Mehrere zigtausend Menschen sprachen sich am Samstag in der ungarischen Hauptstadt Budapest mit einem «Friedensmarsch» gegen die westliche Kriegspolitik aus. Nach Angaben der Organisatoren war es der «größte Friedensmarsch aller Zeiten», wie die Budapester Zeitung berichtet.
Der Friedensmarsch, organisiert vom Forum der Zivilen Allianz – Stiftung der Zivilen Allianz für Gemeinnützigkeit (CÖF-CÖKA), stand unter dem Motto «Ungarn soll eine Insel des Friedens bleiben». Er zog den Berichten zufolge am frühen Samstagnachmittag am Pester Donau-Ufer entlang über die Margaretenbrücke auf die Margareten-Insel, wo Ministerpräsident Viktor Orbán eine Rede hielt.
Der Verzicht auf den Frieden bedeute: «das Sterben für die Ukraine hinnehmen», zitiert das Portal Ungarn heute den Ministerpräsidenten. Er sagte demnach außerdem:
«Wollen wir ungarisches Blut für die Ukraine geben? Wir wollen es nicht! Wir werden nicht in den Krieg ziehen und wir werden nicht für andere in einem fremden Land sterben.»
Orbán erklärte laut dem Portal außerdem, dass das einzige Gegenmittel gegen den Krieg der Frieden sei. Aufgabe der Regierungsparteien sei es, «Krieg zu vermeiden und Ungarn als Insel des Friedens zu erhalten». «Die Kriegsbefürworter haben ihren Verstand verloren», stellte der Ministerpräsident den Berichten zufolge fest.
«Sie sind berauscht, sie wollen Russland besiegen, wie sie es im Ersten und Zweiten Weltkrieg versucht haben, und sie sind sogar bereit, sich mit dem ganzen Osten anzulegen.»
Die Kriegseuphorie sei wie eine Droge, so Orbán, denn «diejenigen, die süchtig danach sind, fühlen sich für nichts verantwortlich.» Die Befürworter des Krieges seien «nicht an der Zukunft eurer Kinder interessiert», sagte er den Kundgebungsteilnehmern. «Sie können nicht überzeugt werden und deshalb müssen wir sie nicht überzeugen, sondern sie besiegen», erklärte er mit Blick auf die Wahlen zum EU-Parlament am 9. Juni.
Er nutzte den Anlass auch dafür, für seine Partei Fidesz zu werben und auf deren politischen Erfolge in den letzten Jahren hinzuweisen. Seit 2006 habe die Partei jede Wahl in Ungarn gewonnen. Zugleich wandte er sich gegen die Migrationspolitik der EU ebenso wie gegen die Gender-Politik.
«Wir sind die größte Wählerarmee, noch nie hat jemand so viele Menschen für den Frieden aufstellen können», sagte er und fügte laut dem ungarischen Sender Klubradio hinzu: «Wir sind die größte Friedenstruppe in Europa.» Als wichtigstes Ziel benannte Orbán demnach:
«Wir müssen verhindern, dass Europa in den Krieg, in seine eigene Zerstörung stürzt.»
Die EU bereite sich stattdessen auf den Krieg vor, mit «täglichen Ankündigungen der Eröffnung neuer Abschnitte der Straße zur Hölle». Er zählte dabei auf: «Hunderte von Milliarden Euro für die Ukraine, die Stationierung von Atomwaffen mitten in Europa, die Einberufung unserer Söhne in eine fremde Armee, eine NATO-Mission in der Ukraine, europäische Militäreinheiten in der Ukraine».
«Der Pro-Kriegszug hat keine Bremsen und der Lokführer ist verrückt geworden. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament setzen wir uns dafür ein, diesen Zug zu stoppen, und dass zumindest die, die es wollen, aussteigen und sich aus dem Krieg heraushalten können.»
Laut Orbán hatten die EU-Gründerväter Recht, dass der Kontinent einen weiteren Krieg nicht überleben kann. In Bezug auf Ungarn sagte er:
«Im Krieg haben wir nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren».
Er betonte, dass das Land in der Vergangenheit gegen den eigenen Willen in einen Krieg hineingezogen worden sei, «und wir haben verloren, und das würde auch jetzt, im Jahr 2024, der Fall sein». In den beiden Weltkriegen habe Ungarn anderthalb Millionen Menschen verloren, «und mit ihnen ihre zukünftigen Kinder und Enkelkinder», erinnerte er.
«Ich sage das langsam, damit Brüssel es versteht: Wir werden nicht in den Krieg ziehen. Wir werden nicht ein drittes Mal in den Osten gehen, wir werden nicht wieder an die russische Front gehen, wir waren schon einmal dort, wir haben dort nichts zu suchen.»
Ungarns Ministerpräsident machte darauf aufmerksam, dass Europa noch nie eine solche Wahl erlebt habe, mit Waffen in der Nachbarschaft und «düsteren Schatten um uns herum». Aber die Ungarn würden die Natur von Kriegen kennen und wissen, «dass sie immer anders enden, als sie sich ursprünglich vorgestellt haben».
«Krieg tötet», erinnerte er und stellte klar, dagegen gebe es nur «ein Gegenmittel: Frieden». «Wenn wir wollen, dass der Krieg uns nicht einholt, müssen wir ihn stoppen», sagte Orbán. Es gebe keine Lösung für den Krieg in der Ukraine auf dem Schlachtfeld, sondern nur durch einen Waffenstillstand und Verhandlungen.
Der Fidesz-Politiker betonte, auch deshalb seien die Wahlen am 9. Juni wichtig. «In einer Woche werden wir die Bestätigung aus allen europäischen Ländern haben und wir können eine Koalition für den Frieden bilden», sagte er laut Klubradio.
Er hoffe, dass im Herbst «der Frieden auch in den USA siegen» werde, wenn ein neuer US-Präsident gewählt wird. Dann könne eine «transatlantische Friedenskoalition» geschaffen werden, sagte er mit Blick auf einen möglichen Sieg von Donald Trump. «Im Frühjahr waren wir in der Minderheit, im Herbst könnten wir auf der ganzen Welt in der Mehrheit sein», so Orbán.
In den bundesdeutschen Mainstreammedien gibt es keine Berichte zu dem Friedensmarsch in Budapest. Im österreichischen Sender ORF wurde die Veranstaltung hauptsächlich als Demonstration für die «rechtsnationale Regierung» von Orbán dargestellt. Auch in etablierten Schweizer Medien waren keine Nachrichten dazu zu finden.
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