Deutschland hat Anfangs März zur Sicherstellung des „lebenswichtigen Bedarfs“ einen Exportstopp für medizinisches Schutzmaterial erlassen. Emmanuel Macron alle Atemschutzmasken beschlagnahmt. Das haben auch Spitäler in der Westschweiz zu spüren bekommen.
Markus Häfliger, Bundeshausredaktor der Tamedia, schreibt, der deutsche Exportstopp droht sich zum eigentlichen Handelsembargo gegen die Schweiz auszuweiten (Tagesanzeiger vom 11.3.20, paywall). Trotz Freihandelsabkommen unterstützte die EU die restriktive Haltung gegenüber der Schweiz. Erst als sie erkannte, dass die Schweiz über Medizinaltechnik verfügt, die in der EU benötigt wird, krebste sie zurück. In den vergangenen Wochen haben 55 Länder die Grenzen für medizinische Güter dichtgemacht.
Hermann Dür, Vorstandsmitglied der Schweizerischen Vereinigung Industrie und Landwirtschaft (SVIL): «Die derzeitigen Erfahrungen deuten darauf hin, dass Recht und Goodwill aus früheren Leistungen in der Not nur noch beschränkte Wirkung haben. Es wäre schwer zu begründen, warum das bei Nahrungsmittel anders sein sollte.»
Kopfzerbrechen bereiten auch die geschlossenen Grenzen für Erntehelfer. Philipp Bösiger, Geschäftsführer der Bösiger AG aus Niederbipp, einem der grössten Gemüseproduzenten der Schweiz, gegenüber der NZZ: «Fehlt das nötige Personal, können wir die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nicht aufrechterhalten».
Die Schweiz hat seit 1918 keine Hungersnot mehr gehabt. Damit ist unser Risikobewusstsein nicht mehr präsent. Da die «Agrarpolitik 2022-2025» gerade in Bearbeitung ist, wären, wie Hermann Dür betont, folgende Anpassungen sinnvoll: «Wir brauchen eine Agrarpolitik, die
1. unseren Selbstversorgungsgrad sicher nicht noch weiter reduziert, die
2. für Landwirte echte finanzielle Anreize schafft, um in der Schweiz zu produzieren (was den Kürzungen von Direktzahlungen entgegensteht),
3. die davon ausgeht, dass Dritte nicht immer Nahrungsmittel für uns zur Verfügung haben, und dass
4. diese nicht immer störungsfrei aus dem Ausland angeliefert werden können. Die bittere Wahrheit ist: Wir brauchen eine starke schweizerische Agrarpolitik für eine Welt, in der leider nicht immer alles funktioniert!»