In der Schweiz hatte die Partei Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) am 21. November 2023 bei der Bundeskanzlei die Petition «Nein zur WHO-Diktatur!» mit 23’687 Unterschriften eingereicht. Nun hat Nina Kronig, Vizedirektorin des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und Schweizer Verantwortliche für die Verhandlungen zum WHO-Pandemievertrag, Stellung bezogen und der EDU einen Antwortbrief zugestellt.
Ähnlich wie in einem kürzlich in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) publizierten Interview gibt die Walliserin, die während der «Pandemie» vor ihrer Babypause die «Impfstoff»-Beschaffung koordiniert hatte, Entwarnung: Änderungen in Bezug auf Wissensaustausch und Meldesysteme seien im Interesse unseres Landes, die Schweiz würde sich – eigentlich eine Selbstverständlichkeit! – nach den geltenden Gesetzes- und Verfassungsbestimmungen richten, die laufenden Verhandlungen würden keine neue Kompetenzen für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorsehen. Die Schweiz würde auch in Zukunft souverän über ihre Gesundheitspolitik entscheiden.
Ist das wirklich so?
Die in Irland forschende Juristin und Assistenzprofessorin Dr. Amrei Müller sieht das etwas anders. Ein kürzlich publiziertes Dokument aus ihrer Feder behandelt die bestehende WHO-Architektur für die Reaktion auf globale Gesundheitsnotfälle sowie geplante Reformen des internationalen Rechtsrahmens. Die Reformen, der geplante WHO-Pandemievertrag und die Überarbeitung der Internationalen Gesundheitsvorschriften von 2005 könnten die Befugnisse des WHO-Generaldirektors erheblich erweitern und die weltweite Reaktion auf Gesundheitsnotfälle beeinflussen.
Die Reformen zielen darauf ab, dem WHO-Generaldirektor mehr Befugnisse zu geben, Gegenmassnahmen festzulegen, über Mittel zur Vorsorge und Reaktion zu verfügen und öffentlich-private Partnerschaften zu nutzen. Die Doktrin der globalen Gesundheitssicherheit (GHS) bildet die Grundlage für die Reformen und fördert einen von Müller als zentralisierten, technokratischen und biomedizinischen Ansatz zur Prävention und Reaktion auf Gesundheitsnotstände bezeichneten Ansatz.
Die GHS beruht auf einem «All-Hazard-Ansatz», der eine ständige biomedizinische Überwachung und schnelle Umsetzung von medizinischen und nicht-medizinischen Notfallmassnahmen auf nationaler, regionaler und globaler Ebene erfordert. Er ersetzt herkömmliche epidemiologische und medizinische Ansätze durch einen «Gesundheitsnotstandsmodus», der auf schnellen Gegenmassnahmen basiert. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit dem Militär. Das steht im Gegensatz zu traditionellen Ansätzen der WHO und nationalen Leitlinien zur Pandemievorsorge.
Müller vermutet, dass die GHS möglicherweise von philanthropischen Organisationen vorangetrieben werden, die von der weltweiten Herstellung und Verteilung von Produkten für Gesundheitsnotstände profitieren.
Die WHO-Architektur umfasst acht Hauptbausteine, von den Befugnissen des WHO-Generaldirektors bis zur Informationskontrolle. Die Reformen könnten diese Bausteine erheblich erweitern und stärken. Sie beinhalten die Schaffung eines globalen Bioüberwachungssystems, präventive Forschung und Entwicklung, Notfallzulassung von Produkten, weltweite Produktion und Verabreichung von Produkten, ein biomedizinisches System zur Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs mit digitalen Gesundheitspässen und mehr.
