Das verpönte und fast verbotene F-Wort ziert das Cover des jüngsten Buches des Sozial- und Politikwissenschaftlers Ullrich Mies: «Das 1x1 des Staatsterrors – Der Neue Faschismus, der keiner sein will». Und tatsächlich: Jeder Vergleich der jüngsten politischen Entscheidungen mit vergangenen Zeiten scheint dermassen unerwünscht, dass die Polizei Berlin kritischen Journalisten, die das Wort «Faschismus» benutzen, den Beruf abspricht – einer der Einschüchterungsversuche, mit dem sich die Verfasserin dieser Rezension tatsächlich konfrontiert sah.
Damit legt die Exekutive erst recht eine Vorgehensweise an den Tag, die an Deutschland während des traditionellen Faschismus erinnert und somit die Thesen des Autors untermauert.
Dazu folgendes Zitat aus dem aktuellen Werk von Mies:
«Faschistisch wird es, wenn Nachrichten oder Informationen, die von der Meinung der Herrschenden abweichen, diffamiert, zensiert und unterdrückt werden. Also nur noch eine Meinung akzeptiert und geduldet wird.»
Doch welche weiteren Parallelen zu früher erkennt der Autor?
Der erste Teil des Buchtitels lautet «1x1 des Staatsterrors» und mag auf einen Leitfaden hindeuten. In gewisser Weise stimmt das auch: Denn zuerst gilt es, zu erkennen, was ist, um effektiv dagegen vorzugehen. Und tatsächlich werden sich nach der Lektüre des im Klarsicht Verlag erschienenen Buchs für viele Leser die Augen öffnen. Denn der Autor von Büchern wie «Der Tiefe Staat schlägt zu. Wie die westliche Welt Krisen erzeugt und Kriege vorbereitet» oder «Fassadendemokratie und Tiefer Staat. Auf dem Weg in ein autoritäres Zeitalter» findet wie immer sehr klare Worte und nimmt kein Blatt vor den Mund.
Mies beschreibt schonungslos und deutlich, was eigentlich geschieht, und analysiert, wie es wieder so weit kommen konnte, dass wir in einer, wie er schreibt, «Phase offensichtlich organisierter Regierungskriminalität» leben. Mies stellt zusammenfassend fest:
«Es handelt sich um einen Neuen Faschismus mit Globalanspruch. Der sich bislang auf den sogenannten freien Westen konzentriert.»
Merkmale des Neuen Faschismus
Aber was unterscheidet den traditionellen vom Neuen Faschismus? In einer Tabelle stellt der Autor die jeweiligen Merkmale gegenüber. Und anhand von Vorhaben der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation belegt Mies seine Behauptung, dass sich im Westen ein «globalfaschistisches Regime» entwickelt. Er erklärt: «Faktisch haben wir es mit einer Privatisierung von Regierungsmacht unter der Knute billionenschwerer Weltkonzerne zu tun.» Und weiter:
«Indem sich der Staat zum Souverän aufschwingt, bestimmen der Staatsterror und die Tyrannei, also das organisierte Politverbrechen, von oben herab politisch, was Wahrheit ist. (...) Wenn sich die Exekutive verabsolutiert, die Gewaltenteilung ausgehebelt hat und alleine bestimmt, wo es langgeht, sind alle Dämme gebrochen.»
«Marktradikale Konterrevolution»
Die Ursache für den Zustand der Welt sieht Mies im «Marktradikalismus». So heisst es an einer Stelle:
«Die spätestens seit der Corona-Krise sichtbare Übernahme des Staates durch Finanzindustrie und Konzerngesellschaft ist mit Demokratie nicht vereinbar. Die zahllosen Kritiker des Neoliberalismus haben Recht behalten: Neoliberalismus/Marktradikalismus und Demokratie schliessen sich aus! Die logische Vollendung der Herrschaft im US-gesteuerten Marktradikalismus ist der autoritäre beziehungsweise totalitäre Super-Zentralstaat, wobei die Politik jedwede demokratische Restfunktion aufgab/verlor und zum integralen Player des Global Deep State mutierte.»
Er bringt auch den «Corona-Krieg gegen die Völker» ins Spiel. Dieser habe der Erosion politischer und bürgerlicher Rechte, der Konzentration von Reichtum und Macht, Militarisierung der Polizei und der Gleichschaltung der Medien einen «enormen Schub» gegeben.
Nicht nur Deutschland
Die marktradikale Konterrevolution nochmal zu radikalisieren, ist laut dem Autor die Aufgabe der deutschen Regierung. Als Beispiel nennt er den Generalangriff auf die Grundrechte und das Rechtssystem im Namen von Corona. Mies zeigt auf, wie in der «aufziehenden Dritten Deutschen Diktatur» der Ausnahmezustand immer weiter missbraucht wird. Und schaut dabei auch hinter die Fassaden von Wokeness, Cancel-Culture oder dem «Digital Services Act».
