Der Finanzanalyst Martin Armstrong kritisiert auf seiner Website die Herangehensweise des US-Präsidenten Donald Trump an den Handel. Er macht ein grundlegendes Missverständnis über die Funktionsweise der Weltwirtschaft aus. Armstrong zufolge fixiert sich Trump auf Handelsdefizite im engeren Sinne und lässt dabei die umfassendere Leistungsbilanz außer Acht, die nicht nur den Waren- und Dienstleistungsverkehr, sondern auch Kapitalerträge und Kapitalströme umfasst. Diese eingeschränkte Sichtweise ignoriere den gesamten wirtschaftlichen Kontext. Armstrong erläutert:
«Wie ich bereits erklärt habe, umfasst die Leistungsbilanz, die man als Handelsbilanz bezeichnet, auch alle Zinsen und Dividenden auf Aktien, Anleihen und Investitionen. Wenn China theoretisch 100 Prozent der US-Staatsschulden kaufen würde, dann würde das wahrgenommene Handelsdefizit aus Zinsen in Höhe von einer Billion Dollar nach China fließen, und das hat nichts mit Arbeitsplätzen oder der Herstellung von irgendetwas zu tun.»
Auf Zölle zu setzen, um Handelsungleichgewichte auszugleichen, ist dem Finanzanalysten zufolge nicht nur wirtschaftlich vereinfachend, sondern auch potenziell schädlich. Zölle könnten Vergeltungsmaßnahmen provozieren und die komplexen globalen Lieferketten stören, auf die moderne Volkswirtschaften angewiesen seien. Dieser Ansatz blende den enormen Einfluss der USA als größter Verbrauchermarkt aus. Anstatt diesen Vorteil in Verhandlungen strategisch zu nutzen, riskiere Trumps Politik, Handelspartner zu verprellen und die globale wirtschaftliche Stabilität zu untergraben.
Gemäß Armstrong ist Trumps Sicht auf den Handel veraltet und in einer merkantilistischen Denkweise verwurzelt, in der Exporte als gut und Importe als schlecht angesehen werden. In der heutigen vernetzten Welt verkenne diese Anschauung, dass die wirtschaftliche Gesundheit von dynamischen Kapitalbewegungen, Verbraucherverhalten und gegenseitigen Abhängigkeiten bestimmt wird. Damit die Handelspolitik den nationalen Interessen wirksam diene, bedürfe es eines sachkundigeren und differenzierteren Ansatzes.
Europa halte allerdings ebenfalls an den alten Theorien des Merkantilismus fest. Es sei zudem «viel zu marxistisch». Das Ziel des «sozialistischen Europa» sei es, «den Lebensstandard für alle zu senken, um den der unteren Schichten mit Sozialhilfe zu heben». China lehne die «europäische merkantilistische Wirtschaftsphilosophie» hingegen ab und baue durch politische Reformen, Urbanisierung und digitale Innovation bewusst eine verbraucherorientierte Wirtschaft auf. Armstrong schließt:
«Im Jahr 2023 werden etwa 23 bis 24 Prozent der gesamten US-Staatsschulden von ausländischen Unternehmen gehalten. Diese Berechnung basiert auf ausländischen Beständen in Höhe von etwa 7,4 Billionen Dollar von insgesamt 31,4 Billionen Dollar zu diesem Zeitpunkt. Daraus ergeben sich etwa eine Billion Dollar an Zinsausgaben. Somit fließen mehr als 230 Milliarden Dollar über die Leistungsbilanz ab, die nichts mit dem Handel zu tun haben. Zu den Hauptinhabern der US-Staatsschulden gehören Japan, China und das Vereinigte Königreich.
Das Verständnis dieser Komponenten ist jetzt, inmitten eines Handelskriegs, von entscheidender Bedeutung. Der Verkauf von US-Schulden wird über die Kapitalbilanz abgewickelt, reduziert aber die an Ausländer gezahlten Zinsen, die über die Leistungsbilanz abgewickelt werden, wodurch die Illusion eines Handelsdefizits entsteht. Ich bin mit Trumps Formeln nicht einverstanden, und das Risiko eines permanenten Handelskriegs mit China ist nun gegeben, es sei denn, er führt ein privates Telefongespräch. Man kann keine öffentlichen Forderungen an China stellen, denn dann können sie aufgrund ihrer Kultur nicht einlenken.»