Zusammenfassung der Hauptbausteine:
- Erweiterte Befugnissen des WHO-Generaldirektors zur Ausrufung von Gesundheitsnotständen: Der WHO-Pandemievertrag sieht keine klare Regelung für die Ausrufung einer Pandemie vor und wirkt inkonsistent. Vorgeschlagene Änderungen an den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) zielen darauf ab, die Definition eines Public Health Emergency of International Concern (PHEIC) zu erweitern, indem eine «mittlere Alarmstufe» und eine regionale Alarmstufe, eine Public Health Emergency of Regional Concern (PHERC) eingeführt werden. Diese Änderungen könnten den Anwendungsbereich der IGV erheblich erweitern und bergen das Potenzial für Konflikte mit Menschenrechtsverpflichtungen.
- Das globale Bioüberwachungssystem besteht aus nationalen und internationalen Komponenten, die zusammenspielen, um Krankheitserreger zu identifizieren, genetische Sequenzdaten auszutauschen und die WHO und andere Länder zu informieren. Dies beinhaltet eine ständige weltweite Überwachung der Schnittstelle zwischen Mensch, Tier und Umwelt. Der WHO-Pandemievertrag sieht die Schaffung eines WHO Pathogen Access and Benefit Sharing Systems vor, um den weltweiten Zugang zu genetischen Sequenzdaten von Pandemie- oder PHEIC-Potenzial-Erregern zu gewährleisten.
- Müller weist darauf hin, dass solche Systeme Konflikte mit geistigem Eigentum und möglicherweise gefährliche Gain-of-Function (GoF)-Forschung fördern könnten, was weitere ethische und rechtliche Fragen aufwerfen würde.
- Informationskontrolle während eines Gesundheitsnotstands: Müller erklärt, dass die WHO während eines PHEIC empfehlen könnte, falsche Informationen zu bekämpfen. Der WHO-Pandemievertrag sieht auch die Verpflichtung der Staaten vor, falsche Informationen zu bekämpfen und Forschung zu betreiben, um die Einhaltung von nicht-medizinischen Massnahmen zu fördern.
- Müller betont die Komplexität der Umsetzung des Pandemievertrags angesichts der überlappenden Institutionen und Vertragswerke.
- Und schliesslich das Geld: Die erweiterte WHO-Architektur erfordert langfristige finanzielle Verpflichtungen der Staaten, um Gesundheits- und Überwachungstechnologien sowie Pandemieprodukte zu entwickeln. Im Entwurf des WHO-Pandemievertrags wird vorgeschlagen, dass die Konferenz der Vertragsparteien bis spätestens Ende 2026 einen nachhaltigen Finanzierungsmechanismus schaffen soll. Dieser Mechanismus soll durch reguläre und freiwillige Beiträge der Vertragsparteien, finanziert werden. Ein weiterer Stiftungsfonds soll durch freiwillige Beiträge aus verschiedenen Sektoren und Spenden von philanthropischen Organisationen eingerichtet werden, um einkommensschwächere Länder bei der Umsetzung des Pandemievertrags zu unterstützen.
Problematische Aspekte
Gemäss Müller sind viele Aspekte dieser Vertragswerke problematisch.
Finanzen: Philanthropische und industrielle Finanzierung sind oft miteinander verknüpft. Der Einfluss der Philanthropen ist dabei nicht klar und nicht deklariert.
Unsicherheit der faktischen Grundlagen: Die Frage, ob die Annahme einer zunehmenden Häufigkeit von Pandemien/PHEICs durch zoonotische Spillover-Effekte und den Klimawandel wissenschaftlich fundiert ist, ist nicht geklärt und damit bleibt auch die Notwendigkeit eines solchen Vertragswerkes offen. Die Änderungen fokussieren auf einen ausschliesslich biomedizinischen Ansatz, während traditionelle ganzheitliche Ansätze unberücksichtigt bleiben.
Ein weiterer problematischer Aspekt betrifft den Menschenrechtsschutz. Die vorgeschlagenen Änderungen könnten mit internationalen Menschenrechtsverpflichtungen in Konflikt geraten. Die Streichung der «Achtung der Würde, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten des Menschen» als Durchführungsgrundsatz der IGV lässt alle Alarmglocken läuten. Beispiele für mögliche Verletzungen sind die forcierte Entwicklung und Verabreichung von experimentellen Impfstoffen, Eingriffe in das Recht auf freie Meinungsäusserung und Information sowie Verletzungen des Rechts auf Privatsphäre und Datenschutz im Zusammenhang mit biomedizinischen Überwachungssystemen – gar nicht zu reden von der Reisefreiheit.