Viele Begriffe seien auf den Kopf gestellt worden, wodurch zum Beispiel aus dem «Systemkritiker» der «Verschwörungstheoretiker» werden konnte. Ausserdem rechnet Mies mit den Linken ab, die für ihn nur mehr den «Ideologietransporteur der Herrschaftsfraktionen» verkörpern.
Aber nicht nur Deutschland zählt laut Mies zu den «Failed States», sondern alle EU-Länder, «in denen Bürger und Arbeiterklasse zu leibeigenen tributpflichtigen Sklaven innerhalb der angestrebten New World Order» werden sollen. Mies sieht den Westen an der Schwelle zum «internationalen Superfaschismus» unter der Führung der USA mit ihrem Weltbeherrschungsanspruch.
Entlarvend beschreibt er dieses «Gewaltregime neuer Prägung» und dessen «dystopische Agenda», die nicht nur die Natur, sondern auch die Menschen für das neue Profitregime kommerzialisiere.
Alter versus Neuer Faschismus: ein Vergleich, keine Gleichsetzung
Im Hauptteil geht Mies der Frage nach, welche Merkmale des traditionellen Faschismus auch heute vorzufinden sind. Dazu bezieht er sich unter anderem auf das Buch «Jenseits des Kapitalismus» des Politikwissenschaftlers Richard Löwenthal aus dem Jahr 1947 sowie auf die 14 Kriterien des «Ur-Faschismus», wie sie der Schriftsteller und Medienwissenschaftler Umberto Eco definierte.
Der Autor zeigt dabei die erschreckenden Parallelen zwischen damals und heute auf – zwischen dem «Ur-Faschismus» und dem «Neuen Faschismus, der keiner sein will». Dazu gehörten, um nur einige zu nennen, Merkmale wie: Irrationalismus; Dissens ist Verrat; Konsens und Rassismus; frustrierte Mittelklassen; Leben als Kampf.
Mies definiert auch zwei weitere wichtige Kriterien, die den Neuen Faschismus auszeichnen: Angsterzeugung als Herrschaftsmittel sowie Verschmelzung von politischer und wirtschaftlicher Macht.
Fazit: Grundlage für die demokratische Erneuerung
Wer sich in den vergangenen Jahren vielleicht auch nur insgeheim gefragt hat, ob es sich nicht doch um Faschismus handelt, wird in diesem Buch eine scharfe Analyse der aktuellen Verhältnisse und eine schlüssige Antwort finden. Mehr braucht es eigentlich nicht: Denn wer weiss, was wirklich ist, wird die richtigen Konsequenzen ziehen.
Und so macht «Das 1x1 des Staatsterrors – Der Neue Faschismus, der keiner sein will» trotz des erschreckenden Themas auch Hoffnung. Denn das Buch bildet, um aus dem Vorwort von Michael Ewert zu zitieren, die «Grundlage für wirklichen Antifaschismus».
Denn, wie Mies schreibt, «die Menschen müssen nach 40-jähriger Gehirnwäsche neu lernen, zivilisiert und friedvoll miteinander umzugehen. Die Grundlage für die Erneuerung des Denkens kann nur der völlige Bruch mit den aktuellen Zuständen, dem Kapitalismus und seinen Herrschaftsfraktionen sein.» Mit diesem Werk, in dem der Neue Faschismus definiert wird, ist der wichtige erste Schritt dahin getan.
Zu empfehlen ist der Band auch für diejenigen, die erst langsam anfangen sich zu wundern, was eigentlich aus unserer Demokratie geworden ist. Mies bedient sich seinem gewohnt flüssigen, leicht zu folgenden Stil und erklärt anfangs grundlegende politische Begriffe und Staatstheorien.
Wichtig und hilfreich für alle, die schon länger das politische Geschehen kritisch betrachten, ist Mies’ tabellarische Auflistung der Merkmale, die den Neuen Faschismus, der keiner sein will, vom alten unterscheiden. Denn wenn, wie der Autor erklärt, die Lüge das «Ende jeder Demokratie» und den Wegbereiter des Neuen Faschismus darstellt, dann trägt Mies mit diesem Buch zur schonungslosen Aufklärung bei. Spätestens nach der Lektüre von «Das 1x1 des Staatsterrors – Der Neue Faschismus, der keiner sein will» ist es mit der Gehorsamkeit vorbei.
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Ullrich Mies: Das 1 x 1 des Staatsterrors. Der Neue Faschismus, der keiner sein will. ISBN 9783985842476
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Sophia-Maria Antonulas stammt ursprünglich aus Wien, wo sie als Journalistin und im PR-Bereich arbeitete. 2001 siedelte sie in die USA über, arbeitete in New York für eine Menschenrechtsorganisation und bei einem grossen Videospielehersteller. 2010 zog es sie nach Berlin und im März 2020 zurück zum Journalismus. Sie lebt inzwischen ausserhalb von Deutschland.
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