Am Samstag drangen im Rahmen der Operation «Al-Aqsa Flood» zahlreiche palästinensische Kämpfer in Israel ein. Dort töteten und entführten sie auch Zivilisten. Darunter waren Raver, die in der Negev-Wüste eine Trance-Party feierten, nur fünf Kilometer von der Grenze zu Gaza entfernt, in der Nähe des Kibbuz Re’im. Die «Supernova» genannte Veranstaltung traf mit dem jüdischen Fest Sukkot (Laubhüttenfest) zusammen.
Gemäss dem Rettungsdienst Zaka seien mehr als 260 Leichen auf dem Festivalgelände geborgen worden, berichtete die BBC. Videos, die nach dem Überfall gemacht wurden, zeigen Dutzende abgebrannte Autos in der Nähe des Festivalgeländes.
Einige Raver wurden von den Palästinern nach Gaza verschleppt, wahrscheinlich auch die deutsch-israelische Staatsbürgerin Shani Louk. Ihre Mutter zeigt sich in den sozialen Medien überzeugt, die 22-jährige Shani auf einem Video erkannt zu haben, das die Hamas veröffentlichte. Darauf ist eine Frau zu sehen, die regungslos und halbnackt auf dem Rücksitz eines Pickups liegt.
Der Journalist Liel Leibovitz hat zwölf Stunden lang mit Israelis gesprochen, die auf dem Musikfestival waren. Im jüdischen Tablet Magazine berichtete er über die «sehr emotionalen» Gespräche. Ein Jugendlicher sei zusammengebrochen und nicht mehr in der Lage gewesen, sich weiter zu erinnern.
Der Angriff habe gegen 7 Uhr morgens begonnen, so Leibovitz. Die Party sei zu diesem Zeitpunkt auf ihrem Höhepunkt gewesen, was bedeutete, dass die meisten Menschen bereits berauscht gewesen seien. Zunächst hätten die Partygäste eine laute Explosion gehört, die sie für einen weiteren sporadischen Raketenangriff auf den Süden Israels gehalten haben.
Doch dann seien die Explosionen immer lauter geworden und hätten etwa fünf Minuten lang angedauert. Die Musik habe aufgehört und die Polizei, welche die 4000 bis 5000 Raver schützte, habe alle gedrängt, das Gelände zu verlassen. Leibovitz weiter:
«Zu diesem Zeitpunkt näherten sich die Terroristen in Pickups mit militärischen Hamas-Kennzeichnungen. Die Schiesserei begann. Viele wurden auf der Stelle hingerichtet. Bislang wurden 260 Leichen auf dem Gelände des Raves gefunden. Viele der jungen Männer und Frauen begannen, in die flachen Weiten der westlichen Negev-Wüste zu rennen. Angesichts des Schauspiels von Jugendlichen, die auf einer weitgehend flachen Fläche um ihr Leben rannten, begannen die Terroristen, den Rest ihrer Opfer zusammenzutreiben. Andere wurden gefangengenommen, gefesselt und gekidnappt.»
Ein Überlebender erzählt von einem Video, in dem eine Frau zu sehen ist, die von Palästinensern mit einem Motorrad weggefahren wird, während andere ihren Freund festhalten. Der Raver weiter:
«Frauen wurden auf dem Gelände des Raves vergewaltigt, neben den Körpern ihrer Freunde, neben den Leichen.»
Mehrere dieser Vergewaltigungsopfer scheinen später hingerichtet worden zu sein, erklärt Leibovitz. Andere seien nach Gaza gebracht worden. Auf Fotos, die im Internet veröffentlicht worden seien, könne man sehen, wie mehrere von ihnen durch die Strassen der Stadt paradiert werden, wobei «ihnen das Blut zwischen den Beinen hervorquillt».
Ein Überlebender, der später am Tag an den Ort des Geschehens zurückkehrte, um nach seinen Freunden zu suchen, habe mit gebrochener Stimme von dem, was er gesehen hatte, gesprochen. Von den Leichen, vor allem von jungen Frauen, die kalt und verstümmelt dalagen. Von spärlich bekleideten Leichen, von denen viele anscheinend aus nächster Nähe erschossen worden seien. Von Autos, die von Kugeln durchlöchert oder von Granaten in die Luft gejagt worden seien.
Einige der «Glücklichen» rannten laut den Zeugen in ein nahe gelegenes Wadi (Tal) und suchten Schutz im Gebüsch. Einer berichtete:
«Ich hatte das Gefühl, dass sie direkt über unseren Köpfen schossen. Ich habe mich in einen Busch verkrochen ... Es war, als ob die Schüsse aus 180 Grad Entfernung um uns herum kamen. Mir war klar, dass wir mindestens ein paar Stunden dort sein würden. Und ich hatte nichts bei mir. Und ich dachte: Das Einzige, was ich will, ist eine Waffe. Ich will etwas, um uns zu beschützen.»
Schliesslich hätten er und seine Freunde, von denen einige barfuss gewesen seien, beschlossen, es zu riskieren und zu versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Sie seien so nahe wie möglich, ohne gesehen zu werden, an der Strasse entlanggegangen, bis sie Polizei- und Armeewagen ausgemacht hätten.
Laut Leibovitz ist es den israelischen Soldaten gelungen, die Angreifer zu überwältigen. Danach hätten sie deren Lastwagen durchsucht und Panzerfäuste, hochwertige Kommunikationsgeräte, verschiedene AK-47 und andere, zumeist aus sowjetischer Produktion stammende Waffen sowie zahlreiche Koran-Exemplare gefunden.
Wie die Tagesschau informierte, teilten in sozialen Medien auch andere Überlebende ihre Erlebnisse mit. So berichtete die 26-jährige Arik Nani:
«Wir rannten zu den Feldern und hörten hinter uns ständiges Feuer, sahen Menschen rennen und fallen. Wir versteckten uns im Gebüsch, während Kugeln über unsere Köpfe flogen. (...) Ich habe nicht gedacht, dass ich es schaffen würde.»
Mit einer Verletzung an der Hand und dehydriert sei sie sechs Stunden gerannt, bevor sie eine Notunterkunft erreichen konnte. Andere Raver berichteten, dass sie während ihrer Flucht mit dem Auto unter Beschuss gerieten.
Manche Besucher suchten Schutz in Büschen und Bäumen. Gegenüber der BBC erklärte Gili Yoskovich:
«Sie gingen von Baum zu Baum und schossen. Ich sah, dass überall Menschen starben. Ich war sehr still. Ich habe nicht geweint, ich habe nichts getan.»
Die 19-jährige Ester Borochov, der es gelang, in ihrem Auto zu fliehen, bevor es von Kugeln getroffen wurde und zusammenbrach, sagte laut France 24 gegenüber dem israelischen Fernsehsender Channel 12:
«Sie [Hamas-Kämpfer] begannen, aus nächster Nähe auf uns zu schiessen. Ein junger Mann nahm uns in seinem Jeep mit. Sie schossen auf ihn, er verlor das Bewusstsein und sein Auto überschlug sich. Wir haben uns zweieinhalb Stunden lang tot gestellt, ich und mein Freund, bevor Hilfe kam. Nur so haben wir überlebt.»
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