikte
Für dieses Hassvideo muss sein Oskar Held büßen, auf eine Art und Weise, die zum jetzigen Zeitpunkt noch dystopisch anmutet, aber durchaus Wirklichkeit werden könnte. Das ist die Grundaussage des Films. Und der kann seine kritische Haltung genauso wenig verbergen wie der Protagonist.
Thomas Kautenburger spielt diesen gejagten «Staatsfeind» mit einem stets gequälten Gesicht. In seiner Mimik treten die inneren Konflikte zutage, die Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen, seine Enttäuschung über nahestehende Menschen. Es ist die Geschichte eines Gefallenen.
Oskar Held war einst ein angesehener Schriftsteller mit Hang zum Kommunismus. In der Welt von heute gilt er jedoch als «rechts», weil er den schleichenden Verlust der Freiheit öffentlich anprangert. In einem kurzen Prozess wegen seines vermeintlichen «Hassvideos» bekommt er eine Bewährungsstrafe und wird daraufhin gesellschaftlich isoliert.
In der Handlung spiegelt sich das Schicksal des Regisseurs
Diffamierungen, Schmutzkampagnen und Erziehungsmaßnahmen bestimmen fortan seinen Alltag. Der staatliche Zersetzungsmechanismus ist so weitreichend, dass Oskar kaum noch Menschen um sich herum findet, denen er vertrauen kann. In dem Schicksal des Protagonisten spiegeln sich die Erfahrungen des Regisseurs Karim.
Dieser hatte in der Vergangenheit für das Fernsehen hauptsächlich Dokumentationen gedreht, oftmals mit dem gleichen kritischen Impetus. Das brachte ihm viel Ärger ein. Kollegen wendeten sich von ihm ab; er selbst wurde zum Aussätzigen erklärt, zu einem «rechten» Ewiggestrigen – trotz Migrationshintergrund. «Plötzlich Staatsfeind» ist sein erster Spielfilm, in dem er die totalitäre Entwicklung der letzten Jahre auf die Spitze treiben wollte.
Aufgrund der Verwerfungen im Medienbetrieb war es für ihn nicht leicht, Darsteller zu finden. Nicht wenige sagten ab, sobald sie das Drehbuch gelesen hatten. Zu groß war die Angst, ebenfalls unter die Räder der grassierenden Empörungsmaschinerie zu geraten. Einige mutige Kollegen haben sich dennoch gefunden. Neben Thomas Kautenburger wirkten Natalie Reisenbüchler, Peter Seitz und Tina Fey mit.
Nicht alle von ihnen sind im Hauptberuf Schauspieler. Was sie antrieb, war der Wille, den Regisseur bei seinem ambitionierten Filmprojekt zu unterstützen. Für einige hatte das Konsequenzen; ihre Agenturen beendeten sofort die Zusammenarbeit, sobald bekannt wurde, dass sie in einem Film von Imad Karim mitspielten.
Geistreiche Einfälle
Der Regisseur mit libanesischen Wurzeln arbeitete insgesamt drei Jahre an dem Streifen und musste so manche Hürde meistern, auch in finanzieller Hinsicht. Das niedrige Budget macht sich durchaus in der Inszenierung bemerkbar. Einige Dialoge klingen etwas holprig, so manche Szenen hätten vielleicht öfter gedreht werden müssen. Was aber in der technischen Umsetzung mangelhaft erscheint, macht Karim mit herrlichen Einfällen wett.
Sein Oskar Held muss zum Beispiel während der Bewährungszeit den Führerschein abgeben, um dadurch einen ganz persönlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Seine Umerziehung übernimmt eine Behörde mit dem Kürzel GEZ, das anspielungsreich für «GedankenEntwirrungsZentrale» steht.
Der Bewährungshelfer ist eine non-binäre Person und der Nachrichtensprecher des Senders «Green News» ein Mann, der mit seinem Barett wie ein afrikanischer Revolutionär aussieht. Der tägliche Konsum dieser Propaganda gehört zu Oskar Helds Bewährungsauflagen. So erfährt er unter anderem, dass es nun «gendergerechte Spielkarten» gibt und Weihnachtsmärkte in «Wintermärkte» umbenannt wurden.
Karim zieht den grün-woken Sprachirrsinn durch den Kakao, bisweilen mit orwellschen Begriffsverdrehungen. Auf den Werbetafeln der Stadt sind Slogans wie «Kunst ist queer» zu lesen oder «Verschwörungstheorien sind tödlich». Zwischendurch werden Aussagen des englischen Schriftstellers selbst eingeblendet. Von dessen «1984» ist die Welt in Karims Film nicht sehr weit entfernt.
Die dystopische Stimmung breitet sich bereits in einer der Anfangssequenzen aus, in der Oskar Held aus der Perspektive mehrerer Überwachungskameras gezeigt wird. Es sind Bilder, die man bislang nur aus China kennt, die aber auch in den westlichen Staaten schon bald salonfähig werden könnten – wenn es die Bevölkerung zulässt. So wie Karims Protagonist am Ende des Films will auch der Regisseur die Zuschauer zum Nachdenken darüber anregen, wie viel Dystopie sie in die Zukunft hineintragen wollen.
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