Müller betont, dass eine gründliche und unabhängige Untersuchung der Wirksamkeit und der sozioökonomischen Auswirkungen der von der WHO empfohlenen Massnahmen während des Covid-19-PHEIC noch aussteht.
Sie sieht auch die Gefahr der Aushöhlung medizinrechtlicher Standards zur Zulassung von Medizinprodukten. Die Reformen könnten dazu führen, lang erkämpfte Standards des Medizinrechts zur Sicherheit und Wirksamkeit von Medizinprodukten weiter zu schwächen. Insbesondere wird auf die rasche Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen, durch nationale und internationale Notfallzulassungsverfahren hingewiesen. Die bereits während der weltweiten Verabreichung von Covid-19-Impfstoffen aufgetretenen unerwünschten Nebenwirkungen dienen als Beleg für diese Gefahr.
Ein weiterer problematischer Aspekt betrifft die weitreichenden Befugnisse des WHO-Generaldirektors, heute der Äthiopier Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die IGV räumen ihm bereits erhebliche Befugnisse ein, die durch die vorgeschlagenen Änderungen weiter ausgebaut werden könnten. Er könnte fast unilateral einen globalen Gesundheitsnotstand ausrufen, der verschiedene Situationen abdeckt, und hätte einen grossen Ermessensspielraum bei der Ausübung seiner Befugnisse. Die Möglichkeit, Empfehlungen in rechtsverbindliche Anweisungen umzuwandeln, könnten weltweit Auswirkungen haben. Es wird betont, dass es keine klaren Massstäbe gibt, um einen PHEIC zu definieren oder zu beenden.
Die Autorin weist auch auf das Fehlen einer Rechenschaftspflicht hin, durch die die WHO und ihre Verantwortlichen für Entscheidungen im Zusammenhang mit Gesundheitsnotständen zur Verantwortung gezogen werden könnten. Es wird betont, dass die bestehenden Immunitäten für internationale Organisationen und ihre Mitarbeiter, sowie für öffentlich-private Partnerschaften der WHO, die Haftung für mögliche Schäden erschweren. Weder die vorgeschlagenen IGV-Änderungen noch der Entwurf des WHO-Pandemievertrags scheinen auf diese Mängel einzugehen oder Rechenschaftsmechanismen vorzusehen.
Müller kommt auch auf die Anreize für Gain-of-Function-Forschung (GoF) anstelle eines strikten Verbots zu sprechen. Im Vertragsentwurf fehlen Massnahmen zur Bewältigung der wahrscheinlichen Ursache des Covid-19-Pandemienotstands - die GoF-Forschung und ein Laborunfall. Sie schlägt vor, dass anstelle von Änderungen an den Internationalen Gesundheitsvorschriften oder einem neuen WHO-Pandemie-Vertrag, eine Überarbeitung der UN-Biowaffenkonvention erfolgen sollte, um GoF-Forschung zu verbieten.
Sie betont, dass die geplanten globalen Bioüberwachungssysteme und genomischen Sequenzierungskapazitäten, wie sie im Entwurf des WHO-Pandemievertrags vorgesehen sind, Anreize für gefährliche GoF-Forschung schaffen könnten. Der Aufbau von Biolaboren weltweit, die über Sequenzierungskapazitäten verfügen, könnte die Möglichkeit von Forschungen, die die Pathogenität und Übertragbarkeit von Erregern mit pandemischem Potenzial untersuchen und manipulieren, erhöhen.
Müller möchte mit ihrem Dokument erreichen, dass die geplanten Änderungen der IGV und des WHO-Pandemie-Vertrags umfassend debattiert und ihre potenziell negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und die Menschenrechte verstanden werden, bevor sie verabschiedet werden.