Die Verletzung der Menschenrechte
ist integraler Bestandteil
des Projekts des Neoliberalismus
und der globalen Hegemonie.
Arundhati Roy
Liebe Leserinnen und Leser
Wie erwartet, liegt das Rassemblement Nationale von Marine Le Pen bei den Parlamentsneuwahlen in Frankreich nach der ersten Runde klar vorne. Auch in anderen europäischen Ländern und in der EU sind rechte Parteien auf dem Vormarsch. Sie positionieren sich dabei gerne als «anti-establishment». Zweifel daran sind jedoch angebracht.
Schwerpunkt dieser Parteien ist die Migrationskritik. Damit holen sie Wähler ab, die sich von der Einwanderung wirtschaftlich bedroht fühlen. Im öffentlichen Diskurs geht allerdings gerne unter, dass viele rechte Parteien eine neoliberale Agenda verfolgen, die den unteren Bevölkerungsschichten abträglich ist. Was die AfD betrifft, schrieb die Otto-Brenner-Stiftung 2021 in einer Analyse:
«Ist diese Positionierung der Partei zum Zeitpunkt ihrer Gründung noch dadurch gut zu erklären, dass die relevanten AkteurInnen aus dem bürgerlich-konservativen Ökonomenmilieu stammten, ist die klare Kontinuität ordo-/neoliberaler sozioökonomischer Narrative bis heute angesichts der häufigen ‹kleinen Leute›-Rhetorik der AfD doch überraschend.»
Auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, weist in einem Bericht seines Instituts auf dieses Paradox hin: Menschen, die die AfD unterstützten, würden auch am stärksten unter der AfD-Politik leiden, «und zwar in Bezug auf fast jeden Politikbereich».
Fratzscher findet es bemerkenswert, dass sich die AfD «noch stärker und umfassender für eine marktorientierte Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ausspricht als die FDP – obwohl die beiden Parteien recht unterschiedliche Wählerklientele haben». Die Politik der AfD stehe für eine «extrem neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik».
In Frankreich stellt Le Monde allerdings fest, dass Marine Le Pen den Liberalismus zugunsten eines «sozialpopulistischen» Programms aufgegeben habe. Der Begriff «Freiheit» sei durch «Schutz» ersetzt worden. Es gehe nicht mehr darum, «Tausende von Beamten zu entlassen oder wieder in Arbeit zu bringen», wie ihr Vater Jean-Marie Le Pen 1988 vorschlug, oder die Steuern und Abgaben «massiv, ich betone massiv» zu senken.
Fraglich ist jedoch, ob dieser Kurs bei einer Machtübernahme gehalten würde. Middle East Monitor macht nämlich bei europäischen Politikern eine bemerkenswerte Wendigkeit aus. Manche würden es Pragmatismus nennen:
«Die europäische Politik ist das Paradebeispiel dafür, wie Staaten und politische Parteien bereit sind, ihre ideologischen Grundlagen aufzugeben, um sich an der Macht zu halten, und sei es auch nur für kurze Zeit. (...) Sobald sie jedoch an der Macht sind, werden sie von der gleichen neoliberalen Politik regiert, die auch den Rest Europas beherrscht. Diese Behauptung gilt gleichermaßen für die Rechte und die Linke.»
Als Beispiel für letztere führt das Portal den Wandel an, den die linke Koalition Syriza 2015 unter Alexis Tsipras in Griechenland vollzogen hat. Jahrelang habe Tsipras die neoliberale Politik Europas für einen Großteil der Finanzkrise von 2008 verantwortlich gemacht:
«Sobald Tsipras an der Macht war, änderte sich jedoch seine linke Ideologie, sei es aus freien Stücken oder unter Druck. Am Ende seiner Amtszeit, im Jahr 2019, trug die neue Ikone der europäischen Linken dazu bei, das Wiedererstarken der Linken in Europa zunichte zu machen, da die griechische Wirtschaft zur Geisel der mächtigen europäischen Regierungen und multinationalen Unternehmen wurde.»
In der Politik der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni sieht Middle East Monitor den Beweis dafür, dass «Ideologie nur eine Rhetorik ist, die für innenpolitische, wahltaktische Zwecke eingesetzt wird»:
«Wenn jedoch nationale Politik und Politiken mit geopolitischen Interessen konfrontiert werden, geht der Neoliberalismus als Sieger hervor, von Griechenland bis Italien und dem Rest des Kontinents.»
Ob mit linken, mittigen oder rechten Politikern: Im Hintergrund ziehen die Leiter multinationaler Konzerne die Fäden. Regierungen sind für sie Instrumente, um ihre Interessen durchzusetzen und in die Taschen der Steuerzahler zu greifen.
Herzlich
Konstantin Demeter
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